Preise steigen heftiger als nötig: Werden Verbraucher bewusst abgezockt?
Autor: Lea Mitulla
München, Sonntag, 20. November 2022
Zurzeit wird eigentlich alles teurer - aber muss es das überhaupt? Der Handel schiebt die Energiekrise und Lieferengpässe als Grund für die starken Preisanstiege vor. Es gibt aber Hinweise, dass die Unternehmen die Lage ausnutzen, um noch mehr Gewinne einzustreichen. Leidtragende sind die Verbraucher.
Die Inflationsrate in Deutschland steigt immer weiter. Im Oktober 2022 lag sie laut Statistischem Bundesamt bei 10,4 Prozent. Vor allem die Preisanstiege für Lebensmittel bekommen die Verbraucher*innen zunehmend zu spüren. Denn spätestens beim Einkaufen im Supermarkt oder Discounter wird klar: Wir bekommen immer weniger Ware für unser Geld.
Der Verbraucherpreisindex zeigt, bei welchen Nahrungsmitteln es besonders schlimm ist. Im Vergleich zum Vorjahresmonat ist im Oktober der Preis für Pflanzenöl am stärksten gestiegen, um rund 80 Prozent. Butter kostet 55 Prozent mehr und Zucker rund 42 Prozent. Die Preise für Margarine und Pflanzenfett sind um fast 40 Prozent gestiegen. Und auch fettarme Milch kostet 35 Prozent mehr. Vor allem Grundnahrungsmittel sind also von der Teuerung betroffen.
Nutzen Händler die Inflation aus? Aldi und Lidl geben überhaupt keine Auskunft
Die Händler selbst geben die unterschiedlichsten Auskünfte, wieso die Preise so stark steigen. Das Politikmagazin "Kontrovers" des Bayerischen Rundfunks (BR) hat die großen Supermarktketten dazu befragt: Aldi antwortete erst gar nicht, Lidl gab an, keine Auskunft über die Preisgestaltung zu geben. Rewe verwies auf die gestiegenen Rohstoffpreise und Edeka nannte die hohen Energiepreise als Grund.
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Die Verbraucherzentralen sehen diese Argumente kritisch. Es gebe Hinweise, dass der Handel die Preise für Lebensmittel über die gestiegenen Kosten hinaus anziehen will. "Bei vielen Produkten greifen die Faktoren, bei denen sich die Kosten so erhöht haben, wie zum Beispiel die Energie, noch gar nicht", sagt Daniela Krehl von der Verbraucherzentrale Bayern im Gespräch mit "Kontrovers". Kurz erklärt, bedeutet das: "Warum ist das Brot jetzt schon so viel teurer, wenn die Energiekosten noch gar nicht so hoch gestiegen sind?", so Krehl.
Die Supermärkte schieben die Schuld dabei gerne auf die Hersteller. Aus Sicht der Verbraucherschützerin ergibt das wenig Sinn. Edeka zum Beispiel nehme gerade bestimmte Markenprodukte aus dem Sortiment und setze verstärkt auf Eigenmarken. Edeka gewinne dadurch umso mehr: Zum einen müssen sie sich nicht auf die aus ihrer Sicht zu hohen Preise der Marken einlassen, zum anderen fällt der Zwischenhändler weg - unter dem Strich kann Edeka deutlich mehr Geld machen.
Auch "günstige" Eigenmarken werden teurer
Die Eigenmarken der Supermärkte sind zudem keineswegs von den Preissprüngen verschont geblieben. Eine Datenanalyse der "Lebensmittelzeitung" hat ergeben, dass die Preise der vermeintlich günstigeren Produkte um mehr als 20 Prozent gestiegen sind. Im Durchschnitt wurden die Preise für Marken wie "Ja" (Rewe), "gut & günstig" (Edeka) oder "K-Classic" (Kaufland) rund doppelt so stark erhöht wie die Preise für Markenprodukte.
Das Ifo-Institut in Dresden hat ebenfalls die Entwicklung der Verbraucherpreise untersucht und mit den Beschaffungs- und Vorleistungskosten der Hersteller verglichen. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass die Preiserhöhungen nicht durch die gestiegenen Kosten für die Unternehmen gerechtfertigt werden kann. Der Ökonom Joachim Ragnitz spricht von einer Art "Gewinn-Inflation". In einigen Branchen würden Unternehmen die Inflation ausnutzen, um ihre Gewinne auszuweiten. Damit hätten sie "die Inflation auf der Verbraucherstufe sogar noch verstärkt", schreibt Ragnitz in der Zeitschrift "ifo Dreden berichtet".