Die Uraufführung von Konstantin Küsperts "rechtem denken" im Studio des E.T.A.-Hoffmann-Theaters fordert das Publikum körperlich wie geistig.
Das Flüchtlingsthema droht angesichts der medialen Reizüberflutung einem Gewöhnungseffekt anheimzufallen, Berichte über brennende Unterkünfte inklusive. Zugleich ist allenthalben die Rede von einer neuen deutschen Willkommenskultur. Ist das Deutschland der Gegenwart ein fremdenfreundlicher Hort der Glückseligkeit oder droht ein neuer brauner Sumpf? Derlei bipolar angelegte, mitunter vereinfachende Fragen verhandelt Konstantin Küsperts Stück "rechtes denken", uraufgeführt im E.T.A.-Hoffmann-Theater am Sonntagabend, die zweite Premiere der neuen Spielzeit nach Hebbels "Nibelungen" am Samstag.
Das Studio-Stück, das eigens für das Bamberger Haus als Werkauftrag an den Dramatiker Küspert vergeben worden war, erweist sich als komplexe Zusammensetzung dreier Handlungsebenen: Da ist zum einen die deutschtümelnde Burschenschaft, die kritisches Nachfragen zu Begriffen wie Heimat und Werte kategorisch sanktioniert; da ist zum
anderen die (immer noch) Kernfamilie aus Vater, Mutter und Kind, die dem Abdriften des Sohnes in die rechte Szene mit erstarrten Tischritualen begegnet; und da ist eine Pappmaschee-Landschaft im Miniaturformat, auf der sich ein Leviathan aus Legosteinen, angetrieben von einer besorgten Bürgermasse aus Mensch-ärgere-dich-nicht-Figuren, gegen Flüchtlinge, die "nicht unsere Sprache sprechen" und "mit echt richtig viel komischen Gewürzen" kochen, mit Gewalt zur Wehr setzt.
Publikum spielt mit
Die junge Regisseurin Julia Wissert, Jahrgang 1984, macht das Publikum zum Teil der Inszenierung: Auf Bierbänken ist Platz zu nehmen, das Geschehen ist auf den daneben und davor angesiedelten, zweckmäßig gestalteten drei Bühnen (Kostüme und Bühne: För Künkel) mit zunehmend steifer Haltung zu verfolgen, bierseliges Liedgut ("Wir lagen vor Madagaskar", "Schwarzbraun ist die
Haselnuss") ist zu intonieren. Zum körperlichen Anspruch an die Zuschauer - dieser ist sinnvoll, ist doch letztlich jeder vermeintlich unbescholtene Bürger von den verhandelten Themen betroffen - kommt der geistige: Thomas Hobbes' Staatstheorie "Leviathan", Multikulti, freilich gescheitert, "bürgerlicher Widerstand" à la Pegida, NSU, Hannah Arendt und "Das radikal Böse". Küspert hat "rechtes denken" dicht komponiert. Das fordert Aufmerksamkeit ob der von ihm anzitierten philosophischen, politischen und historischen Exkurse; Wisserts Regiearbeit hat mit einer an Dynamik gewinnenden Inszenierung diese Vorgabe umgesetzt. Die Textvorlage wird mit sich in Nuancen steigernden Regieeinfällen dargeboten, eine sinnfällig eingesetzte Kamera mit Realprojektion an die Studio-Wand inklusive.
Bei "rechtes denken" steht das Stück im Vordergrund: Die Schauspieler (Anna Döing, Stefan Hartmann, Marie Nest, Daniel Seniuk) agieren die ihnen zugeteilten Rollen kraftvoll aus, ohne dass damit Personalität verbunden wäre. Das Szenen-Stück gleicht mitunter einer Performance.
Am Ende bleibt "rechtes denken" eine Antwort auf die angerissenen Aspekte schuldig. Vielmehr entlässt das Stück das aufgewühlt klatschende Bamberger Publikum mit einer Frage: Wie viel rechtes Denken steckt in jedem Einzelnen von uns?
Weitere Vorstellungenam 20., 22., 25., 27., 29. 10., 4., 8., 11., 13. 11..
Karten Tel. 0951/873030, E-Mail kasse@theater.bamberg.de