Aus Deutschland und anderen europäischen Staaten kam an der neuen Strategie umgehend scharfe Kritik. Außenminister Johann Wadephul sagte zu den kritischen Äußerungen zur Meinungsfreiheit, er glaube «nicht, dass irgendjemand uns dazu Ratschläge geben muss». In Deutschland gebe es nicht nur die staatlichen Gewalten der Exekutive, der Legislative und der Jurisdiktion, «sondern zu Recht auch freie Medien». Auch die EU-Kommission von Ursula von der Leyen wies die Vorwürfe gegen die EU zurück.
In Brüsseler Nato-Kreisen sorgte eine Passage für Beunruhigung, in der es heißt, die grundlegende US-Politik für Europa solle darauf abzielen, «den Eindruck - und die Realität - einer sich ständig erweiternden Nato zu beenden». Dies würde ein Ende des bisherigen Prinzips der «offenen Tür» bedeuten. Das Bündnis wollte diesen Punkt in der US-Strategie auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur zunächst nicht kommentieren.
Hauptfokus liegt auf Lateinamerika und Asien
Zugleich macht das Dokument unmissverständlich klar, dass der Hauptfokus der US-Sicherheitspolitik künftig in der «westlichen Hemisphäre» liegen soll - gemeint sind die Migration aus Lateinamerika, der Kampf gegen angebliche «Terroristen» und Kartelle, die Drogen in die USA brächten, sowie auf der Durchsetzung amerikanischer Interessen in der Region. Bemerkenswert ist, welches Land in diesem Zusammenhang namentlich unerwähnt bleibt, obwohl Trump zuletzt die Temperatur rhetorisch aufdrehte: Venezuela.
Die meisten Seiten des Dokuments sind sonst Asien gewidmet. Die USA hätten China über Jahrzehnte falsch eingeschätzt, heißt es. Das Verhältnis müsse wirtschaftlich neu austariert und die militärische Abschreckung im Indo-Pazifik gestärkt werden, um einen möglichen Konflikt zu verhindern. Auch das gehört zu Trumps strategischem Ansatz: ein «weltweit führendes, tödlichstes und technologisch fortschrittlichstes» Militär, das amerikanische Interessen überall durchsetzen soll.
Naher Osten spielt eine Nebenrolle
Der Nahe Osten spielt in der neuen Strategie dagegen nur eine Nebenrolle - entsprechend knapp fällt das Kapitel zur Region aus. Die Gegend habe ihren früheren strategischen Stellenwert verloren, vor allem weil die USA wieder mehr eigene Energie produzierten, und viele Konflikte dort aus amerikanischer Sicht weniger unmittelbare Gefahren für die USA mit sich brächten.
Noch knapper hält sich das Dokument zu Afrika: Nicht einmal eine ganze Seite widmet die Trump-Regierung dem Kontinent. Washington kritisiert, die US-Politik habe dort zu lange auf Entwicklungshilfe und den Export liberaler Werte gesetzt. Künftig solle die Zusammenarbeit auf Handel und den Zugang zu afrikanischen Rohstoffen zielen - und auf Partnerschaften mit jenen Staaten, die ihre Märkte für US-Unternehmen öffnen.
Argumentationslinien wie in rechten Kreisen
Unterm Strich geht es um Abschreckung nach außen, die rigorose Durchsetzung amerikanischer Wirtschaftsinteressen und um ein klar umrissenes Bild davon, wer dazugehört und wer nicht.
Dabei schlägt das Dokument einen Ton an, der koloniale Denkweisen des 19. Jahrhunderts wiederbelebt. Das zeigt sich nicht nur in der Afrika-Passage, sondern auch in Formulierungen zu Europa - die Trump-Regierung bedient sich Argumentationslinien, wie sie in rechten Kreisen verbreitet sind: Die größten Gefahren seien Migration, sinkende Geburtenraten und ein vermeintlicher «Verlust nationaler Identität».
Zwischen den Zeilen wird so eine rassistisch anmutende Vorstellung von Zugehörigkeit in staatliche Strategie gegossen, für Europa wie für die USA selbst. Vielfalt soll keine Rolle spielen, die «westliche Identität» und gesellschaftliche Einheit dagegen gelten als Stärke. Die beschworene «goldene Zukunft» der USA beruht auf «traditionellen Familien» und der Ehrung «vergangener Errungenschaften und Helden». Eine kritische Aufarbeitung der dunkelsten Kapitel der amerikanischen Geschichte - etwa die Sklaverei - gehört zu diesem Selbstverständnis nicht dazu.