Ein Gerichtsurteil aus der Schweiz schockiert die Öffentlichkeit: Eine Frau soll Mitschuld an ihrer Vergewaltigung sein. Sie hätte "Signale auf Männer" ausgesendet. Einer der Täter bekam dafür eine Strafminderung. Das Urteil schlägt Wellen.
Die Entscheidung eines Schweizer Gerichts macht viele Menschen fassungslos: Im Februar 2020 wurde eine 33-Jährige in Basel laut Medienberichten im Hauseingang zu ihrer Wohnung von zwei Männern vergewaltigt. Dem Gerichtsurteil nach trägt sie selbst Mitschuld daran.
Die vorsitzende Richterin Liselotte Henz begründete das Urteil damit, dass die Frau "Signale auf Männer aussendet" und "mit dem Feuer spielte". Zudem sei der Angriff "relativ kurz" gewesen und sie habe keine Verletzungen davon getragen.
33-Jährige soll Mitschuld an Vergewaltigung sein: "Signale auf Männer ausgesendet"
Das Opfer hatte wenige Stunden vor der Vergewaltigung in einem Club gefeiert und soll sich dort mit einem Mann auf die Toilette zurückgezogen haben. Zum Geschlechtsverkehr soll es dabei nicht gekommen sein. Das Gericht schlussfolgerte daraus jedoch, für die 33-Jährige sei safer Sex "kein Thema". Den 32 Jahre alten Täter treffe daher der Richterin nach nur ein "mittleres Verschulden". Seine Strafe wurde stark abgemildert.
Der gebürtige Portugiese wurde ursprünglich zu einer Gefängnisstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Zusätzlich sollte er eine sogenannte Genugtuungszahlung leisten und erhielt einen Landesverweis von acht Jahren. Er legte dagegen Berufung ein, was schließlich zur schockierenden Strafminderung führte. Nun wurde das Strafmaß für den 32-Jährigen auf drei Jahre reduziert, 18 Monate davon auf Bewährung - damit kommt er bereits in wenigen Tagen frei, wie die Zeitung "BZ Basel" berichtet.
Sein Landesverweis und die Genugtuung an das Opfer wurden ebenfalls laut Medienberichten herabgesetzt. Der andere Täter war zum Tatzeitpunkt noch minderjährig und steht laut "BZ Basel" demnächst vor dem Jugendgericht. Die 33-Jährige sowie ihre Vertreterin, Anwältin Miriam Riegger, zeigten sich enttäuscht über das Urteil. "Es ist enttäuschend und unverständlich, dass die zweite Instanz bei einem solchen Delikt von dieser Tragweite das Verschulden des Angeklagten milder eingestuft hat als die Vorinstanz", so Riegger laut "20 Minuten".
"Schockiert mich zutiefst": Opfer und Öffentlichkeit fassungslos
Das Opfer ließ via Riegger mitteilen: "Was mir vom Gericht vorgeworfen wird, also dass ich angeblich eine Mitschuld an der schrecklichen Tat tragen soll, schockiert mich zutiefst." Es sei für sie völlig unverständlich, wie ein Gericht, eine Richterin, also sogar eine Frau, so etwas sagen könne. Die Begründung mache ihr auch Sorgen für die Zukunft, berichtet das Portal "Blick". Das Opfer habe Angst, dass wenn man als Frau nur mal einen kürzeren Rock oder einen etwas weiteren Ausschnitt trage, man immer das Gefühl haben müsste, man könnte etwas provoziert haben.
Opfervertreterin Riegger fürchtet ebenfalls um die "falsche Signalwirkung" des Urteils. "Ein Nein ist ein Nein und muss akzeptiert werden – unabhängig vom Lebenswandel des Opfers", so Riegger. "Nach Ansicht meiner Klientin werden darum viele betroffene Frauen sich in Zukunft noch weniger zu einer Anzeige trauen oder es sich mehr als zweimal überlegen, ob sie eine Anzeige erstatten oder nicht, weil sie dann immer damit rechnen müssen, ihnen werde eine Mitschuld angelastet."