"Anleger sollten jetzt Ruhe bewahren"

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Merten Larisch Foto: privat
Merten Larisch Foto: privat
 

In der Corona-Krise wittert mancher Sparer seine Chance. Merten Larisch von der Verbraucherzentrale Bayern warnt vor Hektik. Wichtiger sei es, eine Strategie zu haben.

Eine Krise, wie derzeit durch das Coronavirus begründet, weckt nicht nur Ängste, sondern stellt auch Finanzfragen in den Mittelpunkt. Eine wesentliche lautet: Ist mein Geld noch richtig angelegt? Oder muss ich jetzt dringend handeln? Wir haben mit Merten Larisch, Teamleiter für Geldanlageberatung und Altersvorsorge bei der Verbraucherzentrale Bayern, darüber gesprochen.

Herr Larisch, ist bei der Geldanlage derzeit infolge Corona irgendetwas anders als sonst?

Merten Larisch: Es hat sich nichts geändert, wenn man vor der Auswahl von Geldanlageprodukten steht. Allerdings sollten diejenigen, die in Aktien investiert haben, jetzt auf jeden Fall Ruhe bewahren und nicht panisch verkaufen.

Bieten sich denn nicht coronabedingt Chancen für die Geldanlage?

Die derzeitige Krise ist trotz der Kursrückgänge langfristig gesehen keine besondere Chance. Man sollte nicht, entgegen seiner bisherigen Anlagestrategie, übereilt oder mit mehr Geld in den Aktienmarkt einsteigen. Es gibt auch keinen Grund, Änderungen vorzunehmen, die man nicht anderweitig bedingt hätte vornehmen müssen, etwa wenn ein Anlageprodukt hohe Kosten verursacht oder ein Managementrisiko beinhaltet.

Also alles nur keine Hektik.

Jeder Anleger sollte grundsätzlich irgendwann eine Strategie erarbeitet haben. Und die gibt genau vor, wie viel Anteil in Prozent er langfristig in den Aktienmarkt reinpacken soll oder darf, und wie viel andererseits in den Geldwerteteil angelegt wird, also niedrig verzinst. Davon sollte man nicht abweichen. Allenfalls ist jetzt das Portfolio zu rebalancieren, also nach einem Plan, nach einer Regel sind jetzt Aktienanteile nachzukaufen, um wieder auf die ursprünglich prozentuale Gewichtung zu kommen.

Von was hängt denn strategisch der Kauf von Aktien ab?

Die Frage nach dem "wie viel Aktien" ist entscheidend. Das ist abhängig von zwei Überlegungen, die das Anlegerprofil bestimmen: Die erste ist das Liquiditätserfordernis zu einem späteren Zeitpunkt, die zweite die psychologische Robustheit, dass man auch gewillt ist und es hinbekommt, sich an die gesetzten Regeln zu halten. Das alles natürlich langfristig gesehen. In erster Linie gilt natürlich, dass man eine Liquiditätsreserve aufzubauen hat und auch über mittelfristige Rücklagen verfügen muss, und das darf keinesfalls im Aktienmarkt passieren.

Stichwort: Menge der Aktien. Sollte jeder in Deutschland grundsätzlich einige Aktien besitzen?

Wenn das Anlegerprofil es hergibt, sollte durchaus jeder Anleger in der Produktivwirtschaft mit investiert sein. Langfristig hat die Wirtschaft immer die höchsten Renditen herausgebracht, trotz zeitweilig wahnsinniger Schwankungen. In Gesamtheit gesehen hat der Aktienmarkt, nicht einzelne Titel, auch Megakrisen, Währungsreformen oder Staatsbankrotte überlebt. Wirtschaft, und damit Aktionäre waren langfristig immer die Gewinner. Mit verzinsten Anlagen oder Anleihen gab es immer Großschäden in Hyperinflationsphasen oder Währungscrashs. Dort kann man nur in bestimmten Phasen eine bessere Rendite bekommen als die Inflationsrate.

Sie nannten Anleihen. Kann ich mir damit überhaupt einen Wertzuwachs erwarten, oder ist das nur eine Sicherheitskomponente?

Die Anleihen gelten im klassischen Sinne der Vermögensverwaltung als sichere Anlageklasse. Aber die Welt der Anleihen ist komplizierter als der Aktienmarkt, weil es da bestimmte Emittentengruppen gibt. Die bieten quasi einen Kreditvertrag in Wertpapierform und versprechen einen Zinssatz sowie zu einem bestimmten Datum die Rückzahlung des Kredites. Daher die Begriffe Anleihe, Schuldverschreibung oder Renten. Es gibt sichere Emittenten wie die Bundesrepublik Deutschland oder die Niederlande, aber auch das Gegenteil wie überschuldete Staaten oder kleine Firmen. Und dann kommt noch die Währung hinzu, in der die Anlage herausgegeben wird. Jetzt in sichere Anleihen zu investieren, ist nicht glücklich, weil die Kupons sehr niedrig sind. Und wenn es zu einem Zinsanstieg am Markt kommt, purzeln die Kurse von Anleihen noch dazu. Kurz gesagt: Die Sicherheitskomponente Anleihen hat derzeit eine unnötig niedrige Rendite.

