Trotz "Scharmützeln im Wahlkampf": CSU und Freie Wähler besiegeln Koalitionsvertrag

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Pressekonferenz nach CSU-Vorstands- und Landtagsfraktionssitzung
Klaus Holetschek (l, CSU), bayerischer Staatsminister für Gesundheit und Pflege, und Markus Söder, Parteichef der CSU, gehen nach der Sitzung von Vorstand und Landtagsfraktion der CSU zur ...
Pressekonferenz nach CSU-Vorstands- und Landtagsfraktionssitzung
Peter Kneffel/dpa

CSU und Freie Wähler haben ihre zweite Koalition besiegelt. Auch die künftige Ressortaufteilung ist nun klar.

Update vom 26.10.2023, 14.30 Uhr: Alle Unterschriften vorhanden - neuer Koalitionsvertrag besiegelt

Gut zweieinhalb Wochen nach der bayerischen Landtagswahl haben CSU und Freie Wähler die Neuauflage ihrer seit 2018 bestehenden Koalition besiegelt. Der CSU-Vorsitzende Markus Söder, Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger und die beiden Fraktionsvorsitzenden Klaus Holetschek und Florian Streibl setzten am Donnerstag in München ihre Unterschriften unter den neuen Koalitionsvertrag.

Die Diskussionen in den vergangenen beiden Wochen seien häufig nicht einfach gewesen, aber am Ende immer konstruktiv, sagte Söder. "Wir haben intern gut gearbeitet, wir haben auf einem hohen Niveau sachlich gearbeitet", betonte er. Es sei auch neues Vertrauen zueinander entstanden. Auch Aiwanger betonte: "Wir arbeiten konstruktiv Hand in Hand". Zuvor hatte es in der Regierungskoalition erheblich geknirscht. Aiwanger sprach von "Scharmützeln im Wahlkampf".

Damit steht der Wiederwahl von Markus Söder zum bayerischen Ministerpräsidenten nichts im Wege. Diese ist für kommenden Dienstag (31. Oktober) geplant, einen Tag nach der konstituierenden Sitzung des neuen Landtags. Söders Wiederwahl ist eine reine Formsache: CSU und Freie Wähler stellen zusammen 122 der 203 Landtagsabgeordneten. Die beiden Parteien hatten die neue Koalition binnen zwei Wochen ausgehandelt. Am Vormittag gaben die Parteigremien grünes Licht.

Die Unterzeichnung des neuen Koalitionsvertrags war der erste gemeinsame Auftritt von Söder und Aiwanger seit dem Beginn der Koalitionsverhandlungen. Dies war als Zeichen des angespannten Miteinanders zwischen den beiden Parteivorsitzenden gedeutet worden. Gleichwohl hatten beide Seiten vor und nach der Landtagswahl immer wieder betont, auch weiterhin zusammen regieren zu wollen.

Update vom 26.10.2023, 11.51 Uhr: Freie Wähler übernehmen Digitalministerium

Die Freien Wähler bekommen nach ihrem deutlichen Stimmenzuwachs bei der bayerischen Landtagswahl ein viertes Ministerium: Sie übernehmen das Digitalressort von der CSU, wie die Deutsche Presse-Agentur am Donnerstag (26. Oktober 2023) aus Koalitionskreisen erfuhr. Neuer Digitalminister wird demnach der bisherige parlamentarische Geschäftsführer der Freie-Wähler-Fraktion, Fabian Mehring. Im Gegenzug für das vierte Ministerium müssen die Freien Wähler aber einen von bisher zwei Staatssekretärs-Posten an die CSU abgeben.

Anna Stolz  wird nach Angaben ihres Parteichefs Hubert Aiwanger neue Kultusministerin in Bayern. Stolz, bisher Staatssekretärin im Kultusministerium, soll ihren Parteifreund Michael Piazolo an der Ressortspitze ablösen. Zu den Gründen für den Wechsel sagte Aiwanger auf Nachfrage nichts, diese seien vielfältig. "Da spielt vieles rein", sagte er.

