Laut der Sprecherin des Verwaltungsgerichts Berlin haben in 22 Verfahren (Stand 20.8.) die Richter bislang die Bundesregierung zur Erteilung von Visa verpflichtet. In einigen Fällen liegen dem Gericht ebenfalls Anträge zur Vollstreckung vor. Über solche Fälle hatte auch die «Welt» berichtet.
In der vergangenen Woche hatte das Auswärtige Amt eine Beschwerde gegen eine Entscheidung zurückgezogen. Damit wurde ein Urteil rechtskräftig, wonach einer Juraprofessorin und ihren Familienangehörigen Visa erteilt werden müssen.
Familien warten in Pakistan auf Visa
In den aktuellen Fällen geht es um Zusagen der Bundesregierung an zwei Familien. Beide warten in Pakistan aus Visa. Sie befürchtet eine Abschiebung nach Afghanistan, wo ihr Leben nach eigenen Angaben unter der Herrschaft der islamistischen Taliban gefährdet ist.
Im Fall der Familie aus Kabul wurde das Auswärtige Amt bereits gerichtlich zur Erteilung von Visa verpflichtet. Eine Beschwerde dagegen blieb vor dem OVG. Parallel forderten die Eltern von fünf Kindern vor dem Verwaltungsgericht die Vollstreckung der Entscheidung aus dem Juli – mit Erfolg.
Die andere Familie hatte von der Deutschen Botschaft in Islamabad Ende Oktober 2024 eine Aufnahmezusage erhalten - vorausgesetzt, es gebe keine Sicherheitsbedenken gegen die Personen. Dafür werden nach dem Verfahren sogenannte Sicherheitsinterviews durchgeführt. Diese stehen im Fall der Eltern von sechs Kindern noch aus. Laut Gericht ist die Bundesregierung seit Ende Oktober 2024 untätig geblieben.
Richter: Bundesregierung muss tätig werden
Da sich in der Sache nichts bewegte, zogen die Afghanen vor Gericht. Ende Juli erzielten sie im Eilverfahren einen ersten Erfolg: Das Verwaltungsgericht verpflichtete die Bundesregierung, tätig zu werden. Eine Beschwerde der Regierung blieb vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg ohne Erfolg. Parallel forderte auch diese Familie erfolgreich die Vollstreckung der Entscheidung aus dem Juli.
Die Bundesregierung hatte vor Gericht unter anderem argumentiert, dass die Aufnahmeverfahren und Visaerteilung derzeit insgesamt ausgesetzt seien. Die Deutsche Botschaft in Islamabad stehe «fortlaufend in engem und hochrangigem Kontakt mit der pakistanischen Regierung, um eine gesicherte Regelung für den betroffenen Personenkreis zu vereinbaren».
Dies reichte den Berliner Richtern nicht. Die Situation habe sich geändert, hieß es vom OVG. Es gebe Berichte über eine «nicht unerhebliche Zahl von Festnahmen und Abschiebungen afghanischer Staatsangehöriger aus dem Aufnahmeprogramm der Bundesregierung durch pakistanische Behörden».
Insgesamt warten mehr als 2.000 Afghanen im Rahmen der verschiedenen Aufnahmeprogramme auf eine Ausreise nach Deutschland. Sie sind etwa ehemalige Ortskräfte oder gelten als besonders gefährdet.
Grüne: Bundesregierung muss zu ihrer Verantwortung stehen
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann kritisierte die Bundesregierung für den Stopp der Aufnahmen. «Der Bundesregierung und insbesondere der Union sowie Innenminister Dobrindt sind die rechtsverbindlichen Aufnahmezusagen offenbar nichts mehr wert; sie stehlen sich aus der Verantwortung», sagte sie der dpa. Schwarz-rot bringe damit Menschen in Gefahr und beschädige das Ansehen Deutschlands in der Welt schwer.