"Wollte Polizisten töten": Nach schwerer Explosion in Ratingen - Höchststrafe

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Der Mordanschlag auf Einsatzkräfte in Ratingen bei Düsseldorf geschah aus Hass auf den Staat. Das hat das Düsseldorfer Landgericht bei der Urteilsverkündung festgestellt. Es verhängte eine lebenslange Haftstrafe.

Update vom 13.12.2023: Urteil zur Explosion in Ratingen gefallen - Lebenslang

Sie wollten helfen und wurden angegriffen: Für die Explosion in einem Hochhaus in Ratingen bei Düsseldorf, bei der neun Einsatzkräfte verletzt wurden, ist ein 57-Jähriger zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Düsseldorfer Landgericht sprach den Mann am Mittwoch wegen versuchten Mordes in fünf Fällen schuldig und stellte die besondere Schwere seiner Schuld fest. Als Motiv nannte das Gericht Hass auf den Staat.

"Der Angeklagte wollte Polizisten töten, weil sie den von ihm gehassten Staat repräsentieren", sagte der Vorsitzende Richter. Noch nach der Tat habe er den Spezialkräften der Polizei den Mittelfinger gezeigt "und damit zum Ausdruck gebracht, was er vom Staat und seinen Institutionen hält". Damit habe er zugleich seine grob menschenverachtende Einstellung offenbart. "Die Tat war perfide wie sinnlos."

Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst waren am 11. Mai zur Wohnung des Mannes im zehnten Stock eines Hochhauses gekommen, um einer hilflosen Person zu helfen, die in der Wohnung vermutet wurde. "Ohne ihren Einsatz würde unser Staat nicht funktionieren", sagte der Richter. Doch in der Wohnung lauerte der 57-Jährige hinter einer Barrikade aus Wasserkästen, schüttete mehrere Liter Benzin auf die Einsatzkräfte und zündete das Gas-Luft-Gemisch mit einem brennenden Textil. Es kam zu einer Explosion mit einer Hitze von mehreren 100 Grad. Ein Feuerball traf die Einsatzkräfte und setzte ihre Kleidung in Brand.

Acht der neun Verletzten werden bleibende Schäden behalten. Die meisten von ihnen waren am Mittwoch zur Urteilsverkündung gekommen. Die meisten werden wohl nicht in ihren Beruf zurückkehren können und unter den Folgen ihr Leben lang leiden, hatte eine Nebenklagevertreterin gesagt. Der Angeklagte, Frank P., hatte während des gesamten Prozesses kein Wort gesagt. Das Urteil nahm er regungslos auf. Die Feststellung der besondere Schwere der Schuld lässt eine Haftentlassung nach 15 Jahren rechtlich zwar zu, in der Praxis ist dies aber so gut wie ausgeschlossen. "Es wäre nicht vertretbar, ihn nach 15 Jahren in die Freiheit zu entlassen", sagte Richter Rainer Drees.

Ein Psychiater hatte berichtet, dass der Mann während der Corona-Pandemie einen Hang zu Verschwörungstheorien entwickelt habe. Die Covid-Impfung habe er als "Impfstoff des Teufels" und staatliche Institutionen wie das Arbeitsamt als "Werkzeuge des Teufels" bezeichnet. Zudem habe er behauptet, die Medikamente seiner Mutter seien vergiftet. Der Mann lebte wochenlang mit der Leiche seiner Mutter in der Wohnung. Den Einsatzkräften war starker Verwesungsgeruch entgegen geströmt. Weil die Bewohner der Wohnung wochenlang nicht gesehen wurden und ihr Briefkasten überquoll, hatte die Hausverwaltung die Polizei informiert.

Verteidiger Frank Schubert hatte zuvor eine Verurteilung wegen schwerer Körperverletzung gefordert. Sein Mandant sei erst zur Tat geschritten, als eine Waffe auf ihn gerichtet worden sei. Außerdem habe er nicht damit rechnen können, dass der Feuerball auch aus der Wohnung heraus um die Ecke läuft und dort weitere Menschen verletzt. Sein Mandant habe die Förderschule besucht und einen Hauptschulabschluss nach der neunten Klasse erworben, bevor er als Maler und Lackierer gearbeitet habe. Während der Corona-Pandemie habe er sich in die Isolation begeben, eingeigelt und Vorräte angelegt. "Er hat sich von der Gesellschaft abgegrenzt und abgeschottet", sagte er.