Aiwanger selbst bleibt nach eigenen Worten Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident. Umweltminister bleibt Thorsten Glauber. Neuer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium wird laut Aiwanger der Oberpfälzer Tobias Gotthardt. Seinen Posten räumen muss also auch der bisherige Wirtschafts-Staatssekretär Roland Weigert - obwohl dieser bei der bayerischen Landtagswahl am 8. Oktober einen Stimmkreis direkt gewonnen hatte. Das Verhältnis zwischen Aiwanger und Weigert galt allerdings schon seit einiger Zeit als belastet.

Anna Stolz wird neue Kultusministerin - Piazolo muss gehen

Die weitere Ressortaufteilung bleibt demnach unverändert. Insbesondere bleibt das Agrarministerium, um das CSU und Freie Wähler seit längerem heftig gerungen hatten, weiterhin in der Hand der CSU. Die CSU stellt neben dem Ministerpräsidenten weiterhin den Staatskanzleichef und den Europaminister. Sie behält - neben dem Agrarministerium - zudem die Ressorts Inneres, Finanzen, Justiz, Verkehr/Bau, Gesundheit, Soziales und Wissenschaft/Kunst.

Abgeben müssen die Freien Wähler nach dpa-Informationen ihren Staatssekretärs-Posten im Kultusministerium. Die CSU bekommt dafür wieder einen eigenen Staatssekretär im Finanzministerium.

Bei den Ressortzuständigkeiten gibt es Verschiebungen: Die Zuständigkeiten für die Jagd und das Unternehmen "Bayerische Staatsforsten" wechseln vom Agrar- ins Wirtschaftsministerium. Dafür wechseln die Zuständigkeiten für Tourismus und Gastronomie von dort ins Agrarministerium. Dieses ist zudem künftig - statt dem Umweltministerium wie bisher - auch für Veterinärkontrollen in landwirtschaftlichen Betrieben zuständig. Die Staatskanzlei übernimmt das Thema Film und Filmförderung vom Digitalministerium.

Freie Wähler müssen Staatssekretärs-Posten abgeben

Die Freien Wähler unter Parteichef Hubert Aiwanger hatten bei der Landtagswahl am 8. Oktober um 4,2 Punkte auf 15,8 Prozent zugelegt. Sie sind damit nach der CSU nun zweitstärkste Kraft im neuen Landtag - und zwar mit 37 Abgeordneten, zehn mehr als bisher. Die CSU hatte leicht von 37,2 auf 37,0 Prozent verloren - die Zahl ihrer Abgeordneten blieb im Vergleich zur letzten Legislatur konstant.

Kurz vor der Unterzeichnung des neuen Koalitionsvertrages betonte CSU-Chef Markus Söder erneut die bestehenden Dissonanzen mit den Freien Wählern . Dies sei "keine Liebesheirat", sagte er nach Angabe von Teilnehmern in der internen Sitzung des Parteivorstands in München. Es sei "keine Kuschelkoalition, aber das Vertrauen konnte im Laufe der Verhandlungen verbessert werden", sagte Söder.

Söder betonte dem Vernehmen nach zudem als Erfolg der Verhandlungen, dass die CSU künftig für die Bereiche Gastronomie und Tourismus zuständig sei. Bisher lagen diese Zuständigkeiten im Wirtschaftsministerium der Freien Wähler.

Parteigremien sollen grünes Licht für Koalitionsvertrag geben

Nach zweiwöchigen Koalitionsverhandlungen wollen die Spitzen von CSU und Freien Wählern am Nachmittag ihren neuen Koalitionsvertrag unterzeichnen - zuvor sollen die jeweiligen Parteigremien dafür grünes Licht geben. CSU-Chef Markus Söder soll dann am 31. Oktober erneut zum bayerischen Ministerpräsidenten gewählt werden, einen Tag nach der konstituierenden Sitzung des neuen Landtags. Die Vereidigung des neuen Kabinetts ist für 8. November geplant.

