"Noch eine Weile durchhalten": Merkel appelliert an Bürger - und verteidigt Impfstrategie

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ARD-Sondersendung "Farbe bekennen" mit Bundeskanzlerin Merkel
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht in der ARD-Sendung "Farbe bekennen" mit Tina Hassel (l), Studioleiterin und Chefredakteurin Fernsehen im ARD-Hauptstadtstudio, und Rainald ...
ARD-Sondersendung "Farbe bekennen" mit Bundeskanzlerin Merkel
Jesco Denzel (Bundesregierung)/dpa

Das Erste strahlte am Dienstag um 20.15 Uhr eine Sondersendung zur Corona-Krise aus. Diese wurde kurzfristig anberaumt. Kanzlerin Merkel stellte sich einigen Fragen zur aktuellen Lockdown-Situation in Deutschland und der Impfstrategie für die kommenden Wochen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stellte sich am Dienstag (2. Februar 2021) im Fernsehen einigen Fragen zur aktuellen Corona-Situation. Wie "Das Erste" kurzfristig angekündigt hatte, gab es nach der Tagesschau eine 15-minütige Sondersendung mit der Kanzlerin. 

In der Sondersendung "Farbe bekennen" zur absoluten Primetime stellten Tina Hassel, die Studioleiterin und Chefredakteurin Fernsehen im ARD-Hauptstadtstudio, und ARD-Chefredakteur Rainald Becker der Kanzlerin Fragen, die derzeit einigen Menschen auf der Seele brennen. Unter anderem ging es darum, wie die Regierung die Plansicherheit in Bezug auf die Corona-Impfungen ermöglichen will.

Wie geht es in der Corona-Krise weiter? - Fragen an die Kanzlerin

Außerdem wollten die Journalisten von Angela Merkel wissen, wie die Kanzlerin die Bevölkerung weiterhin für die anhaltenden Maßnahmen und Einschränkungen motivieren will. Trotz sinkender Corona-Infektionszahlen macht Angela Merkel den Bürgern dabei keine Hoffnung auf eine schnelle Lockerung der Beschränkungen. "Die Werte gehen erfreulicherweise runter und das ist die Leistung der Bürgerinnen und Bürger. Dafür möchte ich auch Danke sagen", so Merkel.

Sie bitte aber dennoch alle Menschen, "noch eine Weile durchzuhalten", sagte Merkel in der ARD-Sendung. Zwar gebe es jetzt bundesweit eine Inzidenz von unter 100 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen. "Das ist eine gute Leistung, da waren wir lange nicht. Aber damit haben wir noch nicht wieder die Kontrolle über das Virus durch die Gesundheitsämter."

Daran müsse weiter gearbeitet werden, betonte Merkel. Lockerungen werde es aber nicht erst geben, wenn alle Bürger geimpft seien. "Das ist nicht der Weg, den wir anstreben." Die Kanzlerin rief die Menschen dazu auf, mit der Einstellung an das Problem heranzugehen, man könne das Virus besiegen, indem man ihm nicht die Bedingungen gebe, um Menschen zu infizieren. Das bedeute, Abstand zu halten und wirklich vorsichtig zu sein. "Wenn wir das noch eine Weile durchhalten, dann wird es besser werden."

"Wir können keinen starren Impfplan machen": Merkel verteidigt Strategie des Bundes

Zugleich hat Merkel für Verständnis für den Ablauf der Corona-Impfungen in Deutschland geworben. "Wir können keinen starren Impfplan machen", sagte sie im Interview. Die Hersteller hätten den Regierungschefs von Bund und Ländern bei dem Spitzengespräch zum Thema am Vortag erläutert, dass die Impfstoffe unter Hochdruck produziert würden und exakte Voraussagen über die genauen Mengen nicht lange im Voraus getroffen werden könnten. "Wir müssen das modellieren, wir müssen das dynamisch anpassen."

Bis zum Ende des Sommers solle jede und jeder ein Impfangebot erhalten, bekräftigte Merkel. Jeder solle dann zumindest die erste der zwei nötigen Impfungen bekommen können. Bisher sei im Großen und Ganzen nichts schief gelaufen bei der Impfkampagne.

Wenn weitere Impfstoffe zugelassen würden, könne sich dieses Datum nach vorne verschieben. Es gebe aber auch Risiken: Wenn eine Virus-Mutation ein Impfstoff unwirksam machen würde, "würde die Sache anders ausschauen", so Merkel.

Europa auf eigene Impfstoff-Produktion angewiesen

Merkel erläuterte, warum in den USA, Israel und Großbritannien die Impfstoffe schon bei größeren Anteilen der jeweiligen Bevölkerung angekommen seien. So habe es in Großbritannien für den Impfstoff von Astrazeneca eine Notzulassung gegeben. In Europa sei der Impfstoff mit der Gründlichkeit der normalen Zulassung geprüft worden. "Das war kein Fehler, wir sind auf das Vertrauen angewiesen." Amerika exportiere so gut wie keinen Impfstoff, sondern verwende das dort produzierte Serum nahezu komplett selbst. Deshalb seien die Europäer auf ihre eigene Produktion angewiesen. 

Die Hersteller hätten auch zur Frage Stellung bezogen, ob es mehr Impfstoffe geben würde, wenn mehr bezahlt worden wäre. "Die Antwort war Nein", stellte Merkel fest. Die EU habe zudem nicht die gesamte Haftung übernehmen wollen für den Fall, das etwas passiere mit so einem Impfstoff. 

Auch für die Anwendung des russischen Impfstoffes "Sputnik V" zeigte sich die Kanzlerin offen. Jeder Impfstoff sei in der EU willkommen, aber zugelassen werde er nur, wenn er der zuständigen EU-Behörde EMA die notwendigen Daten vorlege, so Merkel.

Merkel offen für russischen Impfstoff "Sputnik V"

Russland strebt eine Registrierung des Impfstoffs in der EU an. Merkel sagte, jeder, der sich mit den Daten um eine Zulassung bemühe, sei "herzlich willkommen". Merkel: "Ich habe mit dem russischen Präsidenten genau darüber gesprochen." 

Nach Kritik an fehlenden belastbaren Studien hatten russische Forscher weitere Details zu dem Corona-Impfstoff Sputnik V veröffentlicht. "Wir haben heute gute Daten gelesen auch von dem russischen Impfstoff", sagte Merkel. Nach den neuen Daten hat das Vakzin eine Wirksamkeit von 91,6 Prozent. Die Ergebnisse wurden am Dienstag im medizinischen Fachblatt "The Lancet" publiziert.