Mit seinem Nachbarn habe er sich über Jahrzehnte gut verstanden, doch im Jahr 2022 sei etwas passiert, es habe plötzlich Stress gegeben. Weil er auf seinen Nachbarn eingeprügelt hatte, war ein Strafbefehl gegen Frank P. verhängt worden. Auch sein Fahrverhalten sei nicht mehr nachvollziehbar gewesen, er sei neun Mal an einem Tag an der immer selben Stelle in eine Radarfalle gefahren, berichtete der Verteidiger.

Am 11. Mai hatten sich in der Hochhaussiedlung grausame Szenen abgespielt: Mehrere Rettungskräfte waren brennend zehn Stockwerke durch das Treppenhaus nach unten gerannt, um sich in Sicherheit zu bringen. Sie hätten sich nichts vorzuwerfen, sondern hätten sich vorbildlich verhalten und gegenseitig geholfen, betonte der Richter. Der vorbildlich koordinierten Rettungsaktion sei es zu verdanken, dass alle noch leben.

Acht Rettungshubschrauber waren im Anflug und 650 Kräfte im Großeinsatz, brachten die Verletzten in Spezialkliniken. Eine 25 Jahre alte Polizistin erlitt die schwersten Verbrennungen von mehr als 60 Prozent ihrer Haut. Sie lag zwei Monate im Koma und insgesamt fünf Monate im Krankenhaus. Sie habe elf Operationen hinter sich und noch mehrere vor sich, hatte die schwer gezeichnete Frau berichtet.

Ein Nebenklagevertreter sagte, das Urteil sei eine Genugtuung für die Opfer. Es werde dem Sachverhalt gerecht. Seine Mandantin, eine Notfallsanitäterin, werde den Menschen weiterhin helfen.

Update vom 24.11.2023, 15.45 Uhr: Prozessauftakt zur Explosion in Ratingen - bewegende Zeugenaussagen zum Auftakt

"Da ist einer drin. Da ist einer drin", schreit die junge Polizistin. Im Düsseldorfer Landgericht werden am Freitag (24. November 2023) Aufnahmen der Bodycams der Beamten vorgespielt . Sie zeigen das Geschehen vom 11. Mai im zehnten Stock eines Hochhauses in Ratingen bei Düsseldorf hautnah. "Der will sich anzünden", ruft ihr Kollege. Dann kommt ein Schwall Flüssigkeit über einen Stapel Getränkekisten auf die Beamten geflogen und Sekunden-Bruchteile später gibt es einen gewaltigen Feuerball.

Polizisten von Feuerball überrascht - Angeklagter schweigt zu Vorwürfen

Der 57-jährige Ratinger Frank P. wollte keinen Selbstmord begehen, er wollte die Polizisten anzünden, sagt Staatsanwältin Laura Neumann. Sie wirft ihm beim Prozessbeginn am Freitag versuchten Mord in neun Fällen vor. Er habe versucht, neun Menschen heimtückisch, grausam und mit gemeingefährlichen Mitteln zu töten. Ein 30-jähriger Polizist berichtet, wie der Einsatz abgelaufen ist. Er sei der erste gewesen, der die Wohnung damals betreten habe. Die Hausverwaltung habe sie gerufen. Die beiden Bewohner der Wohnung würden vermisst, der Briefkasten quelle über, das Auto der Mieter sei entsiegelt.

Auf das Klopfen und Klingeln hin habe niemand geöffnet. Sie hätten noch einen Blick vom Nachbarbalkon in die Wohnung werfen wollen, aber das habe der Nachbar aus Angst vor Frank P. verweigert: "Der ist irre", habe er gesagt. Dann habe die Feuerwehr die Wohnungstür geöffnet und starker Verwesungsgeruch sei ihnen entgegengeströmt. Es sei kein Geräusch zu hören gewesen. "Ich dachte, da ist niemand drin", berichtet der Beamte.