Update vom 26.10.2023, 6.31 Uhr: Neue Koalition vermutlich beschlossen - Einladungen für Donnerstag

Nur zwei Wochen nach Beginn der Verhandlungen stehen CSU und Freie Wähler in Bayern unmittelbar vor der Unterzeichnung ihres nächsten Koalitionsvertrags. Beide Parteien haben für Donnerstagvormittag zu Gremiensitzungen eingeladen, um den dem Vernehmen nach rund 80-seitigen Vertrag abzusegnen. Somit ist davon auszugehen, dass alle wesentlichen Streitpunkte - auch die Aufteilung der Ministerien - am Mittwoch bei letzten Gesprächsrunden ausgeräumt werden konnten. Eine Bestätigung dafür gab es am Abend aber nicht.

Die Zustimmung der jeweiligen Gremien gilt als Formalie. Die Unterzeichnung des Koalitionsvertrags war nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur für Donnerstagnachmittag im Landtag geplant - dafür gab es allerdings zunächst noch keine Einladung.

Bei der CSU wollen Parteivorstand und Landtagsfraktion gemeinsam beraten und entscheiden. "Vorstellung der Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen für die Bildung einer neuen Bayerischen Staatsregierung", heißt es in der Einladung, die intern verschickt wurde. Und dann: "Beratung und Beschlussfassung über die Billigung der Verhandlungsergebnisse für einen Koalitionsvertrag". Auch bei den Freien Wählern wollen Landesvorstand und Fraktion gemeinsam beraten.

Streitpunkt um Form der Zusammenarbeit - Ministerienvergabe besonders schwierig

In beiden Runden dürfte es neben Inhalten und Ministerienvergabe auch nochmals um die grundlegende Form der Zusammenarbeit in der Regierung gehen. So sehr sich CSU und Freie Wähler in den sehr geräuschlosen Verhandlungen um ein konstruktives Miteinander bemühten, von Anfang an belastete das schlechte persönliche Verhältnis von Söder und Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger die Zusammenarbeit.

Das angespannte Miteinander gipfelte darin, dass es während der gesamten Verhandlungen keinen gemeinsamen Auftritt der Parteichefs gab, kein Foto und auch kein anderes Kamerabild. Geleitet wurden die Runden von den Chefs der Landtagsfraktionen, Klaus Holetschek (CSU) und Florian Streibl (Freie Wähler). Söder und Aiwanger nahmen nur wenige Male an den inhaltlichen Verhandlungen teil, immer dann, wenn es grundlegende Kompromisse zu finden galt. Inhaltlich angekündigt wurde bisher nur eine Präambel, die ein Bekenntnis zur Demokratie und eine klare Abgrenzung gegen die AfD enthalten soll.

Zuletzt hatten Söder, Aiwanger, Holetschek und Streibl am Mittwoch dann die Verteilung der Ministerien ausverhandelt. Auch von diesem mehrstündigen Gespräch drang aber zunächst nichts nach außen. Generell galt die Ministerienvergabe immer als schwierigster Teil der Verhandlung, da die Freien Wähler nach ihrem Rekordwahlergebnis am 8. Oktober von der CSU ein weiteres, viertes Ministerium einforderte. Aiwangers Wunsch, das Agrarressort zu übernehmen, hatte Söder schon vor der Wahl kategorisch abgelehnt.

Es wurde ferner erwartet, dass sich die Zuschnitte der Häuser ändern. So wurde etwa gemunkelt, dass das erst 2018 gegründete Digitalministerium in ein anderes Ministerium verlagert wird, etwa zum Finanz- und Heimatministerium. Auch bei anderen Häusern, etwa Wohnen, Bau und Verkehr oder dem Agrarministerium wurde über Veränderungen spekuliert.

