Dürfen Frauen "oben ohne" ins Freibad? Diese Frage wurde in den vergangenen Wochen heiß diskutiert. Nun will München als erste Großstadt für eine kleine Revolution sorgen. Mit einem Antrag im Stadtrat wollen SPD und Grüne nun durchsetzen, dass künftig jeder Badegast in den Schwimmbädern der Stadt mit freiem Oberkörper schwimmen, plantschen und sich sonnen darf.

In dem Antrag, der vergangene Woche im Ratsinformationssystem der Stadt veröffentlicht wurde, heißt es, dass sie Stadtwerke als Betreiber der städtischen Schwimmbäder die Nutzungsbedingungen "auf Gleichstellungsaspekte" überprüfen sollen. Konkreter geht es um einen expliziten Absatz des aktuellen Freibad-Regelwerks, wo festgehalten ist, dass in den Schwimmbädern "Bekleidungspflicht" vorgeschrieben ist.

Wo Frauen bereits oberkörperfrei baden dürfen

An dieser Stelle soll jetzt ein Zusatz ergänzt werden, dass nur noch die "primären Geschlechtsorgane" verdeckt werden müssen. München wäre damit die erste deutsche Großstadt, in der auch Frauen oberkörperfrei im Schwimmbad sein dürften.

In Göttingen dürfen Frauen bereits seit dem 1. Mai ohne Bedeckung ihrer Brüste ins Freibad - allerdings nur an bestimmten Tagen. Wie die Deutsche Presse-Agentur berichtete, sei dies in einer aktuellen Testphase nur an Samstagen und Sonntagen erlaubt. Der Test sei zunächst bis Ende August vorgesehen. In Freiburg dürfen Frauen seit Mitte Juli in drei Schwimmbädern generell das Bikini-Oberteil weglassen.

Nachdem Göttingen den "Oben-ohne"-Test medienwirksam angekündigt hatte, entbrannte eine hitzige Debatte zu dem Thema. Selten waren Brustwarzen so kontrovers. Während sich die einen dafür starkmachen, weibliche Brüste und Nippel zu entsexualisieren, empfinden andere zu viel nackte Haut schamhaft. Das zeigte auch eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts "YouGov" von Mitte Juni 2022 im Auftrag der dpa sehr deutlich. 

Umfrage: Thema "Frauen 'oben ohne' im Schwimmbad" polarisiert

Demnach beurteilen es 37 Prozent der Erwachsenen in Deutschland positiv, wenn etwa im Freibad der Dresscode, dass Frauen obenrum was tragen müssen, aufgehoben wird. Im Osten (44 Prozent) sind es mehr als im Westen (35%). Negativ sehen es bundesweit 28 Prozent, 26 Prozent sind unentschieden ("teils/teils"), der Rest machte keine Angabe.

Beim Thema Nacktheit herrscht zudem eine gewisse Polarisierung in Deutschland vor. Auf die Frage "Wie gerne besuchen Sie FKK-Orte, also Orte, an denen sie nackt sein müssen, wie zum Beispiel Saunen, spezielle Thermen oder Strände?" antworteten lediglich 18 Prozent der 2042 Befragten mit "sehr gern" oder "eher gern". 

Auf die Frage "Würden Sie sich selbst in Bezug auf Nacktheit als schamhaft bezeichnen?" antworteten 57 Prozent der Frauen mit "Ja", während es nur 40 Prozent der Männer waren.

Was soll sich bei den Regeln zur Badekleidung ändern?

Dass München das Thema "Freiheit für den Busen" nun auch umsetzen wird, gilt als sehr wahrscheinlich. SPD und Grüne haben wohl bereits eine Mehrheit des Stadtrates hinter sich. Aktuell dürfen die Bademeister und Bademeisterinnen entscheiden, ob ihre Gäste beim "Aufenthalt im Nassbereich" auch "angemessene Badekleidung" tragen. 

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Clara Nitsche, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Münchner Stadtrat, will, dass dieser Passus im Regelwerk der Münchner Freibäder geändert wird. Die 25-Jährige ist der Meinung, dass nicht der Bademeister zu entscheiden hat, ob eine Frau das Bikini-Oberteil weglässt, sondern jede Frau für sich selbst. "Grundsätzlich sollte eine Frau die gleichen Rechte haben wie Männer", wird Nitsche von der Münchner "Abendzeitung" zitiert. Denn bei Männern werde auch nicht diskutiert, ob Brustwarzen zu sehen sein dürfen oder nicht.

"Bereits im Jahr 2019 hatten wir über das Baden mit freiem Oberkörper überall in der Stadt diskutiert, aber keine Stadtratsmehrheit erhalten", sagt die Nitsche im Interview mit der "SZ". Damals wurde eine Frau an der Isar zurechtgewiesen, weil sie sich mit freiem Oberkörper gesonnt hatte. Das Sicherheitspersonal hatte die Frau auch dazu aufgefordert, sich etwas anzuziehen. Dieser Fall wurde zu einem Politikum.

Ab wann sollen die neuen Regeln zur Gleichberechtigung gelten?

Auch Nitsches Kollegin, Lena Odell von der SPD, fordert jetzt, dass Frauen in Schwimmbäder all das oberkörperfrei machen dürfen, was Männer, nur in Badehose gekleidet, tun: Sonnen, schwimmen, am Kiosk Essen und Getränke holen. "In welcher Welt spricht etwas dagegen?", fragt sich Odell im Gespräch mit "RTL". 

"Wir hoffen, dass die neue oben-ohne-Regelung im Frühjahr 2023 schon umgesetzt wird", sagt Odell weiter. Die beiden Politikerinnen Odell und Nitsche würden sich freuen, wenn München es als erste deutsche Großstadt Frauen ermöglicht, sich oben ohne im Schwimmbad aufzuhalten.

"Es gibt politisch eine Mehrheit. Der Antrag hat gute Chancen und das freut uns sehr. Es könnte Klagen dagegen geben, die gibt es immer mal wieder – doch im Moment gehen wir nicht davon aus", erklärt die SPD-Politikerin.

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mit dpa