Die Eingangstür sei blockiert und verbarrikadiert gewesen, sie hätten erst eine Kette bilden und Getränkekästen nach draußen schaffen müssen, um sich einen Weg zu bahnen. Dann habe er ein Geräusch gehört und den Angeklagten mit einem Stück brennenden Textil in der Hand gesehen. "Dann fängt man an, alles anders zu bewerten. Vorher habe ich an einen erweiterten Suizid gedacht." Er habe seine Waffe gezogen und den Mann in der Wohnung aufgefordert, seine Hände zu zeigen. Doch der habe nicht reagiert. "Ich habe geschrien 'Der will sich anzünden', aber dann kam auch schon der Hitzeschlag."

Neun Einsatzkräfte teils lebensgefährlich verletzt - Bewegende Aussagen vor Gericht

Seine Kollegin habe vollständig in Flammen gestanden. Er habe sie nach unten begleitet. Sein Funkgerät sei kaputt gewesen. Über sein Privathandy habe er in der Leitstelle Alarm ausgelöst. Dann habe er bemerkt, dass er seine Dienstwaffe verloren hatte und ein SEK angefordert. "Mir tat alles weh, irgendwann übermannt einen der Schmerz. Ich habe angefangen, mich auszuziehen und auf Verstärkung gewartet. Eine Notärztin kam auf mich zu. Ich habe pechschwarzen Ruß gehustet. Dann war es lange dunkel." Nach zwei bis drei Wochen sei er wieder zu sich gekommen. Nicht nur die Schmerzen der Brandwunden seien schlimm gewesen. "An den Anblick muss man sich gewöhnen."

Nicht nur die beiden Polizisten, auch vier Feuerwehrleute, zwei Rettungssanitäter und ein Notarzt wurden zum Teil lebensgefährlich verletzt. Der Angeklagte erscheint in grauem Pullover und grauer Hose mit wild wucherndem Haar- und Bartwuchs im Gerichtssaal. Er wirkt selbstbewusst und verbirgt sein Gesicht nicht. Als die Richter eintreten, bleibt er sitzen. Er beobachtet aufmerksam die Verhandlung, hin und wieder flüstert er mit seinem Anwalt. Zeichen von Reue oder Bedauern sind bei ihm nicht zu entdecken. Als der Vorsitzende Richter ihn anspricht, reagiert er nicht. Auch zu den Tatvorwürfen schweigt er.

Der Ratinger Feuerwehr-Chef René Schubert berichtet, wie die Alarmstufen damals erhöht wurden. Acht Rettungshubschrauber seien schließlich im Anflug gewesen, um die Verletzten möglichst schnell in Kliniken zu bringen. Jemand sei auf ihn zugekommen und habe gesagt: "Im Rettungswagen liegt eine Polizistin, die stirbt gerade." Ausführlich berichten medizinische Sachverständige dem Gericht am Freitag von den fürchterlichen Brandwunden und den psychischen Folgen der zum Teil berufsunfähigen Opfer, von "flächigen Verlusten der oberen Hautschichten im gesamten Gesichtsbereich".

Mehrere Liter Benzin auf Retter geschüttet - 35 Verletzte mit teils bleibenden Schäden

Der Angeklagte soll mehrere Liter Benzin auf Polizisten, Feuerwehrleute und Rettungsdienstmitarbeiter geschüttet und dann angezündet haben. Das Gas-Luft-Gemisch explodierte und ein Feuerball verletzte die Einsatzkräfte. Mehrere kämpften wochenlang um ihr Leben. Am schwersten wurde die junge Polizistin verletzt, sie lag monatelang im künstlichen Koma. In der Wohnung waren Spezialkräfte der Polizei später auf die skelettierte Leiche der Mutter des 57-Jährigen gestoßen. Sie war bereits mehrere Wochen zuvor gestorben, ergaben die Untersuchungen.

