In vielen Supermärkten fehlen Produkte des täglichen Bedarfs. Die Ursache ist ein Tarifkonflikt. Wird er nicht gelöst, drohen weitere Engpässe - auch beim Einkauf fürs Weihnachtsmenü.
Die schwarz-weißen Zettel sind unübersehbar. Sie hängen alle zwei Meter an den Türen der großen Kühlschränke, die unter anderem mit Aufschnitt und Käse gefüllt sind. Auf den Ausdrucken steht: «Wichtige Info für Kund:innen: Leider kann es aufgrund von Streiks in unseren Zentrallagern zu Fehlartikeln im Sortiment kommen.» Die Zettel hängen in einem Rewe-Markt im nordrhein-westfälischen Hilden, sind so oder so ähnlich jedoch zurzeit auch in anderen Teilen der Republik zu sehen.
Leere Regalmeter sind seit Monaten Alltag in deutschen Supermärkten. Die Auswirkungen von Streiks bei der Warenverteilung sind für die Kunden vielerorts spürbar. Ursache sind die seit Monaten ergebnislosen und festgefahrenen Tarifverhandlungen zwischen Handel und der Gewerkschaft Verdi. Eine baldige Lösung ist jedoch nicht in Sicht. Kunden müssen beim Wocheneinkauf vermutlich noch länger mit Einschränkungen leben.
Wie schlimm ist die Situation? Nicht dramatisch, das ist die offizielle Kommunikation der Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels. Es gebe keine Engpässe, die Versorgung sei gesichert. Nur in Einzelfällen seien Produkte vorübergehend nicht verfügbar. Für die Verbraucher gebe es kaum Auswirkungen, so heißt es auf Nachfrage bei Rewe, Edeka & Co. Alles im Griff, so die Botschaft.
Aus Sicht des Handelsexperten Jörg Funder ist das Strategie. «Die Unternehmen wollen natürlich nicht zugeben, dass die Situation schwierig ist, alles andere wäre ein Erfolg für die Gewerkschaft», sagt er. Die Unternehmen wollten weder die andere Seite unnötig stark machen noch Kunden abschrecken, deshalb spiele man die Situation bewusst herunter. Martin Fassnacht, Handelsexperte von der Wirtschaftshochschule WHU, sagt: «Volle Regale wecken Kauflust und führen zu mehr Käufen, leere sorgen bei den Kunden für schlechte Stimmung, und es wird weniger gekauft.»
«Du weißt nie, was du morgen bekommst»
Welche Produkte sind besonders betroffen? Während die Zentralen von Rewe, Aldi & Co zu Detailfragen schweigen, sind die Händler vor Ort auskunftsfreudiger. Die Auswirkungen des Streiks seien gravierend, es gebe große Probleme bei der Warenversorgung, sagt ein Händler, der im Großraum Dortmund mehrere Filialen betreibt. Er will lieber nicht namentlich zitiert werden, weil er sonst Ärger mit seiner Regionalgesellschaft bekommen könnte.
Weil die Fahrer streiken, die die Waren zu seinen Märkten fahren, bucht er eine Spedition. Dadurch entstehen ihm zwar Extrakosten, aber immerhin bekommt er einen Großteil seiner Ware. Die Lage sei dennoch kritisch, die Engpässe teilweise ähnlich wie in der Corona-Zeit. Vor allem bei gut laufenden Produkten liefen die Regale nach drei Tagen komplett leer.
Von Hinweiszetteln in seinen Märkten hält er nichts. «Das sieht doch gruselig aus.» Mehr Waren bestellen und lagern kann er nicht. Seine Kapazitäten und Kühlflächen seien begrenzt, bei frischen Produkten ließen die Mindesthaltbarkeitsdaten es nicht zu. Deshalb ist er darauf angewiesen, dass neue Ware nachkommt. Eine Beilegung des Tarifstreits in diesem Jahr erwartet er nicht. «Wir werden noch eine Weile mit den Lücken leben müssen.»