Der Bamberger Künstler Karlheinz Beer arbeitet sehr erfolgreich als Ausstatter für diverse Theater.
Eigentlich versteht er sich als Maler, "die Kunst ist das Wichtigere". Doch ist die Tätigkeit als Bühnen- und Kostümbildner, als Ausstatter, etwa keine Kunst? Zumal sich die Genres so schlüssig wohl nicht scheiden. Im grafischen Gewerbe nannte man den in Druck und Satz gleichermaßen bewanderten Fachmann Schweizerdegen, eine Waffe, die sowohl zum Hauen wie zum Stechen tauglich war.
Solche martialischen Symbole oder Metaphern liegen Karlheinz Beer nicht. Überhaupt ist er ein eher stiller, schweigsamer Mann, der allerdings lebendig wird, ja aufblüht, wenn es um seine Kunst geht. Die der 1953 in Amberg geborene Beer seit etwa Mitte der 80er Jahre freiberuflich praktiziert. Das Bühnenbild für den "Ring des Liebesjungen", eine unschwer zu erkennende Wagner-Parodie der Studiobühne Bayreuth, war der Auftakt für eine mittlerweile lange Karriere mit mehr als 100 Ausstellungen vom Polnischen Nationalmuseum in Breslau bis zum Virginia Center for the Creative Arts in den USA, von diversen deutschen Galerien und Museen zu schweigen. Und die vom seit 1997 in Bamberg lebenden Künstler als eher sekundär eingeschätzte Bühnenbildnerei blüht und gedeiht: vier bis fünf Inszenierungen im Jahr, einige der jüngeren Arbeiten sind Schuberts "Winterreise" in Coburg in der Regie Bodo Busses, dortselbst die "Grönholm-Methode"im Großen Haus, der "Tristan" fürs Niederbayerische Landestheater mit den Spielorten Passau und Landshut, die "Aida" ebendort und in Straubing; Andrew Lloyd Webbers "Jesus Christ Superstar" ebenfalls fürs Niederbayerische Landestheater (Premiere im November) ist zurzeit in der Modellphase.
Es ist ein Beispiel, wie der Ausstatter nach der Konzeptionsprobe arbeitet, dem Startschuss fürs ganze Team, dem Austausch mit dem Regisseur über dessen Konzept. Eher karg wird die Bühne sein, wie die Landschaft in Palästina eben ist, inspiriert von Pier Paolo Pasolinis Jesus-Film. Hinter dem Naturboden mit Steinen, rotbraun-erdfarben gehalten wie in der Wüste, erheben sich sieben Stufen als Pilatus' Gerichtshaus mit goldfarbenem Hintergrund, der wiederum inspiriert wurde von Ikonen oder gotischer Malerei. Wegen der besseren Sicht fürs Publikum wird der Bühnenboden leicht ansteigen. Kreuze aus Licht und aus Materie gehören zum Entwurf.
Dechiffrieren erwünscht
Man sieht: Die Bühnenbildnerei heischt viel Vorarbeit von ersten Zeichnungen, einem Modell (etwa 1:50), einer Fotomappe bis zu Handlungsanweisungen für die Werkstätten und die Beleuchter, die Entscheidendes für Atmosphäre und Stimmung eines Theaterstücks leisten. Ob es nicht sein kann, dass der Zuschauer überfordert ist mit den Interpretations-Fähigkeiten, die Regie und Ausstatter ihm zumuten? Manche Inszenierungen müsse man mehrfach sehen, meint Beer, der auch gerne mit Projektionen arbeitet, eher abstrahierend auch wie im Coburger "Peer Gynt", wo ein riesiger Totenkopf in einem leuchtenden Ring schwebte.
Ein Stichwort: der "Ring" Frank Castorfs in Bayreuth? Für Beer eine "aufgesetzte Trash-Ästhetik", die er nicht goutieren kann und mag. Dennoch steht er durchaus fürs Regisseurstheater, für Modernisierungen, "wenn die Originalgeschichte erzählt und nicht auf den Kopf gestellt" werde. Die "Aida" ist für ihn so ein Exempel: "Eine Situation mit Kampf und Gefangenschaft, die direkt auf heute verweist." Der Bühnenbildner oder je nach Wunsch auch Ausstatter sucht "ästhetische Lösungen" wie in seinen Bildern, die er, eher widerstrebend, unter dem Siegel "poetische Abstraktion" charakterisiert, "abstrakt wie Musik". Die er naturgemäß liebt, insbesondere das Musiktheater. Da kommt es ihm naturgemäß zupass, dass Gattin Monika wohl eine der besten Kennerinnen von Leben und Werk Richard Wagners in ganz Nordbayern ist - inklusive Bayreuth.
Hoffmannesk verwunschen
Aus dem Künstlerdomizil in der Bamberger Wunderburg, mittendrin und doch irgendwie hoffmannesk verwunschen, strahlt es also mannigfaltig in alle Richtungen. Vormals auch ganz nah ins E.T.A.-Hoffmann-Theater. Unvergessen Beers Bühnenbild für das gehobene Boulevardstück "Halpern & Johnson" von Lionel Goldstein, als er den Park vor dem Studio als Hintergrund in die Szenerie einbezog. Eine Idee, die man erst einmal haben muss. Was eine banale Feststellung ist, aber an den künstlerischen Urgrund rührt: Ohne ästhetische Begabung geht eben nichts. Auch banal, aber der Künstler definiert die Fähigkeiten genau, die einem seiner Profession eigen sein müssen. Die räumliche, gestalterische, farbliche Fantasie, das Verständnis der Werke mit je eigenen und immer wieder vollkommen unterschiedlichen Interpretationen, Kenntnis von Literatur-, Musik- und Kunstgeschichte. Einem großen Quantum sozialer Kompetenz auch, denn es gilt sich mit der Regie produktiv auseinanderzusetzen, die Techniker zu motivieren, nicht zuletzt mit einem meist knappen und immer knapperen Budget für den Ausstatter zurechtzukommen.
Da arbeitet es sich in der Malerei pressionsfreier. Er verwendet auffällig oft Orange, Rosa, Rot, Farben des Südens, "im Gefühlsmäßigen steht Karlheinz Beer die Klarheit eines mediterranen Geistes zur Verfügung", schrieb der Ästhetikprofessor Eugen Gomringer über ihn. Was für einen Oberpfälzer doch eine eher ungewöhnliche Zuschreibung ist.
TermineDie Grönholm-Methode ist am Landestheater Coburg im Großen Haus 13./21./30. Oktober sowie 16. und 22. November zu sehen.
Der
Tristan wird am 14., 21. und 25. Mai 2017 in Landshut gegeben.
Jesus Christ Superstar wird am 5. November in Passau, 18. November in Landshut und am 22. November zu sehen sein.