Die Polizei hatte nach der Explosion 35 Verletzte gezählt, die meisten waren mit Verdacht auf Rauchvergiftung behandelt worden. Acht der neun Opfer würden absehbar bleibende Schäden zurückbehalten, hatte die Staatsanwaltschaft mitgeteilt. Das Gericht hat bis zum 11. Januar kommenden Jahres neun Verhandlungstage für den Strafprozess angesetzt.

Update vom 24.11.2023, 10 Uhr: Heute ist Prozessauftakt in neunfach versuchtem Mord

Die verheerende Explosion in einem Ratinger Hochhaus beschäftigt von Freitag (24. November 2023) ab 10 Uhr das Düsseldorfer Landgericht. Auf der Anklagebank muss sich ein 57 Jahre alter Deutscher verantworten. Er soll am 11. Mai mehrere Liter Benzin auf Polizisten, Feuerwehrleute und Rettungsdienstmitarbeiter geschüttet und dann entzündet haben. Das Gas-Luft-Gemisch explodierte und ein Feuerball verletzte die Einsatzkräfte. Mehrere von ihnen kämpften wochenlang um ihr Leben. Eine Polizistin blieb monatelang im künstlichen Koma.

Dem Angeklagten wird versuchter Mord in neun Fällen vorgeworfen. Acht der neun Opfer würden absehbar bleibende Schäden zurückbehalten, heißt es in der Anklageschrift. Die Polizei hatte nach der Explosion 35 Verletzte gezählt, die meisten waren mit Verdacht auf Rauchvergiftung behandelt worden.

Die Explosion löste einen stundenlangen Großeinsatz mit 650 Kräften aus, an dessen Ende Spezialeinheiten der Polizei den 57-Jährigen überwältigen konnten. Dabei stießen sie in der Wohnung auf eine im Rollstuhl sitzende teilweise skelettierte Leiche.

Straftat mit verheerenden Folgen - 35 Menschen nach herbeigeführter Explosion verletzt

Wie sich herausstellte, waren es die Überreste der Mutter des verwahrlost wirkenden Ratingers, mit der dieser wochenlang in der Wohnung ausgeharrt hatte. Er sitzt seither in Untersuchungshaft und schweigt seit gut einem halben Jahr zu den Vorwürfen.

Die Polizei war wegen eines überquellenden Briefkastens und Verwesungsgeruchs zu seiner Wohnung gerufen worden. Unklar ist das Tatmotiv des Mannes. Der 57-Jährige soll zu Verschwörungstheorien neigen und große Vorräte in seiner Wohnung angelegt haben.

Wenige Tage vor der Tat hatte ein Polizist mit einem Haftbefehl bei ihm geklingelt, weil gegen den Mann zwei Strafbefehle wegen Körperverletzungen verhängt worden waren. Unter anderem soll er einen Nachbarn geschlagen haben. Weil er seine Geldstrafe nicht bezahlt hatte, sollte er ins Gefängnis.

Weiterer Toter gefunden - starb er an Unterversorgung?

In einer anderen Wohnung des Hochhauses war nach der Räumung ein 73 Jahre alter Bewohner tot entdeckt worden. Der schwer pflegebedürftige Mann könnte ums Leben gekommen sein, weil er wegen der Evakuierung zu lange unversorgt geblieben war.

Ob sein Tod tatsächlich durch den Einsatz bedingt war und auch dem 57 Jahre alten Ratinger anzulasten ist, wird in einem getrennten Verfahren ermittelt. Das Landgericht hat bis 11. Januar kommenden Jahres neun Verhandlungstage für den Strafprozess angesetzt.

Update vom 16.05.2023, 10 Uhr: Handschriftlich beschriebene Zettel in Ratingen gefunden

Nach der Explosion in einem Hochhaus in Ratingen bei Düsseldorf werden nach wie vor sieben Schwerverletzte auf Intensivstationen behandelt. "Zwei von ihnen befinden sich weiterhin in Lebensgefahr, eine verletzte Person konnte inzwischen auf die Normalstation verlegt werden", sagte Kriminaldirektorin Heike Schultz, die die Ermittlungen leitet und koordiniert, am Montag der Deutschen Presse-Agentur.

