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Bayern: Live-Gesichtserkennung in der Öffentlichkeit: Innenminister Joachim Herrmann verrät Pläne


Autor: Gwendolyn Kaiser

Bayern, Mittwoch, 21. August 2024

Für mehr Fahndungserfolge treibt der bayerische Innenminister Joachim Herrmann seit Jahren schon die Gesichtserkennung mittels Künstlicher Intelligenz (KI) im öffentlichen Raum voran. Der bayerische Datenschutzbeauftragte Thomas Petri steht dem Ganzen skeptisch gegenüber und äußert seine Bedenken.
Bereits vorhandene Kameras an öffentlichen Plätzen sollen für die Live-Gesichtserkennung genutzt werden.


Eine Echtzeit-Überwachung durch KI-getriebene Gesichtserkennung an öffentlichen Plätzen könnte zukünftig helfen, schwere Verbrechen zu vermeiden oder Personen im Rahmen einer Fahndung schneller zu finden. Das Europäische Parlament bestätigt in ihrer Analyse, dass solche Systeme einen Vorteil für öffentliche Sicherheit bringen würden.

Doch gleichzeitig weist sie auf rechtliche Bedenken bezüglich der Grundrechte - insbesondere des Datenschutzes - durch die mögliche Verbreitung, den "eingreifenden Charakter" in die Privatsphäre sowie ihre Fehleranfälligkeit. Der bayerische CSU-Innenminister Joachim Herrmann möchte nichtsdestotrotz die Live-Gesichtserkennung im öffentlichen Raum vorantreiben. Schon seit 2017 ist das ein Thema im Innenministerium, als der Minister in einer Pressemitteilung ankündigte, die biometrische Gesichtserkennung "zur intensiveren Täterfahndung" weiter ausbauen zu wollen.

Live-Gesichtserkennung mittels KI: Bayerischer Innenminister spricht sich dafür aus

Die Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen wie beispielsweise an Bahnhöfen wird unter anderem in Nürnberg und Würzburg eingesetzt und regelmäßig ausgebaut. In Würzburg konnte so bereits ein Täter schnell identifiziert und gefasst werden. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann will Möglichkeiten künstlicher Intelligenz bei der Gesichtserkennung von Menschen auf öffentlichen Plätzen stärker nutzen. Bisher ist dieses Vorgehen gesetzlich stark eingeschränkt. "Die Polizei braucht dringend mehr Möglichkeiten, zur Täterfahndung auch die biometrische Gesichtserkennung nutzen zu können", sagte Herrmann. 

Er möchte hierfür die schon installierten Kameras verstärkt nutzen und die Aufnahmen mithilfe von KI auswerten. Die von der EU angebrachten Kritik zum Datenschutz kann der Innenminister nicht nachvollziehen: "Es ist klar, dass Fotos, die keinen Treffer ergeben, sofort wieder gelöscht werden", sagt er in einem Bericht vom BR. Skeptisch sehe das jedoch der bayerische Datenschutzbeauftragte Thomas Petri, der die Nutzung von Live-Gesichtserkennung in der Öffentlichkeit als "schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte aller Menschen" beschreibt.

Würde die Gesichtserkennung eine Übereinstimmung finden, müssten die Polizisten immer erst einmal überprüfen, ob die Software keine Fehler gemacht hat, da das durchaus noch vorkommt. An dieser Stelle warne Petri, dass bei einer Trefferquote von 98 Prozent immer noch hunderte von Personen an einem öffentlichen Bahnhof fälschlicherweise verhaftet werden würden. Wie der BR schreibt, sei Herrmann jedoch hoffnungsvoll, dass so mehr Fahndungserfolge erzielt werden können. Im Fall von einem Tötungsdelikt in Schwabach ist der Täter immer noch auf der Flucht. Auch nach den geflüchteten vier Männern aus einer psychiatrischen Anstalt in Straubing wird noch gefahndet.

Bundesweiter Gesetzesentwurf für Gesichtserkennung schon vorgelegt

Erfolgreich in der Nutzung war bereits ein kanadischer Journalist und konnte eine versteckte RAF-Terroristin ausfindig zu machen: Mithilfe der biometrischen Technologie zur Gesichtserkennung gelang es ihm, Daniela Klette zu identifizieren, so der BR. Er glich hierbei im Internet ältere mutmaßliche Fotos von Klette und ihren Tanzgruppen in Berlin ab. Die Polizei dürfe bisher nicht so arbeiten. Diese Vorgehensweise ist bisher im Bayerischen Landeskriminalamt nur mit dem bundesweiten Fahndungsbestand möglich. Laut Herrmann konnte die Gesichtserkennung in 1200 von 4600 Fällen wertvolle Hinweise auf polizeibekannte Personen geben.

Die Ermittlungsbehörden drängen schon länger darauf, den Einsatz solcher Instrumente zu erlauben. Die Stimmen wurden nach dem Durchbruch im Fall der ehemaligen RAF-Terroristin wieder lauter. SPD-Bundesministerin Nancy Faeser hatte bereits einen Gesetzesentwurf vorgelegt, bei der das Bundeskriminalamt und Bundespolizei eine Gesichtserkennungs-Software einsetzen dürfen. So sollen die Ermittler etwa Internet-Videos von IS-Mitgliedern mit Bildern in den sozialen Netzwerken abgleichen können.

Die geplante Gesetzesänderung muss noch von Kabinett und Bundestag gebilligt werden. Eine Echtzeit-Gesichtserkennung im öffentlichen Raum - etwa durch Videoüberwachung an Bahnhöfen - ist nach Angaben des Ministeriums auf bundesweiter Ebene jedoch ausdrücklich nicht geplant.

mit dpa