Einigung der Parteien - Möglicher Zeitplan steht wohl schon fest

Der weitere Zeitplan von CSU und Freien Wählern sieht vor, dass Söder am 31. Oktober wieder zum Ministerpräsidenten gewählt werden soll, einen Tag nach der konstituierenden Sitzung des neu gewählten Landtags. Bereits am 8. November könnte dann das neue Kabinett vereidigt werden. Bis dahin müssen dann auch die Namen der Ministerinnen und Minister festgelegt werden. Dem Vernehmen nach soll das bei der CSU erst am 7. November erfolgen - bei den Freien Wählern könnten die Namen bereits an diesem Donnerstag genannt werden.

CSU und Freie Wähler hatten bereits in der vergangenen Legislaturperiode zusammen regiert. Im neuen Landtag verfügen sie nach der Wahl vom 8. Oktober zusammen über eine stabile Mehrheit von 122 der insgesamt 203 Sitze.

Erstmeldung vom 18.10.2023: "Koalition der Vernunft" trotz Differenzen? CSU und Freie Wähler sehen Verhandlungen vor Zielgerade

CSU und Freie Wähler sehen ihre laufenden Koalitionsgespräche auf einem guten Weg und rechnen mit einem Abschluss in der kommenden Woche. "Ich denke, wir biegen dann sehr schnell auch auf eine Zielgerade ein", sagte CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek am Mittwoch (18. Oktober 2023) vor dem Auftakt der zweiten Verhandlungsrunde mit den Parteichefs im Landtag. Ziel sei es, bis nächste Woche auch einen Vertrag vorlegen zu können, betonte Freie-Wähler-Fraktionschef Florian Streibl.

Holetschek und Streibl sprachen von einer guten Arbeitsatmosphäre der Gespräche und zeigten sich zuversichtlich, dass inhaltliche Differenzen in den kommenden Tagen beigelegt werden könnten. Beide Parteien wollten eine "Koalition der Vernunft", welche die Themen der Zukunft abdecke, Stabilität gewährleiste und den Menschen "wieder mehr zutraue", sagte Holetschek.

Koalitionsverhandlungen von CSU und Freien Wählern - Vergabe der Ministerien ist weiterhin ein Streitpunkt

Streibl ergänzte, es gehe auch darum, zu demonstrieren, dass es im Freistaat weiter ein funktionierendes Gemeinwesen zum Wohle der Menschen im Land gibt. Er sei sehr zuversichtlich, dass für alle Differenzen gute Lösungen gefunden werden könnten. Details zu strittigen Punkten, den finanziellen Spielräumen oder gar den Personalien für die Ministerien wollten beide nicht beantworten.

Die Koalitionsverhandlungen hatten am vergangenen Donnerstag mit einer grundsätzlichen Aussprache begonnen. Beide Seiten machten sich davor gegenseitige Vorhaltungen zu erfolgten Verletzungen und "Demütigungen". Die CSU hatte zudem von den Freien Wählern ein Bekenntnis zur Demokratie eingefordert, welches nun in einer Präambel des Koalitionsvertrages verankert werden soll - auch als klare Abgrenzung gegen die AfD.

In den Folgetagen hatten dann verschiedene Arbeitsgruppen die Detailgespräche fortgesetzt. Dem Vernehmen nach wurden alle Ressorts von Finanzen über Wirtschaft, Soziales, Justiz, Landwirtschaft, Wohnen/Bau, Kultus, Wissenschaft und Umwelt bereits in einer ersten Runde besprochen. Schwierigster Punkt dürfte die Vergabe der Ministerien werden, da die Freien Wähler nach ihren deutlichen Stimmzuwächsen ein viertes Ministerium einfordern. Die CSU lehnte dies bisher ab.

Verhandlungen sollen vor konstituierender Sitzung des neuen Landtags abgeschlossen werden

Ziel ist es, die Koalitionsverhandlungen binnen zweieinhalb Wochen abzuschließen: nämlich in der Woche vor der konstituierenden Sitzung des neu gewählten Landtags am 30. Oktober. Tags darauf würde dann Söder erneut zum Ministerpräsidenten gewählt. Bereits am 8. November könnte dann das neue Kabinett vereidigt werden.