AfD-Vertreter haben sich im Gericht Getränke und Kekse auf den Tisch stellen lassen - auf eigene Rechnung. Sie haben es wohl nicht eilig. Für die Partei von Weidel und Chrupalla geht es um viel.
Die mit Spannung erwartete Entscheidung des nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgerichts zur Beobachtung der AfD durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) lässt auf sich warten. Am ersten Tag der mündlichen Verhandlung stellte die AfD grundsätzlich infrage, dass der Inlandsgeheimdienst für die Beurteilung der Partei überhaupt eine gesetzliche Grundlage hat. «Es geht hier nicht um irgendeinen Hasenzüchterverein», sondern um eine relativ erfolgreiche Partei, sagte ihr Anwalt, Christian Conrad, am Dienstag in der Verhandlung vor dem 5. Senat des Oberverwaltungsgerichts (OVG) in Münster.
Die Partei von Alice Weidel und Tino Chrupalla will in dem Verfahren erreichen, dass der Verfassungsschutz seine Einstufung der AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall zurücknimmt. Nach rund elf Stunden unterbrach der Vorsitzende Richter, Gerald Buck, die Verhandlung bis Mittwochmorgen.
Kaum Belege von Informanten des Verfassungsschutzes
Als die Frage nach möglichen V-Leuten - Vertrauenspersonen aus dem Umfeld der Partei - aufkommt, erklärt ein Vertreter des BfV am Abend, «dass nur zwei der einigen Tausend Belege», die dem Gericht dazu vorgelegt worden seien, «Äußerungen oder Verhaltensweisen von menschlichen Quellen des Verfassungsschutzes beinhalten». Das BfV habe zudem kritisch geprüft, ob während der Bearbeitung der AfD als Verdachtsfall und hinsichtlich ihrer Nachwuchsorganisation während der Bearbeitung der Jungen Alternative als Verdachtsfall und als erwiesen extremistische Bestrebung Mitglieder von Landes- oder Bundesvorständen als Vertrauenspersonen des Verfassungsschutzes eingesetzt wurden, von denen eine «steuernde Einflussnahme» hätte ausgehen können. Eine solche Einflussnahme sei im relevanten Zeitraum nicht gegeben gewesen.
Der Anwalt des Bundesamtes, Wolfgang Roth, führt in Münster aus, dass bei der Einstufung durch den Verfassungsschutz nicht nur strafrechtlich relevante Äußerungen berücksichtigt werden dürften. Der Maßstab sei vielmehr, ob sich diese gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richteten. Es gehe nicht um einzelne Entgleisungen einfacher Mitglieder, sondern um diffamierende, verunglimpfende Äußerungen von Funktionären oder Mandatsträgern.
Noch bevor das OVG in die inhaltliche Auseinandersetzung einsteigt, forderte der Anwalt der AfD eine Vertagung. Es sei nicht möglich gewesen, in der Kürze der Zeit auf die im Januar eingereichten rund 4200 Seiten Dokumente und 116 Stunden Videomaterial entsprechend einzugehen, sagt er. Er fordert unter anderem Einsicht in ein neues Gutachten des Bundesamtes zur AfD. Ein Vertreter des BfV betont vor Gericht, die neue Einschätzung der AfD durch die Behörde sei noch nicht final - «es gibt kein fertiges Gutachten».
Vorsitzender Richter wirft AfD Rechtsmissbrauch vor
Mit Vorbehalten gegen den Senat und der Benennung zahlreicher Zeugen aus dem Verfassungsschutz füllt die AfD zu Beginn der Verhandlung mehrere Stunden. Der Vorsitzende Richter wirft ihr Rechtsmissbrauch vor. Die Partei habe für ihre Vorbehalte gegen den Senat keine neuen Argumente aufgeführt, sagt er. Ihr Antrag gegen den gesamten Senat sei pauschal und offensichtlich grundlos gestellt worden. Die Klägerin sagt am Dienstagabend, sie habe rund 210 Beweisanträge vorbereitet.
Das OVG soll klären, ob ein Urteil aus der Vorinstanz am Verwaltungsgericht Köln Bestand hat. Das BfV mit Sitz in Köln hatte die Partei sowie die Junge Alternative (JA) als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft. Die Richter in Köln hatten diese Sicht im Jahr 2022 bestätigt. Entsprechend dürfen Partei und JA seitdem mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet werden.