Die Haushaltspolitik des Bundes steht auf dem Prüfstand: Was geht noch, was geht nicht mehr nach dem Urteil aus Karlsruhe? In den Fokus der Debatte rückt die Schuldenbremse.
SPD-Parteichefin Saskia Esken plädiert nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts dafür, die Schuldenbremse für dieses und das kommende Jahr wegen einer Notlage nicht anzuwenden. «Da wir uns durch äußere Einflüsse in einer fortdauernden krisenhaften Situation befinden, plädiere ich auch weiterhin dafür, die Schuldenbremse für 2023 und 2024 auszusetzen», sagte Esken den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Eine Aussetzung würde vorübergehend wieder mehr Spielraum für staatliche Ausgaben schaffen, der durch das Karlsruher Urteil mit Blick auf sogenannte Schattenhaushalte in der Vergangenheit eingeschränkt wurde. Esken betonte, gleichzeitig würden die Aufgaben des Klimawandels, der Digitalisierung und des demografischen Wandels eine allgemeine Reform der Schuldenbremse «unausweichlich» machen.
Unterstützung vom DGB
Unterstützung bekam Esken vom Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und der Chefin der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer. «Kurzfristig muss die Bundesregierung die Schuldenbremse nochmals aussetzen. Dafür gibt es eine gute Begründung, denn die Auswirkungen der Energiekrise sind längst nicht ausgestanden», sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell der «Rheinischen Post». Das Karlsruher Urteil zeige, dass die Schuldenbremse unflexibler sei als gedacht - eine grundlegende Reform sei daher notwendig, Investitionen müssten künftig ausgenommen werden.
Schnitzer, Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, schloss sich in der Zeitung dieser Sichtweise an, betonte jedoch: «Es scheint allerdings wenig wahrscheinlich, dass man sich in dieser Legislaturperiode auf eine Reform der Schuldenbremse einigen können wird.» Vor allem die mitregierende FDP gilt als Verfechterin der Schuldenbremse in ihrer heutigen Form.
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai reagierte entsprechend ablehnend auf Eskens Vorstoß. Die Ausgabenwünsche der SPD seien «ganz sicher keine Notlage im Sinne des Grundgesetzes», teilte er mit.
«Klar ist, wir werden weder beim Klimaschutz und seiner sozialgerechten Ausgestaltung noch beim Sozialstaat Einsparungen zulassen», sagte Esken, die gemeinsam mit Lars Klingbeil auf dem Parteitag im Dezember für weitere zwei Jahre an der Spitze der Sozialdemokraten antreten will. Sie erneuerte außerdem die Forderung der SPD, über höhere Steuern für Spitzenverdiener für Mehreinnahmen zu sorgen.
Merz macht Scholz und Lindner verantwortlich
Das Bundesverfassungsgericht hatte am Mittwoch eine Umwidmung von Krediten von 60 Milliarden Euro im Haushalt 2021 für nichtig erklärt. Sie waren zur Bewältigung der Corona-Krise genehmigt worden, sollten aber für Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft eingesetzt werden. Offen ist, ob das Urteil darüber hinaus Folgen für den Umgang mit schuldenfinanzierten Sondervermögen in Bund und Ländern haben könnte.