Unterdessen wurden Zettel gefunden, die Einblick in die Gedankenwelt des mutmaßlichen Täters geben. Ein 57-jähriger Ratinger soll die Explosion ausgelöst haben, als Polizei und Feuerwehr seine Wohnungstür öffneten. Die Einsatzkräfte vermuteten in der Wohnung eine hilflose Person. Weil der Briefkasten überquoll, hatte die Vermieterin die Behörden informiert.

Gegen den 57-Jährigen war am Freitag Haftbefehl wegen versuchten Mordes in neun Fällen erlassen worden. In seiner Wohnung seien handschriftlich verfasste Zettel gefunden worden, die nahelegen, dass der Mann Verschwörungstheorien anhing, berichtete Schultz: "Da ist bei der Covid-19-Impfung von einer 'Impfung des Teufels' die Rede. Zudem hat er seine Abneigung gegen Kirche, Staat und Arbeitsamt zum Ausdruck gebracht." Einen Abschieds- oder Bekennerbrief habe man aber nicht in der Wohnung gefunden.

Tatverdächtiger war wohl "Prepper": Polizei findet entsprechende Hinweise nach Explosion

Die Ermittler hoffen, durch die Auswertung von Festplatten und Mobiltelefonen des Verdächtigen weiteren Einblick zu bekommen. "Die Geräte wurden allerdings durch Hitze und Löschwasser in Mitleidenschaft gezogen", sagte Schultz. In der Wohnung seien die Ermittler auf ungewöhnlich große Vorräte an Wasser, Kerzen, Nudeln und Toilettenpapier gestoßen, wie sie von Preppern angelegt werden. Als Prepper, abgeleitet vom englischen "prepare" (vorbereiten), werden Menschen bezeichnet, die sich auf das Überleben im Katastrophenfall vorbereiten.

Mit einer Barrikade aus Getränkekästen hinter der Wohnungstür habe der Ratinger sich zudem auf Eindringlinge vorbereitet. Den Einsatzkräften habe er dann am Donnerstag Benzin entgegengeschüttet und entzündet, berichtete Schultz. Bei der späteren Durchsuchung fand die Polizei in seinem Keller Gas-Schreckschusswaffen, Messer und Dolche.

Wie bekannt wurde, hatte einige Tage zuvor ein Polizist an der Tür des 57-Jährigen geklingelt, weil gegen den Ratinger ein Haftbefehl vorlag: Er hatte eine Geldstrafe wegen einer Körperverletzung in Höhe von 30 Tagessätzen nicht gezahlt. Weil niemand öffnete, war der Beamte wieder gegangen.

Tote Frau befand sich wahrscheinlich schon wochenlang in Wohnung

In der Wohnung waren Einsatzkräfte am Donnerstag nach der Explosion auf eine Frauenleiche gestoßen. "Die Auffindesituation und anderes sprechen sehr dafür, dass es sich um die Mutter des Verdächtigen handelt", sagte Schultz. Dies werde aber noch abschließend geklärt. Die Frau war bereits mehrere Wochen tot, den Einsatzkräften war starker Verwesungsgeruch aufgefallen.

Der 57-Jährige schweigt zu dem Geschehen. Er war zuvor bereits wegen drei Körperverletzungen aufgefallen. Die SPD-Opposition im nordrhein-westfälischen Landtag beantragte am Montag in der Sache eine Sondersitzung des Innenausschusses. Diese soll am kommenden Montag stattfinden. "Es geht auch darum, wie wir unsere Sicherheitskräfte besser schützen können", kündigte deren innenpolitische Sprecherin Christina Kampmann an.

Update vom 12.05.2023, 19.20 Uhr: Verdächtiger nach Wohnungs-Sprengung in U-Haft

Nach der schweren Explosion in Ratingen bei Düsseldorf hat ein Richter den Verdächtigen wegen versuchten Mordes in neun Fällen in Untersuchungshaft geschickt. Das gaben Polizei und Staatsanwaltschaft am Freitag in Düsseldorf bekannt. Die Tat sei heimtückisch gewesen und mit gemeingefährlichen Mitteln verübt worden. Beides seien Mordmerkmale, sagte Staatsanwältin Laura Neumann.

