Leichte Fälle ohne Arztbesuche
Auch Telemedizin soll ausgebaut werden, wie Lauterbach erläuterte. Wenn die Ärztin oder der Arzt telefonisch oder per Video einen Praxis- oder Klinikbesuch als nicht nötig erachten, dann soll so auch ein elektronisches Rezept oder eine elektronische Krankschreibung ausgestellt werden können. Der Behandlungsfall könne dann abgeschlossen werden, ohne dass Betroffene außer Haus gehen müssten, so Lauterbach.
Reformgesetz soll 2025 gelten
Auch die neuen Notfallzentren sollen sich mit den Terminservicestellen vernetzen. So soll es nach Angaben Lauterbachs möglich werden, dass man dort direkt Termine für eine Weiterbehandlung angeboten bekommt. Die Reform solle in der ersten Jahreshälfte im Bundeskabinett auf den Weg gebracht werden und ab Anfang 2025 gelten.
Ärzte fordern zusätzliches Personal
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) lobte «positive Ansätze» - aber Lauterbach verfolge auch unrealistische Ideen. Besonders stören sich Deutschlands Kassenärzte an dem Vorhaben, dass sie - wie von Lauterbach geplant - rund um die Uhr das Angebot von Hausbesuchen organisieren sollen. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Berlin, in deren Räumen Lauterbach seine Vorschläge vorstellte, bewertete die Pläne positiv. «Für mehr Leistungen sind mehr Ressourcen erforderlich», mahnte der KV-Vorsitzende Burkhard Ruppert allerdings. Zusätzliches Personal und ausreichende Finanzierung seien nötig.
Der während der Corona-Pandemie bekanntgewordene Intensivmediziner Christian Karagiannidis forderte Tempo bei der geplanten Reform. «Schaut man sich an, wer in die Notaufnahmen in Deutschland kommt, dann zeigt sich, dass dort extrem viele 80- bis 90-Jährige hinkommen», sagte Karagiannidis der «Ärzte Zeitung» (Dienstag, online). Häufig stehe bei ihnen mehr ein Versorgungsproblem im Vordergrund als eine schwere Erkrankung.
Kassen: 730 Notfallzentren nötig
Überwiegend positiv reagierten die Krankenkassen auf die Vorschläge. Stefanie Stoff-Ahnis, Vorständin des GKV-Spitzenverbandes, sagte: «Entscheidend ist eine bessere Verteilung in ländlichen Gebieten, damit für alle Menschen ein Integriertes Notfallzentrum in erreichbarer Nähe liegt», so die Kassenverbands-Vorständin.
«Gleichzeitig ist der Überversorgung in Ballungsräumen zu begegnen.» Einer Modellrechnung zufolge seien deutschlandweit künftig rund 730 integrierte Notfallzentren nötig. Laut offizieller Statistik behandelten 2022 mehr als 960 Kliniken fast 11 Millionen Notfälle ambulant auf Kassenkosten.
Lob und Kritik
Die AOK-Chefin Carola Reimann forderte, dass die Notfallzentren von niedergelassenen und Klinikärzten generell gemeinsam betrieben werden müssten, um «Verteilungskämpfe» zu verhindern. Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen sagte, heute gebe es «eine toxische Gleichzeitigkeit von Über-, Unter- und Fehlversorgung».
Durch die Pläne könnten auch Notfälle, «die die Strukturen eines Krankenhauses, nicht aber einen Aufenthalt in einem solchen brauchen, zukünftig besser versorgt werden». Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, kritisierte, Lauterbach setze auf funktionierende Patienten.
«Denn die Erkrankten müssen am Telefon die richtigen Angaben machen können, um eine bedarfsgerechte Behandlung zu erhalten.» Die Vorsitzende des Sozialverband Deutschland, Michaela Engelmeier, lobte hingegen die geplant «bessere Vernetzung» der beteiligten Bereiche der Notfallversorgung.