"Lufthoheit über die Heizungskeller" - Bundestag beschließt umstrittenes Heizungsgesetz

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Wohl selten stand ein Gesetzentwurf so in der Kritik und hat für Verunsicherung gesorgt: Nach langen Streitigkeiten hat der Bundestag mit der Mehrheit der Ampel-Koalition eine Novelle des Gebäudeenergiegesetzes beschlossen.

Update, 08.09.2023, 15.25 Uhr: Bundestag beschließt umstrittenes Heizungsgesetz

Der Bundestag hat am Freitag nach monatelangen Konflikten das umstrittene Heizungsgesetz beschlossen. Es soll einen wesentlichen Beitrag für mehr Klimaschutz in Gebäuden leisten. Für das Gesetz stimmten 399 Abgeordnete, mit Nein 275 bei 54 Enthaltungen. Die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes - des sogenannten Heizungsgesetzes zielt darauf ab, durch einen schrittweisen Austausch von Öl- und Gasheizungen das Heizen in Deutschland klimafreundlicher zu machen. Ende September muss das Gesetz noch den Bundesrat passieren.

Das neue Gebäudeenergiegesetz sieht im Kern vor, dass künftig jede neu eingebaute Heizung auf Basis von 65 Prozent erneuerbaren Energien betrieben werden soll. Das Gesetz soll Anfang 2024 in Kraft treten - aber unmittelbar erst einmal nur für Neubaugebiete gelten. Für Bestandsbauten soll eine kommunale Wärmeplanung der Dreh- und Angelpunkt sein, die schrittweise kommen soll.

Vor dem Beschluss gab es im Bundestag eine kontroverse und lautstarke Debatte. Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) verteidigte das Gesetz gegen scharfe Kritik der Opposition. Er sagte: "Ich finde es berechtigt, mit konkreten und auch besorgten Nachfragen auf dieses Gesetz einzugehen. Was man allerdings nicht durchgehen lassen sollte, ist, den Menschen Sand ins Auge zu streuen - zu sagen, wir machen Ziele, aber wir tun nichts dafür, dass diese Ziele erreicht werden."

Die unionsgeführte Bundesregierung habe beschlossen, dass Deutschland 2045 klimaneutral sein solle. Es seien aber keine konkreten Maßnahmen vorgeschlagen worden, sagte Habeck. Nun werde es konkret, Millionen von Menschen seien betroffen. Er nehme Sorgen sehr ernst. Das Gesetz schaffe Rechtssicherheit, schütze die Verbraucherinnen und Verbraucher vor hohen Energiepreisen und sorge für eine soziale Ausbalancierung. Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge räumte Fehler ein. Sie sagte, die Koalition habe hart miteinander gerungen, zu oft auch öffentlich - und bei den Bürgern Verunsicherung erzeugt, die nicht nötig gewesen wäre. Am Ende stehe aber eine gemeinsame Lösung mit einem konkreten Fahrplan dafür, wie klimafreundliches Heizen überall gelingen werde.

Über das Gesetz hatte es lange Konflikte gegeben. Auf Druck vor allem der FDP hatte es grundlegende Änderungen des ursprünglichen Entwurfs gegeben. Die FDP betont vor allem "Technologieoffenheit" - nach dem Motto: "Die Heizung muss zum Haus passen und nicht umgekehrt." CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt erhob schwere Vorwürfe gegen die Koalition. Die vorgesehene künftige staatliche Förderung sei unzureichend. "Dieses Gesetz macht die Menschen arm." Er kritisierte außerdem, dass über grundlegende Änderungen des ursprünglichen Gesetzentwurfs nicht genügend beraten wurde.

FDP-Fraktionschef Christian Dürr entgegnete, die Opposition habe wochenlang Zeit gehabt, um Änderungsanträge zu erstellen. Unionsfraktionsvize Jens Spahn (SPD) dagegen nannte das Gesetz "Irrsinn" und ein "Konjunkturprogramm für Populisten". Die Koalition wolle die "Lufthoheit über die Heizungskeller" Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch sprach von einem kommunikativen Desaster. Der AfD-Abgeordnete Marc Bernhard sagte, der "Heizungshammer" sei nicht entschärft.