Der 57 Jahre alte Verdächtige gehöre der Prepper-Szene an, sagte eine leitende Ermittlerin der Polizei. Er habe Vorräte etwa von Toilettenpapier angelegt. Als Prepper, abgeleitet vom englischen "prepare" (vorbereiten), werden Menschen bezeichnet, die sich auf das Überleben im Katastrophenfall vorbereiten. Weiter sagte die Ermittlerin: "Wir haben Hinweise darauf, dass er auch ein Corona-Leugner ist" Ob es einen Zusammenhang zur Tat gebe, sei nicht geklärt.

Der Mann habe sich in der Wohnung verschanzt und die Tür verbarrikadiert. Sie gehe nicht von einer spontanen Tat aus, eher von mehreren Tagen Vorbereitung, so die Ermittlerin. Der Verdächtige habe den Einsatzkräften mit einem Gefäß Benzin entgegengeschleudert, als diese die Wohnung betreten wollten. Es werde noch untersucht, ob es sich um ein Gemisch mit weiteren Brandbeschleunigern gehandelt hat.

Zwei Polizisten sowie sieben Feuerwehrleute und Rettungsdienst-Mitarbeiter waren von einem Feuerball getroffen worden und hatten zum Teil schwerste Verbrennungen erlitten. Der Verdächtige selbst sei dabei entgegen früherer Angaben nicht schwer, sondern nur leicht verletzt worden. Ein Psychiater sei eingeschaltet, bislang stufe man den 57-Jährigen aber als schuldfähig ein. Er sei keiner Arbeit nachgegangen und habe in der Wohnung mit seiner rund 90 Jahre alten Mutter gelebt. Weil der Briefkasten nicht mehr geleert wurde und überquoll, hatte die Vermieterin die Polizei gebeten, nach dem Rechten zu sehen.

Wenige Tage zuvor habe ein Polizist mit einem Haftbefehl an der selben Wohnung geklingelt, berichteten die Ermittler: Bei dem 57-Jährigen handele es sich um einen Gewalttäter, der bereits wegen drei Körperverletzungen aufgefallen sei und gegen den deswegen zwei Strafbefehle verhängt worden waren. Weil er eine Geldstrafe nicht bezahlt hatte, sollte er eine Ersatz-Freiheitsstrafe antreten. Die Behörden räumten ein, dass die Einsatzkräfte, die nun wegen einer "hilflosen Person" zu der Wohnung gerufen worden waren, möglicherweise nicht von der Gewalttätigkeit des Bewohners wussten.

Im Zusammenhang mit dem Einsatz nach der Explosion habe es in dem Hochhaus möglicherweise ein Todesopfer gegeben. Ein älterer Mann, der in dem Haus gelebt habe, sei gestorben, bestätigte eine Polizeisprecherin. Nach Informationen des Spiegel hatte der Mann durch den mehrstündigen Einsatz in dem abgeriegelten Gebäude nicht medizinisch versorgt werden können. Ob der Tod tatsächlich durch den Einsatz bedingt war und dem 57-Jährigen auch juristisch anzulasten sei, werde noch geprüft, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft.

Fünf Einsatzkräfte von Feuerwehr und Rettungsdienst befanden sich am Freitag nach Angaben der Feuerwehr Ratingen im künstlichen Koma. Sie waren in Spezialkliniken für Brandverletzte nach Köln, Duisburg, Dortmund, Düsseldorf und Bochum gebracht worden. "Die Kollegen erlitten Verbrennungen von bis zu 40 Prozent der Körperoberfläche", teilte die Feuerwehr mit. Nach Angaben der Polizei von Donnerstagabend waren zudem eine 25-jährige Polizistin und ein 29 Jahre alter Polizist lebensgefährlich verletzt worden. 21 Spezialkräfte der Polizei waren vorsorglich wegen Verdacht auf Rauchvergiftung behandelt worden, entpuppten sich aber letztlich als nicht verletzt.

