Schwarzer und Wagenknecht bleiben Antworten schuldig: Was das "Manifest für Frieden" verschweigt

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Ein Kommentar von Io Görz
Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer
«Geraten wir unaufhaltsam auf eine Rutschbahn Richtung Weltkrieg und Atomkrieg?»: Sahra Wagenknecht (l) und Alice Schwarzer.
Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer
Rolf Vennenbernd/dpa

Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht haben ein "Manifest für Frieden" geschrieben und sammeln Unterschriften. Wofür genau, sagen sie nicht, außer dass sie einen Stopp der Waffenlieferungen wollen. Ansonsten bleiben sie vieles schuldig, vor allem eine zentrale Antwort.

Es gibt Menschen, bei denen hofft man auf Altersweisheit, aber sie will sich einfach nicht einstellen. So ein Fall ist Alice Schwarzer. Die 80-Jährige sorgt seit Jahren selbst bei Menschen, die früher große Stücke auf sie hielten, für mindestens irritiertes Kopfschütteln und für die gelegentliche Frage "Hat sie nicht wirklich, oder?"

Ihr jüngster Streich geht vielen zu weit und sorgt für heftige Kritik. Zurecht, denn was die vorgebliche Kämpferin für Frauenrechte über den Angriffskrieg gegen die Ukraine von sich gibt, entbehrt wirklich jedem Maß und jeder Vernunft. 

Angst vor dem "maximalen Gegenschlag"

Zusammen mit der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht hat Schwarzer ein "Manifest für Frieden" auf den Weg gebracht, das nach den 69 Erstunterzeichner*innen inzwischen knapp 500.000 Menschen unterstützen (Stand: 16.02.2023, 19 Uhr). Darin fordern die beiden Frauen, die Waffenlieferungen an die Ukraine einzustellen. In ihrem Manifest drücken sie ihre Befürchtung aus, dass weitere Lieferungen von schweren Waffen zu einer Eskalation des Kriegs führen könnten.

Ein Angriff der ukrainischen Streitkräfte auf die Krim könnte sogar zu einem "maximalen Gegenschlag" Putins führen. "Geraten wir dann unaufhaltsam auf eine Rutschbahn Richtung Weltkrieg und Atomkrieg? Es wäre nicht der erste große Krieg, der so begonnen hat. Aber es wäre vielleicht der letzte", unken die Aktivistinnen in ihrem Manifest. 

In einem Video verkündeten die beiden ihre Zusammenarbeit unter viel Gefeixe und Scherzen: "Manche von euch sind vermutlich überrascht, mich hier mit Sahra Wagenknecht Schulter an Schulter zu sehen. Aber es gibt einen sehr ernsten Grund dafür", so Schwarzer. Zusammen mit dem Manifest riefen sie zu einer Friedenskundgebung am Brandenburger Tor am 25. Februar auf, ein Tag nach dem Jahrestag des Kriegsbeginns. 

Appeasement ist keine Lösung

In dem Manifest heißt es außerdem, die "von Russland brutal überfallene ukrainische Bevölkerung braucht unsere Solidarität". Diese ist in der Vorstellung von Schwarzer und Wagenknecht wohl der Stopp der Waffenlieferungen und der Start von Verhandlungen. Als ob es noch keine Verhandlungen, gerade vor und kurz nach Beginn des Angriffs gegeben habe. 

Vor allem aber bleiben sie eine zentrale Antwort in ihren Forderungen schuldig - worauf auch sonst keine*r der Apologet*innen der Kapitulation je eine Antwort parat hat: Worüber genau soll verhandelt werden? Völlig vage zünden sie eine Nebelkerze von "Kompromissen", die "beide Seiten" machen müssten. Damit wird jegliches Völkerrecht ad absurdum geführt, wenn ein Aggressor belohnt wird, indem ein angegriffenes, souveränes Land, nun Kompromisse machen soll. 

Durch das Manifest von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht weht ein Hauch von München 1938, als Europa in verzweifelter Appeasement-Politik versuchte, Hitlers Expansionsstreben durch Entgegenkommen zu befriedigen und somit zu stoppen. Dass sich der damalige Aggressor nur ermutigt fühlte, ist bekannt, die Folgen ebenfalls. Auch ohne hier nun eine Linie zu ziehen und einen unnötigen Nazivergleich zu bemühen, ist völlig offensichtlich, dass einseitiges Entgegenkommen ohne den Hauch eines Anzeichens, dass Putin die Invasion der Ukraine stoppen will, keinen Erfolg haben wird. 

Schützenhilfe von rechts? Schwarzer ist das egal

Wobei es natürlich darauf ankommt, wie man Erfolg definiert. Eine Niederlage der Ukraine und eine darauf folgende Unterdrückung der Bevölkerung durch russische Besatzung ist offenbar das, worauf angebliche "Friedens"-Aktivist*innen nach Art von Schwarzer und Wagenknecht abzielen. Denn nichts anders wird passieren, wenn die Ukraine den Kampf aufgrund von mangelnder Unterstützung einstellen muss. 

Was würden die falschen Friedenstauben à la Wagenknecht und Schwarzer denn sagen, wenn eine fremde Armee Thüringen oder Bayern besetzt hielte? Welche Kompromisse würden ihnen da wohl vorschweben? Der Ukraine jedenfalls wollen sie in einer unvergleichlich arroganten Art und Weise belehren, doch mal lieber Kompromisse zu machen. Inwiefern es solidarisch sein soll, wenn ein Land zerstückelt und seiner Souveränität und sicherlich auch seiner gewählten Regierung beraubt werden soll, bleibt dabei nebulös. 

Alice Schwarzer hat unterdessen Kritik an ihrem zusammen mit Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht veröffentlichten "Manifest für Frieden" zurückgewiesen. Sie wollten der "stummen Hälfte der deutschen Bevölkerung, die gegen die eskalierende Aufrüstung und für Friedensverhandlungen ist, eine Stimme geben", so Schwarzer gegenüber den "Nürnberger Nachrichten". Auch, dass sie dabei Unterstützung von rechtsradikalen Politkern bekommt, scheint sie nicht zu stören: "Das ist mir egal. Ein paar Dutzend Rechtsextreme gegen bald eine Million Unterzeichnerinnen und Unterzeichner unseres Friedensappells. Was wiegt das schon."

Für die Ukrainer*innen würde es jedenfalls schwer wiegen, müssten sie nun kampflos dabei zusehen, wie ihnen "Verhandlungen" aufgezwungen werden. Denn eines ist völlig klar: Eine siegreiche russische Föderation wird vieles sein, aber nicht kompromissbereit.