Das Gebäudeenergiegesetz - oft als Heizungsgesetz bezeichnet - sollte eigentlich Anfang Juli und damit vor Beginn der Sommerpause beschlossen werden. Zuvor hatte es in der Ampel-Koalition lange Konflikte gegeben. Die Koalition verständigte sich dann auf grundlegende Änderungen. Das Bundesverfassungsgericht aber stoppte eine Verabschiedung vor der Sommerpause. Das Gericht hatte Zweifel daran angemeldet, dass die Rechte der Abgeordneten ausreichend gewahrt blieben. Der CDU-Abgeordnete Thomas Heilmann hatte wegen des engen Zeitplans im Gesetzgebungsverfahren einen Antrag auf eine einstweilige Anordnung gestellt.

Heilmann kritisierte am Freitag im Bundestag, dass es keine erneute Sitzung des zuständigen Bundestagsausschusses gegeben habe. Er hatte mit Blick auf eine weiter anhängige Klage bereits gesagt, er halte die letzte Lesung im Bundestag allein nicht ausreichend. Sollte die Regierung nicht nachsteuern, würde sie ein formell verfassungswidriges Gesetz beschließen. Die Opposition im Bundestag war am Dienstag mit einem Antrag gescheitert, eine Entscheidung zum Heizungsgesetz zu verzögern. Sie wollte eine erneute Beratung im zuständigen Bundestagsausschuss sowie eine erneute Expertenanhörung.

Ursprungsmeldung: Bundestag entscheidet am Freitag über Heizungsgesetz - kurz davor kommt neue Kritik auf

Der Bundestag entscheidet am heutigen Freitag (8. September 2023) über das umstrittene Heizungsgesetz. Erwartet wird, dass es mit der Mehrheit der Ampel-Koalition beschlossen wird. Das Gebäudeenergiegesetz, das oft als Heizungsgesetz bezeichnet wird, zielt darauf ab, durch einen schrittweisen Austausch von Öl- und Gasheizungen das Heizen klimafreundlicher zu machen. Ende September muss das Gesetz noch durch den Bundesrat.

Die Pläne sehen im Kern vor, dass jede neueingebaute Heizung zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden soll. Es soll Anfang 2024 in Kraft treten, aber zunächst nur für Neubaugebiete gelten. Für bestehende Gebäude soll eine kommunale Wärmeplanung der Dreh- und Angelpunkt sein: Auf dieser Grundlage sollen Hausbesitzer entscheiden können, ob sie sich an ein Wärmenetz anschließen oder eine Wärmepumpe oder andere klimafreundlichere Heizung einbauen lassen. Die kommunale Wärmeplanung soll in Kommunen über 100.000 Einwohnern bis Mitte 2026 und für die restlichen bis Mitte 2028 erstellt werden.

Bundestag entscheidet am Freitag über Heizungsgesetz

Über das Heizungsgesetz hatte es heftigen Streit gegeben. Auf Druck vor allem der FDP gab es grundlegende Änderungen. Das Wirtschaftsministerium legte zuletzt eine neue Berechnung zur CO₂-Einsparung vor. Demnach wird der Klimaschutzeffekt des Gesetzes geringer ausfallen als angenommen. Grund sind die Änderungen im parlamentarischen Verfahren. Es wird davon ausgegangen, dass mit der neuen Fassung rund drei Viertel der eigentlich geplanten Treibhausgasminderung bis 2030 möglich sind - "vielleicht etwas mehr, vielleicht weniger". Diese neue Schätzung basiert auf einer Berechnung des Öko-Instituts.

Die Opposition im Bundestag war mit einem Antrag gescheitert, die Entscheidung über das Gesetz zu verzögern. Vor allem die Union drängte auf mehr Zeit für Beratungen. Aus der Unionsfraktion kam nun erneut Kritik an dem Vorhaben. "Fakt ist, dass das GEG mit seinen überzogenen Regelungen das Bauen und Wohnen noch weiter verteuert", sagte der stellvertretende Fraktionschef Ulrich Lange der Augsburger Allgemeinen. Das könne man in Zeiten hoher Inflation und hoher Bauzinsen nicht gebrauchen. Das Gesetz wirke als "Brandbeschleuniger".

Konkret kritisierte der CSU-Politiker, für Mehrparteienhäuser sänken mit zunehmenden Wohneinheiten die förderfähigen Investitionskosten. Während sie für die erste Wohneinheit bei 30.000 Euro liegen solle, seien es ab der siebten Wohneinheit 3000 Euro. "Darin sehe ich eine Benachteiligung der Wohnungswirtschaft, auch wenn sie noch andere Möglichkeiten wie Umlagen und Abschreibungen hat."

Vorschaubild: © Thomas Banneyer (dpa)