Während Kanzler Scholz den Zusammenhalt der Nato und der Europäer beschwört, wählt Selenskyj drastischere Worte. Für Putin hat er zwei Szenarien im Gepäck - nur eine davon würde dieser überleben.
Knapp zwei Jahre nach Kriegsbeginn hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Zusammenhalt der internationalen Gemeinschaft gegen Russland und mehr Waffen mit großen Reichweiten gefordert.
"Es gibt keine weitreichenden Waffen. Russland hat sie, wir haben sehr wenige davon. Das ist die ganze Wahrheit. Daher sind unsere Hauptwaffen gerade unsere Kämpfer", sagte er am Samstag in seiner Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz. "Waffenpakete, Flugabwehrpakete, das ist gerade das, was wir erwarten."
Selenskyj warnt: "Russland wird uns zerstören"
Selenskyj sprach unmittelbar nach Kanzler Olaf Scholz (SPD). Während dieser in seiner Rede um Zuversicht bemüht war und von einem "Silberstreifen" am Horizont sprach, warnte Selenskyj vor den Folgen des "künstlichen Waffendefizits" und der "Selbstschwächung".
"2024 erwartet eine Reaktion von uns allen", sagte Selenskyj laut offizieller Übersetzung. 724 Tage habe sich die Ukraine nun bereits gegen Russland gestellt. "Unser Widerstand hat die Zerstörung der regelbasierten Welt verhindert." Je länger der Krieg aber dauere, desto größer sei die Gefahr einer Ausweitung und einer weiteren Beschädigung der internationalen Ordnung. "Wenn wir jetzt nicht handeln, wird es Putin gelingen, die nächsten Jahre zur Katastrophe zu machen", sagte Selenskyj, der in seiner Rede auch vor Gefahren für andere europäische Länder warnte: "Wir müssen gemeinsam in einem Team agieren. Wenn die Ukraine alleine dasteht, dann werden Sie sehen, was passiert: Russland wird uns zerstören, das Baltikum zerstören, Polen zerstören - es ist dazu in der Lage."
Nach einem Treffen mit US-Vizepräsidentin Kamala Harris am Rande der Konferenz rief Selenskyj das US-Repräsentantenhaus eindringlich zur Freigabe der seit Wochen blockierten Militärhilfen für die Ukraine auf: "Wir zählen sehr auf die positive Entscheidung des Kongresses. Für uns ist dieses Paket lebenswichtig." Er denke aber nicht, "dass unser strategischer Partner es sich erlauben kann, die Ukraine nicht zu unterstützen". Für den russischen Präsidenten Wladimir Putin sieht Selenskyj nur zwei Auswege: Eine Anklage vor dem Internationalen Strafgerichtshof oder dessen Tod. "Putin ist ein Monster."
Scholz fordert Zusammenhalt der Nato und kontert Trump
Zuvor hatte Scholz in seiner Rede angesichts der russischen Bedrohung eindringlich davor gewarnt, den Willen zur gemeinsamen Verteidigung in der Nato aufzuweichen. "Lassen Sie mich auch klar sagen: Jegliche Relativierung der Beistandsgarantie der Nato nützt nur denen, die uns – so wie Putin – schwächen wollen", sagte er.
Scholz reagierte wohl auf Aussagen von Donald Trump. Der aussichtsreiche republikanische US-Präsidentschaftsbewerber hatte erklärt, dass er Nato-Partner mit geringen Verteidigungsausgaben im Fall eines russischen Angriffs nicht unterstützen werde. Selenskyj betonte seinerseits, er habe Trump bereits in die Ukraine eingeladen. An die Kritiker an den Verteidigungsausgaben in Deutschland gerichtet, erklärte Scholz: "Geld, das wir jetzt und in Zukunft für unsere Sicherheit ausgeben, fehlt uns an anderer Stelle. Das spüren wir. Ich sage aber auch: Ohne Sicherheit ist alles andere nichts."