"Größte Evakuierungsaktion" aller Zeiten für Griechenland: Tausende Menschen fliehen immer noch vor Bränden

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Erst war das Feuer auf Rhodos unter Kontrolle. Am Samstagmittag (22. Juli 2023) aber trieb der Wind die Flammen plötzlich direkt auf Touristenhochburgen und Dörfer zu. Die meisten der Touristen sitzen auf der Urlaubsinsel fest und schlafen in Turnhallen oder bei Einheimischen.

Update vom 24.07.2023: Etliche Touristen können noch nicht ausreisen

Sie schliefen im Freien, auf Matratzen in Turnhallen oder bei Inselbewohnern - nun wollen und müssen Tausende Urlauber weg von den Waldbränden auf der griechischen Urlaubsinsel Rhodos. Wie das gehen soll, blieb zunächst unklar. Rund 19 000 Touristen und Einwohner wurden am Samstag in Sicherheit gebracht. Seit der Evakuierung ist die Situation unübersichtlich. Fast 8000 Urlauber sind allein als Kunden des Reisekonzerns Tui betroffen. Manche Urlauber haben nicht einmal ihre Ausweise bei sich, weil sie so schnell vor den Flammen fliehen mussten.

Es handele sich um die "größte Evakuierungsaktion, die es jemals in Griechenland gegeben hat", teilte das Büro von Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis mit. Viele Menschen wurden in den Norden der auch bei Deutschen beliebten Ferieninsel in Sicherheit gebracht. Die griechische Regierung sprach zunächst von 19.000 Betroffenen. Das Feuer geriet am Samstag wegen starker Winde und Trockenheit außer Kontrolle. Die Brände wüten nun in der Nähe der Ferienorte. Auch am Sonntag kämpften die Feuerwehrkräfte gegen die Flammen.

Touristen sitzen nach Horror-Bränden auf Rhodos fest - Flüge ausgebucht

Fest steht, dass Tausende Menschen weg von der Insel wollen - nur wie? Flüge sind ausgebucht, Unterkünfte gibt es kaum, weil in der Hauptsaison alle Pensionen und Hotels voll sind, ebenso wie die Fähren aufs Festland. Die Situation sei extrem angespannt, berichtete der griechische Staatssender ERT. Zurück in die evakuierten Dörfer und Hotelanlagen können die Touristen vorerst nicht.

Nach ersten Schätzungen der Polizei sollen seit Samstag rund 16.000 Menschen auf dem Landweg und 3000 Menschen von Stränden aus über das Meer in Sicherheit gebracht worden sein. Derweil landeten trotz der überbordenden Probleme und andauernden Brände im Laufe des Sonntags neue Ferienflieger, wie der Vizebürgermeister der Insel Thanasis Virinis am Sonntagmorgen dem TV-Sender Mega sagte.

Das griechische Außenministerium richtete am Flughafen der Insel einen Hotspot ein, wo Touristen unbürokratisch eine Ausreisegenehmigung erhalten, wenn sie keine Ausweispapiere mehr haben. Das berichtete der griechische Staatssender ERT. Viele Menschen hätten vor dem Feuer fliehen müssen und unter Umständen keine Zeit mehr gehabt, ihr Hab und Gut mitzunehmen. Zudem hat der Krisenstab des Zivilschutzes zwei Telefonnummern für ausländische Besucher eingerichtet, wenn sie Angehörige vermissen. Vermisst wurde allerdings bis Sonntagnachmittag nach offiziellen Angaben niemand.

Etliche Reisende ohne Besitz - Habseligkeiten und Ausweisdokumente in Hotels zurückgelassen

Unterdessen kommen neue Fragen in Zusammenhang mit der Evakuierung der Hotels im Südosten der Insel auf. Viele Touristen hatten ihre Koffer und andere Gegenstände, darunter auch Ausweispapiere, in ihren Zimmern zurückgelassen. Christos Pilatakis, ein Hoteldirektor aus der Stadt Lindos, sagte der dpa am Sonntag, dies müsse zwischen den Reiseagenturen und den Hotels geregelt werden. Zuerst müssten die Feuerwehr und die Polizei die Rückkehr des Personals erlauben. Danach sollten die zurückgelassenen Sachen in die jeweiligen Länder der Gäste geschickt werden. Dies werde einige Tage dauern.

Am Sonntag sind bereits Rhodos-Urlauber in Deutschland gelandet. Am Flughafen Köln/Bonn berichtete eine Frau: "Heute Morgen war es schon so, dass wir so die ersten Aschepartikel abbekommen haben. Dann haben wir uns spontan entschlossen, nach Hause zu fliegen." Wichtig sei es gewesen, dass es gute Möglichkeit gebe, rechtzeitig nach Hause zu kommen. "Man weiß ja nicht, wie sich das entwickelt." Ein Mitarbeiter der Hilfsorganisation Malteser International sagte nach seiner Rückkehr: "Das Ausmaß der Waldbrände ist wirklich erschreckend. Und es ist gut zu sehen, dass Europa hilft."

Die Brände tobten unterdessen weiter. Für Montag ist keine Entspannung in Sicht - zumal es weiterhin stark windete. Ein Sprecher der Feuerwehr sprach gegenüber dem Staatssender ERT von drei großen Fronten. Es handelt sich um Brände rund um den Ferienort Kiotari, das Dorf Apollona und den Stausee Gadoura.

