Die allermeisten Versicherten haben inzwischen einen digitalen Speicher für Gesundheitsdaten – und Ärztinnen und Ärzte müssen sie in wenigen Tagen auch immer befüllen. Wird das dann rasch zum Alltag?
Kurz vor dem Start der verpflichtenden Verwendung der neuen elektronischen Patientenakten (ePA) in den Arztpraxen zieht das Interesse unter Versicherten allmählich etwas mehr an. Bei der Techniker Krankenkasse (TK), den Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK) und der Barmer haben 1,37 Millionen Versicherte ihre E-Akte nun für sich selbst freischalten lassen, wie die Kassen auf Anfrage mitteilten.
Das sind knapp 170.000 mehr als Mitte Juli – bei jedoch insgesamt 45 Millionen angelegten ePAs. Die Kassen setzen auf einen Schub, wenn Praxen ab diesem Mittwoch wichtige Daten in die E-Akten laden müssen.
Die Chefin des AOK-Bundesverbands, Carola Reimann, sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Mit der Verpflichtung zur Befüllung und Nutzung der ePA ab dem 1. Oktober dürfte sich der Anteil der Versicherten, die mit dem Thema in Berührung kommen, deutlich erhöhen.» TK-Chef Jens Baas sagte der dpa, jetzt komme die entscheidende Phase. «Nur wenn die ePA zu jedem Arztbesuch selbstverständlich dazugehört, wird sie ihren vollen Nutzen entfalten.»
Ärzte müssen künftig Daten in E-Akten laden
Rund 70 Millionen der gut 74 Millionen gesetzlich Versicherten haben schon seit Januar eine ePA von ihrer Krankenkasse angelegt bekommen, was man für sich auch ablehnen kann. Der Einsatz in Gesundheitseinrichtungen wurde zuerst in drei Regionen getestet und dann ab dem Frühjahr bundesweit ausgedehnt. Bisher konnten Ärztinnen und Ärzte die ePAs auf freiwilliger Basis nutzen und Daten für ihre Patienten einstellen. Zum 1. Oktober greift für sie nun eine Pflicht.
TK-Chef Baas sagte: «Damit die ePA ihr volles Potenzial entfalten kann, müssen sich Patientinnen und Patienten darauf verlassen können, dass ihre wichtigen medizinischen Informationen in der Akte bei jedem Praxisbesuch vollständig hinterlegt sind.» Deshalb sei entscheidend, dass die nun greifenden Vorgaben möglichst schnell und flächendeckend umgesetzt werden. «Alle medizinischen Einrichtungen in Deutschland müssen an die ePA angeschlossen sein.» Sie müsse von allen in den Behandlungsalltag integriert und auch gefüllt werden.
Der Sozialverband Deutschland (SoVD) beklagte eine enttäuschende Anlaufphase der Patientenakte. «Die Einführung war zu bürokratisch und für viele nicht nachvollziehbar», sagte die Vorsitzende Michaela Engelmeier. Es brauche deutlich mehr Barrierefreiheit, einfache Sprache und umfassende Aufklärung.
Auch «passive» E-Akten können befüllt werden
Rund 58.000 der 98.500 Arztpraxen nehmen nach Angaben der mehrheitlich bundeseigenen Digitalagentur Gematik bereits teil. Schon dabei sind demnach auch 19.700 Zahnarztpraxen, knapp 6.500 Apotheken und 727 Kliniken. Zuletzt wurden wöchentlich insgesamt 1,9 Millionen Dokumente hochgeladen. Bei den Kliniken wird nach Branchenangaben damit gerechnet, dass ein Großteil die ePA wohl erst im Laufe des nächsten Jahres krankenhausweit einsetzen kann.