Die Operette "Die Fledermaus" in Würzburg

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Wenn Rosalinde (souverän bis in die Fingerspitzen: Silke Evers) als geheimnisvoll maskierte ungarische Gräfin auf der Party des Prinzen Orlofsky aufkreuzt, ist auch das Würzburger Ballett voll im Einsatz. Foto: Falk von Traubenberg.
Wenn Rosalinde (souverän bis in die Fingerspitzen: Silke Evers) als geheimnisvoll maskierte ungarische Gräfin auf der Party des Prinzen Orlofsky aufkreuzt, ist auch das Würzburger Ballett voll im Einsatz. Foto: Falk von Traubenberg.

Die Operette "Die Fledermaus" von Johann Strauß begeistert im Mainfrankentheater. Georg Rooterings konventionelle, aber stimmige Inszenierung steht bis zum Saisonende immer wieder auf dem Spielplan.

Es gibt die Breitflügel- und Langflügelfledermaus, die Wasser- und Teichfledermaus, die Gespenst-, Vampir- und Hummelfledermaus - und "Die Fledermaus" von Johann Strauß. Letztere ist ab sofort in Würzburg zu erleben, in einer Version, wie sie schon seit der Uraufführung 1874 weit verbreitet ist: in plüschigem Gewand, aber mit so viel Schwung und Witz, dass man einschlägige Tollwutwarnungen ernst nehmen sollte. Achtung, hohe Ansteckungsgefahr!

Wenn Seine Majestät, Roi Champagner regiert, werden bekanntlich bürgerliche Rollen- und sonstige Zwänge gleich reihenweise pulverisiert. Sogar dort, wo das Wort Esprit nicht muttersprachlich verstanden wird. Zum Beispiel in einem Badeort nahe Wien, der logischerweise von den gleichen Skandälchen heimgesucht wird wie Würzburg. Bausünden und Umbauprobleme gibt es schließlich überall.


Shit happens auch in Würzburg


Regisseur Georg Rootering, am Mainfrankentheater ein guter alter Bekannter, nutzt also einerseits die Chance, mit ein paar Sängerdarstellern, die halbwegs des Weanerischen mächtig sind, die Strauß'sche Operettenseligkeit auch idiomatisch aufleuchten zu lassen. Andererseits hat er die Sprechtexte ausgiebig überarbeitet, um nicht nur aktuelle Würzburger Lokalpossen einzubauen, sondern - Shit happens! - zudem zeitgemäße Floskeln.
Ausgerechnet Rosalinde, in der hier vorgeführten Fin-de-Siècle-Gesellschaft (Bühne: Bernd Franke, Kostüme: Götz Lanzelot Fischer) zweifellos eine Dame, führt derlei Ausdrücke im Mund. Aber sie geniert sich ja auch nicht, ständig Aufputsch- und Beruhigungspillen einzuwerfen und in der Eingangsszene im Negligé aufzutreten. Was ein schönes Pendant ist zum großbürgerlichen Schlafrock ihres Gatten Gabriel von Eisenstein.


Eine schmierenkomödiantische Intrige


Die Handlung, in der dieser adelige Privatier bzw. Nichtstuer es noch einmal richtig krachen lässt, bevor er seine Haftstrafe wegen Beamtenbeleidigung antreten soll, wird dezidiert als das gezeigt, was sie ist: eine sorgfältig eingefädelte Intrige seines alten Kumpans Notar Falke, der sich dafür revanchieren will, dass Eisenstein ihn nach einem Maskenball zum Gespött der Stadt machte.

Die Inszenierung präsentiert die Rache der Fledermaus, als sei sie von Emanuel Striese einstudiert. Kammerzofe Adele darf outrieren, was das Zeug hält, auch die anderen Mitwisser streifen zuweilen die Schmiere. Macht aber nichts, denn mit Uwe Schenker-Primus steht ein idealer Strippenzieher auf der Bühne. Schon äußerlich ist er die Fledermaus mit der größten Spannweite, hat alle Fäden in der Hand und die Csárdás-, Galopp-, Polka- und Walzerrhythmen so sehr im Blut, dass er selbst dann herumwippt, wenn es verräterisch sein könnte.


Anleihen beim Stummfilm und britischer Comedy


Daniel Fiolkas Eisenstein macht ebenfalls eine gute Figur und sucht die Verwandtschaft zum Stummfilmstar George Valentin alias Jean Dujardin in "The Artist". Die wieder ins Ensemble zurückgekehrte Silke Evers ist eine Rosalinde, der man das halbherzige Treffen mit dem Ex-Lover ebenso abnimmt wie die gepfefferten Auftritte der vermeintlichen ungarischen Gräfin. Mit Ausnahme von ein, zwei Spitzentönen war sie bei der Premiere am Samstag stimmlich in Topform. Bei ihr versteht man fast jedes gesungene Wort, eine Rarität bei Frauenstimmen.
Anja Gutgesells intonationssichere und spielfreudige Adele sowie Barbara Schöllers alerter Prinz Orlofsky können da nicht ganz mithalten. Joshua Whiteners Alfred ist, vom Gesang abgesehen, eine komische Kunstfigur, Johan F. Kirstens Gefängnisdirektor Frank orientiert sich körpersprachlich am britischen Butler James, dem unvermeidlichen Silvesterspaß.


Unwiderstehliche Klänge aus dem Orchestergraben


Überhaupt fällt auf, dass Choreograf Ivan Alboresi bestimmt nicht nur mit den hauptamtlichen Ballettratten gearbeitet hat, sondern auch mit dem einzigen gebürtigen Österreicher in dieser Crew: Der Schauspieler Christian Higer gibt einen sliwowitzgebeutelten Frosch vom Feinsten. Die weiteren Solisten und Choristen tun ebenfalls ihr Bestes, damit auch die Leute im Auditorium hin und wieder abheben. Wobei einschränkend bemerkt sein muss, dass Seidentücher-Hasch-mich-Spiele im enthemmten 2. Akt szenisch doch etwas dürftig sind. Es hätte auf der Bühne durchaus toller zugehen können!

Im Graben hingegen herrschte von Beginn an und bis zum bejubelten Schluss Champagnerlaune. Unter Andrea Sanguineti spielte das Orchester auf, als wäre da ein Pulk von nachtaktiven Säugetieren, die eben nicht nur Nektar trinken. Selbst die konzertanten Einlagen wirkten so bezwingend frisch und unwiderstehlich, dass sich die Theaterübereinkunft, dass das Publikum still dazusitzen hat, zumindest partiell in Luft auflöste. Denn so manches Fußpaar wippte selbstvergessen mit, von den rhythmisch trommelnden Fingern ganz zu schweigen!

Die Webseite des Theater Würzburgs