Die Bundeswehr leidet unter Personalmangel. Kann die Wiedereinführung eines Pflichtdienstes da Abhilfe schaffen? Verteidigungsminister Pistorius kann sich das vorstellen.
SPD-Chefin Saskia Esken hat Überlegungen von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) zu einer Rückkehr zur Wehrpflicht zurückgewiesen. «Ich halte wenig von einer Wiedereinführung einer Pflicht, einer Verpflichtung von erwachsenen Menschen, schon mal grundsätzlich aus meinem Menschenbild heraus», sagte Esken in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. «Ich glaube, dass die Bundeswehr so als Berufsarmee jetzt auch gut aufgestellt ist und weiterentwickelt werden muss.»
Pistorius hatte in einem Interview der «Welt am Sonntag» gesagt, dass er angesichts des Personalmangels bei der Bundeswehr Modelle einer Dienstpflicht prüfe und dabei das schwedische Wehrpflichtmodell genannt. «Dort werden alle jungen Frauen und Männer gemustert, und nur ein ausgewählter Teil von ihnen leistet am Ende den Grundwehrdienst. Ob so etwas auch bei uns denkbar wäre, ist Teil dieser Überlegungen», sagte der SPD-Politiker. Er verwies aber darauf, dass es - egal für welches Modell - eine politische Mehrheit brauche.
Die ist derzeit aber nicht in Sicht. Die FDP hat die Überlegungen des Verteidigungsministers bereits zurückgewiesen. Fraktionschef Christian Dürr begründete das in einem «Funke»-Interview Anfang der Woche damit, dass ein solch «schwerer Eingriff in die Freiheit junger Menschen» deren berufliche Orientierung behindere. Der andere Ampel-Koalitionspartner, die Grünen, standen der Wehrpflicht schon lange vor deren Aussetzung vor zwölf Jahren ablehnend gegenüber.
Esken: Abschaffung der Wehrpflicht hatte «gute Gründe»
Nun stößt der SPD-Minister auch in seiner eigenen Partei auf Ablehnung. «Ich glaube, dass die Aussetzung und faktische Abschaffung der Wehrpflicht gute Gründe hatte», sagte Parteichefin Esken der dpa. Die Bundeswehr habe sich mittlerweile so entwickelt, dass sie gar nicht ad hoc in der Lage wäre, eine Wehrpflicht umzusetzen. «Denn diese Ausbildungseinheiten, die dazu notwendig sind, sind ja gar nicht mehr vorhanden.»
Esken betonte, dass die fehlende Wehrgerechtigkeit ein Grund für die Abschaffung der Wehrpflicht in Deutschland gewesen sei. Und die könne auch mit dem schwedischen Modell nicht hergestellt werden. Gemeint ist damit, dass bei der Bundeswehr zuletzt nur noch ein Teil eines Jahrgangs zum Dienst verpflichtet wurde.
CDU für «verpflichtendes Gesellschaftsjahr»
Für das schwedische Wehrpflichtmodell hat dagegen bereits die Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD) Sympathien geäußert. Eine andere Art der Dienstpflicht befürwortet die CDU im Entwurf für ihr Grundsatzprogramm. «Das Konzept eines verpflichtenden Gesellschaftsjahres soll auch den Streitkräften unseres Landes zugutekommen», heißt es darin. Junge Leute sollen nach diesem Konzept die Wahl zwischen einem Dienst etwa bei sozialen Einrichtungen oder bei der Bundeswehr haben.
Die Pflicht zum Wehrdienst war in Deutschland 2011 nach 55 Jahren ausgesetzt worden. Pistorius hatte das bereits kurz nach seinem Amtsantritt als Fehler bezeichnet. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte einer Debatte über eine Rückkehr zur Wehrpflicht dagegen im Februar eine Absage erteilt. «Die Bundeswehr wurde zu einer Berufsarmee umgebaut. Daher gibt die Rückkehr zur Wehrpflicht keinen Sinn», sagte er damals der «Bild»-Zeitung.