Gesetze, die klar, verständlich und ohne innere Widersprüche sind, könnten aus seiner Sicht zwar helfen. Ohne einen Mentalitätswandel bei den Beamten vor Ort, die oftmals vor weitreichenden Entscheidungen zurückschreckten, werde man aber keine Trendwende erreichen, sagt Lüttgau.
Warten auf große Entlastung
Der schwarz-roten Koalition bescheinigt der Normenkontrollrat zwar große Ambitionen beim Abbau von Bürokratie. Abgesehen vom sogenannten Bauturbo, der Verwaltung, Bürger und die Wirtschaft jährlich um 2,5 Milliarden Euro entlasten soll, ist aber aus Sicht des NKR jenseits von Ankündigungen bisher nicht viel passiert.
«Schon der Aufbau des Bundesministeriums für Digitales und Staatsmodernisierung und die Schwierigkeiten beim Abgeben von Ressourcen und Zuständigkeiten an das neue Ministerium zeigen, wie sehr die individuellen Sichtweisen und Eigeninteressen der Bundesministerien noch dominieren», heißt es in dem Bericht.
Um zu illustrieren, was gemeint ist, findet sich in dem Jahresbericht eine Karikatur, die zeigt, wie vier Gärtnerinnen und Gärtner jeweils hinter einem Zaun mit einer eigenen Bewässerungsanlage Blumen züchten.
Experten pochen auf ihre Unabhängigkeit
Der Nationale Normenkontrollrat ist ein unabhängiges, ehrenamtliches Beratergremium. Seine zehn Mitglieder haben die Aufgabe, sich für weniger Bürokratie, bessere Gesetze und eine digitale Verwaltung einzusetzen.
In den ersten Jahren nach seiner Gründung 2006 war der Rat organisatorisch im Bundeskanzleramt angesiedelt. Unter der Ampel-Regierung zog er um ins Justizministerium. In ihrem Koalitionsvertrag legten Union und SPD zwar fest, das Gremium solle ins Kanzleramt zurückkehren. Am Ende landete es aber dann im neuen Ministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung.
Experten schlagen «Deutschland-App» vor
In seinem aktuellen Jahresbericht spricht sich das Gremium perspektivisch für die Einführung einer «Deutschland-App» für alle Verwaltungsleistungen aus. Für Aufgaben der Länder könne die Bereitstellung von Leistungen über diese App freiwillig bleiben, für Aufgaben des Bundes sollte sie verpflichtend sein.
Im Berichtszeitraum ging der jährliche Erfüllungsaufwand laut NKR um fast 3,2 Milliarden Euro zurück im Vergleich zu den vorangegangenen zwölf Monaten. Die Wirtschaft sei um eine Milliarde Euro entlastet worden, die Verwaltung um 1,7 Milliarden Euro und die Bürger um 500 Millionen Euro. Gleichwohl verharrten die gesetzlichen Folgekosten auf hohem Niveau.
NKR sieht zu viel Hektik in der Gesetzgebung
Die stellvertretende NKR-Vorsitzende Sabine Kuhlmann betont, gute Gesetzgebung benötige Zeit – etwa, um Vorhaben vor der Beratung im Kabinett auf ihre «Vollzugstauglichkeit» hin zu prüfen.
Das Kanzleramt müsse hier ein «Bollwerk gegen die Hektik» in der Gesetzgebung sein. In der neuen Legislaturperiode habe der Rat bei einem Viertel der Gesetzesvorhaben weniger als fünf Tage Zeit gehabt, um den jeweiligen Entwurf zu prüfen.