Der Beschuldigte habe zu den Vorwürfen geschwiegen und auf einen Anwalt verzichtet. Ihm sei dennoch ein Pflichtverteidiger zur Seite gestellt worden. Bei einer Durchsuchung fand die Polizei im Keller PTB-Waffen, Messer und Dolche. Nach der Explosion soll der Verdächtige die komplette Wohnung in Brand gesetzt haben. Er war schließlich von Spezialkräften überwältigt und festgenommen worden, als diese die Wohnung stürmten. In der Wohnung waren die Einsatzkräfte auf die Leiche einer Frau gestoßen. Dabei soll es sich um die Mutter des Verdächtigen handeln. Zweifelsfrei identifiziert war sie am Freitag aber noch nicht. Die Frau sei schon länger tot gewesen. Die Einsatzkräfte hätten einen deutlichen Verwesungsgeruch wahrgenommen.

Weil während der Explosion eine Dienstwaffe der Polizei verloren gegangen war, hatten die Einsatzkräfte nicht ausschließen können, dass der Gewalttäter in den Besitz dieser Waffe gekommen war. Auch deswegen seien während des Großeinsatzes Scharfschützen in Stellung gegangen. Die Waffe sei tatsächlich später in der Wohnung entdeckt worden. Hinweise, dass der Beschuldigte sie benutzt habe, gebe es aber nicht.

"Die furchtbare Tat gegen die Einsatzkräfte in Ratingen macht mich fassungslos und wütend", erklärte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Freitag. Es handele sich um eine kaum vorstellbare Tat mit unfassbarer Brutalität und einen hinterhältigen Angriff. Der Anstieg der Angriffe auf Polizei- und Rettungskräfte mache ihr große Sorgen.

Update vom 12.05.2023, 8 Uhr: Viele Fragen nach Explosion in Ratingen offen - Bangen um Opfer

Die verheerende Explosion in einem Ratinger Hochhaus lässt mehrere schwerst verletzte Einsatzkräfte zurück - und viele offene Fragen. Wie kam es zu der Detonation? Und wer ist die Frau, deren Leiche in der Wohnung des festgenommenen Deutschen lag?

Auch am Freitag suchen die Ermittler weiter nach Antworten darauf, wie es zu der Detonation in einer Wohnung kommen konnte - und ob die Einsatzkräfte womöglich von dem 57-jährigen Bewohner in einen Hinterhalt gelockt wurden.

Die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft ermittelt, ob es sich um versuchten Totschlag oder versuchten Mord handelt. Außerdem ist die Identität einer Frauenleiche zu klären, die nach der Festnahme des Deutschen in der Wohnung gefunden wurde, in der er mit seiner Mutter lebte. Die Frau war nach dpa-Informationen schon vor längerer Zeit gestorben.

Rätsel gibt zudem der Hintergrund des Mannes auf, der sich laut Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) "im Corona-Leugner-Umfeld gedanklich aufgehalten" habe. Dies hätten erste Recherchen in sozialen Medien ergeben. Neue Angaben zu dieser und anderen offenen Fragen machten die Polizei in der Nacht nicht.

Die Düsseldorfer Polizei hatte am Donnerstagabend eine drastische Schilderung des Geschehens wiedergegeben. Demnach waren die Einsatzkräfte in das Ratinger Wohngebiet mit vielen Hochhäusern gerufen worden, weil es Sorgen um eine Bewohnerin gab, deren Briefkasten überquelle. Als Polizei und Feuerwehr vor ihrer Wohnungstür im 10. Stock gestanden hätten, sei diese von ihrem 57-jährigen Sohn plötzlich aufgerissen worden, berichtete Polizeisprecher Raimund Dockter. "Es kam sofort zu einer Explosion, unmittelbar, also ein Feuerball kam auf die Kolleginnen und Kollegen der Feuerwehr und Polizei zu."

