Bomben unter Bayern

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Ein Luftbild vom zerstörten Würzburg: Die Aufnahme stammt von Ende April 1945. Foto: Luftbilddatenbank Dr. Carls GmbH
Ein Luftbild vom zerstörten Würzburg: Die Aufnahme stammt von Ende April 1945. Foto: Luftbilddatenbank Dr. Carls GmbH

Fast 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges liegen im Freistaat immer noch mehrere Tausend Tonnen Bomben versteckt unter Äckern und in Städten.

Die Alten nannten das Feld die Bombenlöcher. Der Acker liegt hinter einem Supermarkt in Oerlenbach im Landkreis Bad Kissingen und viele Ältere beschlich die Ahnung, da könnte was sein: Sprengbomben und Blindgänger aus einem Krieg, der seit fast 70 Jahren vorbei ist. Die Bomben sind geblieben. 21 Blindgänger spürte der Kampfmittelräumdienst in Oerlenbach auf. Mehrere Tausend Tonnen Explosives könnten noch in Bayern liegen. Schätzungen gehen von einer fünfstelligen Zahl Fliegerbomben aus.

Nach denen fahnden zwölf Mitarbeiter der Luftbilddatenbank im unterfränkischen Estenfeld. Wolfgang Müller, einer der Geschäftsführer, sagt: "In dem Moment, wenn gebaut wird, wird auch gefunden." Immer noch.

Viele Bilder - viele Angriffe


Auf Feldern, in Städten, unter Häusern. Müller und seine Mitarbeiter werten Luftbilder aus.
Sie greifen auf vier Millionen Aufnahmen zu, vergleichen Bilder mit Akten. Aus Aufklärungsflügen, Ladelisten und Kontrollflügen entsteht die Gefahrenbewertung. Die Grundregel ist einfach: "Viele Bilder heißt viele Angriffe", sagt Müller. Zum Beispiel München: Etwa hundert Angriffe flogen die Alliierten dort bis 1945, davon existieren zwischen 8000 und 10 000 Bilder.

Je schneller die Alliierten kontrollierten, was sie getroffen hatten, desto besser ist das heute für die Luftbildauswertung: Die alten Luftbilder sind digitalisiert, verortet und in moderne Karten gerechnet. Dort, wo sich Luftbilder überschneiden, werden die Aufnahmen übereinander gelegt, eine Art 3-D-Bild entsteht. "Stereoskopie", sagt Müller. Einschläge, Krater, Trichter werden deutlich.

Blindgängerrate bis zu 20 Prozent


Aber es gibt auch den anderen Fall: Zum Beispiel die Leuna-Werke in Sachsen. Ein Chemiestandort und so wichtig, dass die Schäden über Nacht repariert wurden. "Das Ereignis war nicht mehr zu sehen", sagt Müller. Die Luftbildauswerter behelfen sich, prüfen Randbereiche, Wiesen, Äcker, Felder. Weil Bomben selten zielgenau fallen. Sie schließen von Einschlägen in vorgelagerten Äckern auf die in Fabriken. "Kampfmittelbewertung ist wie ein Puzzlespiel", sagt Müller. Ein gefährliches Puzzlespiel.

Andreas Heil ist der Betriebsleiter des Kampfmittelräumdienstes Bayern. Seine Mitarbeiter kommen, wenn die Bomben gefunden sind. Das Sprengkommando entschärft oder sprengt sie. Heil sagt, im deutschen Boden könnten 90 000 Tonnen Blindgänger stecken. Könnten. Genau weiß das niemand.

Die Ladelisten der Bomber sind nicht hundertprozentig genau. Wer von einer Blindgängerrate von acht bis 20 Prozent ausgeht, kommt auf diese Zahl. Mehr als eine Million Tonnen Sprengbomben warfen die Alliierten über Deutschland ab. Bereits während des Krieges setzten die Deutschen Häftlinge aus Konzentrationslagern zur Räumung ein, seit 1945 entschärfen Kampfmittelräumdienste.

An dreas Heil sagt: "Sicher ist nur: Die Bomben, die noch im Boden liegen, reichen für die nächsten Generationen." Und er sagt: "Es gibt keinen Platz in Deutschland, der sicher ist." Der Krieg war überall. Kempten im Allgäu: Dort gab eine alte Frau so lange keine Ruhe, bis gesucht wurde. Und gefunden. Eine Sprengbombe. Ähnlich wie in Alzenau - dort 750 Meter von der nächsten Einschlagstelle entfernt. Weil Piloten ihre Bomben im Notfall einfach abwarfen.

Bomben sind geduldig


Andreas Heil sagt, er empfehle jedem Bauherren, sich zu informieren. Gab es Abwürfe? Vielleicht Gerüchte? Liegt das Grundstück beispielsweise auf einer gedachten Linie Ruhrgebiet, Frankfurt, Nürnberg, München? Dann haben es die Bomberströme überquert. "Bei einem durchschnittlich großen Baugrundstück kostet die Sondierung zwischen 500 und 1000 Euro. Aber taucht später ein Problem auf, wird es teurer", sagt Heil.

Bomben sind geduldig. Besonders die mit Langzeitzünder. Dort soll ein Lösungsmittel eine Plastikscheibe auflösen, die dann den Schlagbolzen freisetzt. "Wie weit der Prozess fortgeschritten ist, sieht man der Bombe von außen nicht an." Genau so eine Bombe sprengte der Kampfmittelräumdienst kürzlich in Schwabing.

Bombe bei Bauarbeiten entdeckt


Die Bombe war bei Bauarbeiten entdeckt worden. Bauherren sind nicht automatisch verpflichtet, nach Bomben zu suchen. Aber sie sind für die Sicherheit der Baustelle verantwortlich, müssen im Verdachtsfall tätig werden, sagt ein Sprecher des Innenministeriums. Suche und Freilegen zahlt der Bauherr. Was nach der Freilegung kommt, übernimmt der Freisaat. 2011 waren das 214 Spreng- und Splitterbomben.

Im Falle der Gemeinde Oerlenbach lag der Verdacht nahe. Der Acker, auf dem jetzt ein Gewerbegebiet entsteht, lag im Krieg unweit eines Tanklagers. Zwei Mal kamen die Bomber, warfen 1700 Bomben ab. Die Gemeinde ließ Luftbilder auswerten, den Acker sondieren. Heute sagt Bürgermeister Siegfried Erhard: "Das untersuchte Gebiet ist sicher."