Nach seiner Rückkehr aus dem Irak wurde Ali B. fast sechs Stunden lang verhört: Der 20-Jährige gesteht die Tötung der 14-jährigen Susanna. Fragen zur Vergewaltigung und zum Tathergang bleiben offen.
Der gewaltsame Tod der 14-jährigen Susanna beschäftigt auch nach dem Geständnis des Verdächtigen Ali B. weiter die Ermittler. Der 20 Jahre alte Iraker wurde am Sonntag in Wiesbaden fast sechs Stunden lang von einer Amtsrichterin vernommen. Er gestand, die 14-Jährige getötet zu haben, bestritt aber eine Vergewaltigung. Er kam in Frankfurt in Untersuchungshaft. Dennoch sind weiter Fragen zu dem aufsehenerregenden Fall offen.
Der Iraker steht im Verdacht, die am Mittwoch in Wiesbaden tot gefundene Susanna F. in der Nacht vom 22. zum 23. Mai vergewaltigt und getötet zu haben. Nach einer Flucht in den Irak wurde er am Samstag im Beisein von Bundespolizisten mit einer Lufthansa-Maschine zurück nach Deutschland geflogen. Am Sonntag wurde er in Wiesbaden von einer Ermittlungsrichterin angehört.
Überblick zum Fall Susanna: Was wir wissen und was nicht
Der Tatverdächtige im Mordfall Susanna sitzt nach der Rückführung aus dem Irak in deutscher Haft. Warum die 14-jährige Schülerin aus Mainz vergewaltigt und getötet wurde, ist noch unklar. Was in dem Fall bekannt und was noch offen ist:
Der 20-Jährige Ali B. ist in Deutschland in Haft. Wie gehen die Ermittlungen in dem Mordfall nun weiter?
Ali B. wurde noch am Samstagabend nach der Ankunft in Deutschland in Wiesbaden vernommen. Am Sonntag sollte er einer Ermittlungsrichterin zur Haftprüfung vorgeführt werden. Davon hängt ab, ob der 20-Jährige in Untersuchungshaft kommt.
Der Tatverdächtige soll den Mord bei der Vernehmung durch kurdische Sicherheitskräfte gestanden haben. Was ist davon zu halten?
Das ist schwer zu sagen, da unklar ist, unter welchen Bedingungen das angebliche Geständnis zustande kam. Ali B. sagte nach Angaben eines kurdischen Polizisten, er und das Mädchen hätten vor der Tat viel Alkohol getrunken und Tabletten geschluckt. Dabei sei es zum Streit gekommen. Das Mädchen habe gedroht, die Polizei anzurufen. Das soll Ali B. nach eigener Aussage zu der Tat getrieben haben.
Es hieß, Ali B. habe sich vom Irak aus in ein Nachbarland absetzen wollen.
Das sagte Bundespolizei-Chef Dieter Romann der "Bild am Sonntag". Dazu passen die Angaben eines kurdischen Polizeioffiziers, Ali B. sei in Zakho festgenommen worden. Die Stadt liegt an der Grenze zur Türkei.
War Susanna ein Zufallsopfer, oder steckt eine Beziehungstat hinter dem Mord?
Susanna kannte den Bruder von Ali B. und hätte sich Ermittlern zufolge eine Beziehung mit ihm vorstellen können. Deshalb hielt sich die 14-Jährige öfter in der Flüchtlingsunterkunft in Wiesbaden auf und kannte auch den mutmaßlichen Täter. Ali Bs. Bruder soll die Gefühle des Mädchens nicht erwidert haben. Das Mädchen war jüdischen Glaubens, es gebe aber keine Hinweise, dass die Religion bei der Tat eine Rolle gespielt habe, hieß es von der Staatsanwaltschaft.
Warum hat die Polizei erst viele Tage nach Verschwinden des Mädchens eine intensive Suche eingeleitet?
Wenn Jugendliche verschwinden, berücksichtigt die Polizei auch die privaten Hintergründe der Teenager in den Ermittlungen. Die 14-Jährige hatte etwa mehrfach die Schule geschwänzt - möglich, dass die Ermittler anfangs deshalb nicht von einem Verbrechen ausgingen.
Eine Woche nach dem Verschwinden schrieb eine Bekannte von Susanna deren Mutter, das Mädchen sei tot, die Leiche liege an einem Bahngleis. Die Beamten befragten die Hinweisgeberin, die im Urlaub war, zunächst nicht. Warum die Bekannte nicht im Urlaub befragt wurde, ist unklar. Offen ist auch, warum von dem Hinweis zu Susannas Tod bis zum Finden der Leiche mehr als eine Woche verging.
Was können die Obduktion der Leiche und die Auswertung der DNA-Spuren bringen?
Die Behörden erhoffen sich davon Klarheit über den Tathergang und den Täter. Durch die lange Zeit zwischen Tod und Auffinden der Leiche ist allerdings unklar, wie aussagekräftig die Spuren noch sind.
Wie reagieren die Menschen in Mainz und Wiesbaden auf den Fall?
In Susannas Wohnort Mainz gibt es bereits Mahnwachen und Kundgebungen. Sie richteten sich sowohl gegen illegale Einwanderung als auch gegen Ausländerhass und Rassismus. In Wiesbaden, wo der Tatverdächtige in einer Flüchtlingsunterkunft lebte und wo die Leiche der 14-Jährigen in einem Waldgebiet gefunden wurde, waren zunächst keine Kundgebungen geplant.
Warum wurde Ali B. nicht abgeschoben, obwohl sein Asylantrag bereits Ende 2016 abgelehnt wurde und er polizeilich aufgefallen war?
Nach dem abgelehnten Asylantrag legte ein Anwalt für den 20-Jährigen Rechtsmittel gegen die Abschiebung ein. Seitdem ist ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden anhängig und die Abschiebung damit gestoppt.
Durfte der Verdächtige überhaupt aus Deutschland ausreisen?
Nach Angaben der Polizei wurde Ali B. erst nach seiner Flucht zur Fahndung ausgeschrieben - nachdem sich ein 13 Jahre alter Zeuge gemeldet hatte. Ein Haftbefehl hätte die rechtliche Handhabe gegeben, ihn an der Ausreise zu hindern.
Ein zweiter Tatverdächtiger, ein 35-jähriger Türke, wurde am Donnerstag wieder freigelassen. Besteht gegen ihn noch Tatverdacht?
Der 35-Jährige ist für die Ermittler nicht mehr dringend tatverdächtig. Deshalb kam er nicht in Untersuchungshaft. Der Flüchtling wird bei Ermittlern aber weiter als Beschuldigter geführt. Es gibt einen Anfangsverdacht, dass er etwas mit dem Verbrechen zu tun haben könnte. Er kann aber genausogut unschuldig sein.
Forscherin zum Fall Susanna: "Das ist jetzt kein Einzelfall mehr"
Die deutsche Gesellschaft muss sich aus Expertensicht spätestens nach dem Fall Susanna Konzepte für den Umgang mit patriarchalisch geprägten und aggressiven Männern überlegen. "Das ist jetzt kein Einzelfall mehr", sagte die Ethnologin und Leiterin des Forschungszentrums Globaler Islam an der Frankfurter Goethe-Universität, Susanne Schröter, mit Blick auf andere Fälle wie die Kölner Silvesternacht oder Kandel. "Es ist eine neue Situation und die hat etwas mit den vielen jungen Männern aus patriarchalischen Strukturen und Kulturen zu tun."