Dadurch seien eine 25-jährige Polizistin und ein 29-jähriger Polizist lebensgefährlich verletzt worden. "22 weitere trugen leichte Verletzungen davon", teilte die Polizei am späteren Abend mit. Außerdem seien sieben Einsatzkräfte der Feuerwehr schwer verletzt worden, drei davon lebensgefährlich.

Ratingens Bürgermeister: "Vulkanausbruch über eine ganze Familie niedergegangen"

Ratingens Bürgermeister Klaus Pesch äußerte sich entsetzt. "Diejenigen, die vorne im Feuer standen - das sind zehn bis zwölf Leute mit massivsten Verbrennungen - und die das hoffentlich überleben, werden das mit Sicherheit für den Rest ihres Lebens mit sich tragen", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Einige Opfer hätten schwerste Verbrennungen von bis zu 80 Prozent der Hautfläche. "Da ist wirklich Hoffen und Bangen."

In Ratingen im Kreis Mettmann seien viele Einsatzkräfte untereinander bekannt. "Dementsprechend ist die Wirkung", sagte Pesch. "Das ist, als wäre ein großer Vulkanausbruch über eine ganze Familie niedergegangen." Psychologen und Notfallseelsorger stünden für die Einsatzkräfte bereit.

Vorherige Berichterstattung vom 11.05.2023

Mehrere Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr sind in einem Ratinger Hochhaus von einer Explosion überrascht und teils schwer verletzt worden. Nach einem mehrstündigen Einsatz stürmten Spezialeinsatzkräfte der Polizei schließlich die betroffene Wohnung und nahmen den 57 Jahre alten Wohnungsinhaber fest, wie Polizeisprecher am Donnerstag (11. Mai 2023) berichteten. In seiner Wohnung fanden die Polizisten nach Angaben von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) eine Leiche.

Zur Identität konnte der Minister zunächst nichts sagen. Laut der Bild-Zeitung soll es sich aber um die Mutter des Festgenommenen handeln. Polizeiangaben zufolge wurde der Wohnungsinhaber mit "schwersten Verletzungen" in ein Krankenhaus gebracht. Laut einer Polizeisprecherin ließ sich zunächst nicht sagen, ob er durch die Explosion oder bei der Festnahme verletzt wurde.

Polizei zu "hilfloser Person" gerufen - dann kommt es zur Explosion

Gegen 11.15 Uhr am Donnerstag war es laut Polizei in einer Wohnung in dem Hochhaus in Ratingen bei Düsseldorf zu einer Explosion gekommen. Reul sagte, dabei seien zehn Feuerwehrleute und zwei Polizeibeamte verletzt worden - einige von ihnen sehr schwer. Ob es ein gezielter Angriff gewesen sei, könne er noch nicht sagen. Hintergründe und die Ursache der Explosion blieben zunächst unklar. Reul sagte, Recherchen in den sozialen Medien hätten ergeben, dass sich der Mann "im Corona-Leugner-Umfeld gedanklich aufgehalten" habe.

Laut Reul waren die Einsatzkräfte zu einer "hilflosen Person" in der zehnten Etage des Hauses gerufen worden. Die Polizei habe dann vor Ort die Feuerwehr hinzugezogen, um die Tür zu öffnen. In der Wohnung lebe eine Mutter mit ihrem Sohn. Im Zimmer sei Feuer gewesen. Der Sohn habe mit einem noch nicht näher identifizierten Gegenstand eine Explosion ausgelöst. Er habe den Einsatzkräften an der Tür irgendetwas entgegengehalten - daraufhin sei es zu der Verpuffung oder Detonation gekommen.

Die Lage blieb auch nach der Explosion über Stunden hinweg unklar, Spezialkräfte und Scharfschützen waren vor Ort. Immer wieder waren zahlreiche Knallgeräusche zu hören, wie ein dpa-Reporter am Donnerstagmittag berichtete. Der Einsatzort wurde weiträumig abgesperrt. Aus einer Wohnung im obersten Stockwerk des Hochhauses kam Rauch, wie der dpa-Reporter berichtete. Etwa vier Stunden nach der Detonation stürmten die Spezialkräfte dann schließlich die Wohnung.

Vorschaubild: © David Young (dpa)