Viele Ökonomen rechnen damit, dass die staatlichen Milliardeninvestitionen in Infrastruktur wie Straßen und Schienen sowie in Verteidigung 2026 das Wirtschaftswachstum ankurbeln werden. Das könnte nach Einschätzung von Creditreform den Anstieg der Insolvenzen zumindest bremsen.
«Bis die Infrastrukturbooster des Bundes angekommen sind, wird es aber dauern», prognostiziert Hantzsch. Zudem löse Geld strukturelle Probleme nicht: «Mit Geld kann man zwar Rechnungen bezahlen, aber damit wird man nicht automatisch rentabler.» Die Liste der Belastungen ist lang: hohe Energiepreise, viel Bürokratie, zurückhaltende Konsumenten, Handelsbarrieren.
Konsumflaute
Lebensmittel und Dienstleistungen sind teurer geworden, viele Menschen halten sich mit Anschaffungen, die nicht unbedingt notwendig sind, zurück. Im Einzelhandel gibt es so viele Insolvenzen, wie seit Jahren nicht. Betroffen unter anderem: der Schuhhändler Görtz, der Modehersteller Gerry Weber und der Herrenausstatter Wormland.
2.490 Insolvenzen im Einzelhandel zählte der Kreditversicherer Allianz Trade zwischen August 2024 und August 2025 - fast so viele wie vor neun Jahren, als mit 2.520 Fällen ein Negativrekord aufgestellt wurde.
Um der Konkurrenz durch Online-Marktplätze standzuhalten, müssten Einzelhändler stärker in digitale Kanäle und moderne Technik investieren, analysiert Allianz-Trade-Branchenexperte Guillaume Dejean: «Das ist ein Kampf, der teilweise an David gegen Goliath erinnert.»
Absatzkrise
Gleich ein ganzes Bündel an Problemen macht der Automobilbranche zu schaffen: US-Zölle, chinesische E-Auto-Konkurrenz, Absatzflaute. Binnen eines Jahres wurden in der deutschen Automobilbranche fast 50.000 Jobs gestrichen. Reihenweise rutschten Zulieferer in die Pleite.
Zollhürden
Allianz Trade erwartet im kommenden Jahr weltweit mehr Unternehmenspleiten - weil höhere US-Zölle mit voller Wucht auf exportorientierte Volkswirtschaften durchschlagen. Das Risiko von Dominoeffekten nehme zu. Für Deutschland rechnen die Analysten für 2026 mit einer leichten Zunahme auf 24.500 Fälle.
Reformstau - auch im eigenen Betrieb
Nicht jede Schieflage lässt sich mit ungünstigen Rahmenbedingungen erklären. «Zu schnell wird die Ursache der unternehmerischen Fehlentwicklung bei steigenden Zöllen oder hohen Energiekosten gesucht», kommentierte der Vorsitzende des Verbandes der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID), Christoph Niering, bereits im Sommer steigende Insolvenzzahlen. «Eine gefährliche Fehleinschätzung, da hierdurch Sanierungsmaßnahmen zu spät oder nicht umfassend genug angegangen werden.»
Zudem brauche wirtschaftlicher Wandel auch Scheitern, argumentiert der VID und zitiert als Kronzeugen den Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher: «Das Stigma des unternehmerischen Scheiterns trägt maßgeblich zur Innovationsfeindlichkeit bei, gerade in Deutschland. Es ist dringend notwendig, eine neue Gründerkultur zu etablieren, die Fehler zulässt, Risiken honoriert und Mut belohnt.»