Ursprungsmeldung vom 23.07.2023

Der Urlaub auf Rhodos ist für Tausende Touristen am Samstag (22. Juli 2023) zum Alptraum geworden. Seit Tagen brannte es bereits in der dicht bewaldeten Mitte der Insel, die Feuerwehr hatte die Flammen unter Kontrolle. Am Samstagmittag (22. Juli 2023) drehte der ohnehin starke Wind aber plötzlich und trieb die Flammen direkt auf Touristenhochburgen und Dörfer im Süden und Südosten der Insel zu.

Rund 8000 Menschen seien bis zum Abend über den Landweg in Sicherheit gebracht worden, berichtete das griechische Staatsfernsehen. Patrouillenboote der Wasserpolizei und private Boote nahmen weitere rund 2000 von Stränden aus auf, wie die Küstenwache mitteilte.

"Habe das Wichtigste ins Auto gepackt" - Menschen versuchen, den Flammen auf Rhodos zu entkommen

Am späten Samstagabend erreichten die Flammen das bereits evakuierte Dorf Laerma - erste Häuser standen in Flammen, wie griechische Medienberichte zeigten. Das Außenministerium aktivierte einen Krisenstab beim Zivilschutz, der damit beauftragt ist, sich um jene Touristen zu kümmern, deren Hotels und Unterkünfte evakuiert wurden.

"Es waren noch nie so viele Dörfer betroffen", sagte eine Deutsche, die seit Jahren auf der Insel wohnt, der Deutschen Presse-Agentur am Samstagabend. "Sonst brennt es eher in Richtung Westküste. Diesmal aber kam das Feuer über den Berg nach Südosten." In ihrer Ortschaft Lachania seien alle Menschen auf den Beinen und warteten, ob auch ihr Dorf evakuiert werde. Der Strom sei schon vor Stunden ausgefallen, sie sitze im Dunkeln. "Ich habe das Wichtigste ins Auto gepackt, Wasser, Futter für meinen Hund. Aber ich warte auf die Anweisungen der Behörden, es hilft ja nicht, kopflos irgendwo hinzufahren."

Derweil zeigten Videoaufnahmen in griechischen und sozialen Medien lange Reihen von Menschen, die zu Fuß ihre Urlaubsorte verließen - manche waren panisch, andere blieben gelassen, einige hatten ihre Koffer dabei, andere nichts außer den Kleidern am Leib. Wo sie so schnell unterkommen sollen, war am Samstagabend unklar. Der Staatssender ERT berichtete, eine Fähre sei auf dem Weg, auf der etliche Menschen zunächst Unterschlupf finden könnten. Auf der Insel selbst dürfte es um diese Jahreszeit mitten in der touristischen Hauptsaison kaum freie Unterkünfte geben.

Evakuierte sollen sich an Sammelpunkten einfinden - Reiseveranstalter wollen künftige Urlauber informieren

Von den Evakuierungen der Hotels waren auch Deutsche betroffen. "Auf der Insel halten sich derzeit insgesamt rund 20.000 deutsche Urlauber von Reiseveranstaltern auf, betroffen von den Evakuierungen ist nur ein kleinerer Teil", teilte eine Sprecherin des Deutschen Reiseverbands (DRV) der dpa am Samstagabend mit. "Für die Evakuierten sind Sammelpunkte im Norden der Insel geplant, bis die Feuer gelöscht sind. Oberste Priorität hat der Schutz von Leib und Leben." Dem DRV zufolge wollen sich Reiseveranstalter an ihre Kunden wenden, die in den nächsten Tagen eine Reise nach Rhodos planen. Sie würden dann die Information erhalten, ob die Reise stattfinden könne.

Wegen des Waldbrands auf Rhodos, aber auch anderen großen Bränden in Griechenland sind mittlerweile Hunderte Feuerwehrleute aus Rumänien, Bulgarien, Polen, der Slowakei und Malta zur Verstärkung angereist. Frankreich, Italien, die Türkei, Zypern, Israel und Jordanien beteiligen sich mit Löschflugzeugen und Hubschraubern an den Löscharbeiten, teilte der griechische Zivilschutz mit.

Die Hitzewelle, die seit Freitag in Griechenland herrscht, wird nach Angaben der Meteorologen mit kleinen Schwankungen auch in der kommenden Woche andauern. Am Mittwoch wird ein neuer Höhepunkt mit Temperaturen um die 46 Grad in Südgriechenland erwartet. Die Feuerwehr warnte abermals vor großer Waldbrandgefahr. "Uns stehen noch schwierigere Zeiten bevor", sagte ein Sprecher.

Im Zuge der globalen Erwärmung steigt in vielen Regionen die Waldbrandgefahr, wie etwa der Weltklimarat IPCC festgestellt hat. Zwar kann ein wärmeres Klima dazu beitragen, dass mehr Wasser vom Himmel fällt, auch häufiger in Form von Starkregen. Die Zeiträume ohne Niederschläge werden aber teils länger. Und gerade in ohnehin trockenen Gebieten steigt die Gefahr von Dürreperioden. In extrem trockener Vegetation können sich Waldbrände schneller ausbreiten.

Vorschaubild: © Argyris Mantikos(Eurokinissi/AP)/dpa