Seit Mitte 2024 sind in Deutschland mehrere neue rechtsextremistische Gruppen entstanden. Das hat nach Einschätzung des BKA womöglich auch mit den Spätfolgen der Corona-Pandemie zu tun.
Binnen eines Jahres sind in Deutschland mehrere rechte Jugendgruppen mit insgesamt mehreren hundert Anhängern entstanden, die teils auch vor schweren Gewalttaten nicht zurückschrecken. «Die Polizeibehörden aus Bund und Ländern beobachten seit etwa Mitte vergangenen Jahres, dass in der rechten Szene neue Jugendgruppen in Erscheinung getreten sind, die sich zunächst im virtuellen Raum gegründet haben», teilte ein Sprecher des Bundeskriminalamts (BKA) auf Anfrage mit. Diese fielen inzwischen vermehrt durch Veranstaltungen, Straftaten und Störaktionen auf.
Rekrutierung über Social Media
Die größte dieser Gruppen ist nach Angaben aus Sicherheitskreisen «Jung und Stark» mit einer Anhängerzahl im mittleren dreistelligen Bereich. Schätzungsweise mehr als hundert Menschen fühlen sich der Gruppe «Deutsche Jugend Voran» zugehörig. Zu den zahlenmäßig relevanten Vereinigungen zählt auch «Der Störtrupp». Die Gruppe «Letzte Verteidigungswelle» hatte kürzlich für Schlagzeilen gesorgt, als acht ihrer mutmaßlichen Mitglieder in Untersuchungshaft kamen. «Die Jugendgruppierungen sind bundesweit vernetzt und setzen sich aus verschiedenen regionalen Ablegern zusammen», sagte ein BKA-Sprecher.
Proteste gegen CSD-Paraden
Plattformen wie Tiktok, Instagram und Youtube würden genutzt, um neue Mitglieder zu rekrutieren und für Aktionen zu mobilisieren - vor allem für Gegendemonstrationen zu Christopher-Street-Day-Veranstaltungen und für Aktionen, die sich gegen «Demos gegen rechts» richten. Polizeilich seien Mitglieder dieser Gruppen bislang mit Propagandadelikten und Gewalttaten in Erscheinung getreten.
Nachwuchs der Partei «Die Heimat»
Während der Verfassungsschutz der rechtsextremen Partei «Die Heimat» (vormals NPD) in seinem Jahresbericht 204 weiterhin eine «markante Mobilisierungsschwäche» attestiert, beobachtet er bei der Nachwuchsorganisation «Junge Nationalisten» (JN) einen deutlichen Zuwachs sowohl der Anhängerschaft als auch des Aktivitätsniveaus. «Ein gewaltsamer Übergriff auf den sächsischen Spitzenkandidaten der SPD im Europawahlkampf durch Angehörige und Personen aus dem Umfeld des Dresdener JN-Stützpunkts „Elblandrevolte“ unterstreicht die Radikalität in Teilen des Jugendverbands», heißt es in dem Bericht.
Gegen die «Letzte Verteidigungswelle» waren Ermittler im Mai mit einer bundesweiten Razzia vorgegangen. Die Bundesanwaltschaft ließ fünf Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Hessen festnehmen.
Brandanschläge und Nazi-Sprüche
Mit Anschlägen auf Asylunterkünfte und linke Einrichtungen habe die Gruppe das demokratische System der Bundesrepublik zum Zusammenbruch bringen wollen, so die Bundesanwaltschaft. Zwei der Beschuldigten sollen versucht haben, ein Asylbewerberheim in Schmölln in Thüringen in Brand zu setzen – allerdings ohne Erfolg. An die Unterkunft sprühten sie dann den Angaben nach unter anderem «Ausländer raus» und «NS-Gebiet». Im Januar sollen drei mutmaßliche Mitglieder der Gruppe einen Brandanschlag auf eine Asylunterkunft in Senftenberg im Süden Brandenburgs geplant haben. Anhänger der Gruppe stehen zudem im Verdacht, den Brandanschlag auf ein Kulturhaus im brandenburgischen Altdöbern im Oktober verübt zu haben.
Gewalttaten in Berlin
In einem Berliner Prozess gestand ein 24-Jähriger, der nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden in Berlin und Brandenburg eine leitende Funktion in der Gruppe «Deutsche Jugend Voran» hat, die ihm vorgeworfenen Taten und äußerte Reue. Der Mann, der zu einer Haftstrafe verurteilt wurde, hatte mit weiteren mutmaßlichen Neonazis Menschen attackiert, die Kleidung mit «Antifa»-Emblemen trugen.