Die CDU will in Hessen nach zehn Jahren Schwarz-Grün ihren Regierungspartner wechseln. Das neue Duo muss aber zunächst einen Koalitionsvertrag aushandeln.
Hessen steht vor einem Regierungswechsel. Deutschlands erstes schwarz-grün regiertes Flächenland soll ein schwarz-rotes Kabinett bekommen. Fast fünf Wochen nach der Landtagswahl hat sich die klare Siegerin CDU entschieden, mit der SPD Koalitionsverhandlungen zu beginnen.
Am Abend beschlossen dann auch Parteirat und Landesvorstand der SPD in Kassel einstimmig die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der CDU, wie ein SPD-Sprecher mitteilte. Die Verhandlungen sollen laut CDU am Dienstag beginnen.
Bislang regiert die CDU in Hessen seit rund einem Jahrzehnt mit den Grünen zusammen, meist recht geräuschlos. Die SPD drückt dagegen schon seit etwa einem Vierteljahrhundert die Oppositionsbank. Mit Faeser, hatte sie bei der Wahl im Oktober im Vergleich zur Abstimmung vor fünf Jahren deutlich an Zustimmung verloren.
Nun bekommt die Sozialdemokratie Auftrieb. Rhein sagte: «Wir wollen als CDU den Versuch unternehmen, in Hessen eine Regierung mit der SPD, mit den Sozialdemokraten, zu bilden und zum ersten Mal seit 70 Jahren in einer christlich-sozialen Koalition zusammenarbeiten.» Man wolle mit der SPD ein Programm schreiben, das Vernunft und Fortschritt miteinander verbinde. «Ein Programm für Vernunft im Umgang mit der Migration. Besonnen, nie mit Schaum vorm Mund.»
«Aber am Ende hat es nicht gereicht»
Die Entscheidung für die SPD begründete er mit größeren Schnittmengen. Rhein verwies auf die aktuell vielen Krisen. «Heute stehen Themen im Fokus, wo wir eine Koalition aus der Mitte heraus bilden müssen.» Die Grünen seien in den Sondierungen weit auf die CDU zugegangen. «Aber am Ende hat es nicht gereicht», erklärte Rhein. Und gab dann ein ungewöhnliches Bekenntnis ab: Die Absage an die Grünen sei eine «emotional wirklich schwierige Entscheidung» gewesen.
Für die Grünen ist die Entscheidung bitter. «Nicht nachvollziehbar», schrieb Parteichef Omid Nouripour, selbst mit Frankfurter Wahlkreis und stolzer Eintracht-Fan, auf X (vormals Twitter). Die Beteiligung an Landesregierungen in Schleswig-Holstein oder Nordrhein-Westfalen ist für die die Grünen stets ein Beleg ihrer politischen Verlässlichkeit und Koalitionsfähigkeit - auch mit der CDU. Das erklärt die Unruhe, die der baden-württembergische Finanzminister Danyal Bayaz - selbst in einer Regierung mit der CDU - erkennen ließ: «Wir Grüne müssen uns schon auch selbstkritisch fragen, warum uns einstige Koalitionspartner nicht mehr als moderne Kraft der Veränderung, sondern offenbar mehr als eine Art Belastung in schwierigen Zeiten wahrnehmen», schrieb er auf X.
GroKo nun wieder eine Option in Berlin?
Könnte die hessische Annäherung von CDU und SPD damit auch auf eine veränderte Stimmung in der Bundespolitik hindeuten? In Berlin galt eine Neuauflage der GroKo rund um die vergangene Bundestagswahl quasi als größtmögliches Übel. Doch inzwischen sind die Karten neu gemischt - und die Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP mussten erkennen, wie schwierig das Regieren in einer Dreierkoalition so unterschiedlicher Partner ist. Faeser beschwichtigte allerdings direkt, man dürfte die Entwicklung in Hessen nicht überinterpretieren. «Es ist ein Angebot, Koalitionsverhandlungen zu führen in einem Bundesland. Und das sagt auch alles darüber aus, was ich an Wertigkeit für andere Dinge dazu zu sagen habe.»
Die Entscheidung der hessischen CDU ist nach Worten des CDU-Bundesvorsitzenden Friedrich Merz keine Vorentscheidung für Koalitionen auf Bundesebene. «Die Entscheidung der hessischen CDU, jetzt die Koalitionsverhandlungen mit der SPD und nicht mit den Grünen zu führen, ist zunächst einmal eine Entscheidung der hessischen CDU - aufgrund der hessischen Herausforderungen, die für eine künftige Landesregierung dort bestehen», sagte Merz im «Interview der Woche» des Deutschlandfunks, das am Sonntag ausgestrahlt wird.