Also besser einlagegesicherte Sparguthaben zur Sicherheit. Da haben einige Anbieter gerade die Zinsen leicht angehoben. Wie kommt denn das?

Eine Bank, die über ihre Zinspolitik für Anlageprodukte nachdenkt, lässt sich von verschiedenen Dingen leiten. Manche möchten den Fuß in der Tür haben und sich Marktanteile sichern. Aber in der jetzigen Phase der Corona-Krise möchten einige Banken Gelder einsammeln, weil sie einer Liquiditätsklemme entgegenlenken wollen. Sie locken durch erhöhte Zinssätze.

Verlockend in der Geldanlage war zu allen Zeiten auch Gold.

Edelmetalle gehören im Großen und Ganzen zu dem Bereich der Rohstoffe. Edelmetalle sind ein sehr spekulativer Markt, wo durch die Historie sich zeigt, dass einzig und allein dem Gold Wertsteigerungseigenschaften zugesprochen werden, weil Gold weniger in der Industrie nachgefragt wird, sondern als Werterhaltungsmittel und in der Schmuckbranche. Wenn man echte Wertentwicklungskurven sich anschaut, dann wird man sehen, dass man bei Gold gegenüber der Inflation nicht großartig Steigerungen in einem Währungsgebiet merkt. Seit Ende der Währungsdeckung durch den US-Dollar zeigt die Kurve mit einigen Ausschlägen nach unten oder oben, dass nicht mehr als die Inflation mit Gold abgedeckt ist. Das schafft man aber auch temporär mit einlagesicheren Anlageprodukten.

Also lieber ein Festgeld über fünf Jahre zu einem Prozent Zinsen als in Gold einsteigen?

Ja, unbedingt. Gold ist ein reines Spekulationsobjekt, das extremsten Schwankungen unterliegt. Festgeld dagegen nicht.

Man sollte demnach gerade jetzt kein Gold kaufen?

Es bleibt eine Spekulation. Langfristig kann man mit Gold wahrscheinlich die Inflation ausgleichen. Aber man muss die starken Schwankungen psychologisch aushalten. Der Goldpreis ist derzeit relativ hoch, also ein Einsteigen auf den ersten Blick nicht angesagt. Also sollte man höchstens fünf bis zehn Prozent investieren für den Fall, dass wir uns noch wildere Zeiten vorstellen als jetzt, also dass es kein anderes Zahlungsmittel mehr gibt.

Zurück zum Aktienmarkt mit den langfristig besten Renditemöglichkeiten. Wie sieht derzeit die richtige Aktienstrategie aus?

Da niemand genau hinter die Kulissen einer Aktiengesellschaft schauen kann, verbietet sich es auch jetzt, Einzelaktien zu kaufen. Selbst wenn ein Unternehmen ein super Geschäftsmodell hat und die Aktie günstig zu haben ist. Im Dax gibt es gerade Musterbeispiele zu besichtigen, wo sich gutgläubige Anleger derzeit die Augen reiben, weil plötzlich unerwartete Probleme bei den Konzernen auftreten. Man sollte also auch immer in den gesamten Aktienmarkt investieren.

Das geht am besten wie?

Mit einem Aktien-ETF auf einen Weltindex wie den MSCI Word.

Es gibt aber auch ETFs auf Schwellenländer, Technologie- oder Pharmabranchen? Sind die momentan nicht eventuell lukrativer?

Das Kerninvestment sollte sich auf den Gesamtmarkt, also einen Weltfonds ausrichten. Ob man dann noch kleine Nebenstrategien fährt, muss jeder für sich selbst nach Risikoausrichtung entscheiden. Das kann einem kein Berater oder Experte beantworten. Mein Rat: Spezialideen höchstens zu zehn Prozent des Portfolios beimischen.

Abschließend eine spezielle Finanzfrage: Ist die Altersvorsorge durch Corona in Gefahr?

Altersvorsorge heißt als Gegenmeinung zur Vertriebsindustrie, die angebliche Altersvorsorgeprodukte vermittelt, für mich effiziente Geldanlage. Auch vom Staat wird Altersvorsorge leider immer mit Versicherungen in Verbindung gebracht, darunter die Riesterrente. Auch das sind Geldanlagen, wenn auch in spezieller steuerrechtlicher Produktverpackung. Aber außer ETF-Policen mit niedrigen Kosten sind sonstige Rentenversicherungen grundsätzlich nicht geeignet für die Altersvorsorge. Dort wie auch bei Pensionskassen finden wir gefährdete Produkte durch die Corona-Krise, aber natürlich auch durch den starken Rückgang des Zinsniveaus.