UN-Generalsekretär António Guterres kritisierte die Trump-Regierung indirekt dafür, palästinensischen Vertretern die Einreise verwehrt zu haben. Gleichzeitig lobte er den Schritt der Staatengruppe um Frankreich: «Die Eigenstaatlichkeit ist für die Palästinenser ein Recht, keine Belohnung», sagte der Portugiese. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte, der einzige realistische Friedensplan basiere auf zwei Staaten.
Baerbock: Das Böse könnte sich durchsetzen
Die frühere deutsche Außenministerin Annalena Baerbock warnte in ihrer neuen Rolle als Vorsitzende der UN-Vollversammlung, das Ziel der Zweistaatenlösung dürfe nicht aufgegeben werden: «Wenn wir aufhören, das anzuvisieren, was richtig ist, weil wir es noch nicht erreicht haben, dann wird sich das Böse durchsetzen. Das wäre das Ende dieser Institution.»
Kanadas Premierminister Mark Carney sagte, eine Anerkennung sei kein Allheilmittel, betonte aber auch: «Die derzeitige israelische Regierung arbeitet systematisch daran, die Gründung eines palästinensischen Staates zu verhindern.»
Bundesregierung mit Drahtseilakt
Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) kritisierte das israelische Vorgehen im Gazastreifen während seines Besuchs in New York scharf. «In ganz Gaza erleben die Menschen eine Hölle auf Erden», sagte er. Mit Blick auf die Siedlungspolitik Israels im Westjordanland betonte er zuvor vor Journalisten: «Jegliche Schritte zu einer völkerrechtswidrigen Annexion von besetzten Gebieten untergraben zudem die Chance, den Konflikt nachhaltig zu lösen.»
Für Deutschland stehe die Anerkennung eines palästinensischen Staates zwar eher am Ende eines Prozesses hin zu einer solchen Lösung. «Aber dieser Prozess muss jetzt beginnen», verlangte Wadephul. Für Kanzler Friedrich Merz (CDU), der im Gegensatz zu vielen anderen Staats- und Regierungschefs nicht nach New York reiste, ist die Krise im Nahen Osten ein Drahtseilakt zwischen Solidarität mit Israel, dem Druck der europäischen Verbündeten und den - keinesfalls homogenen - Erwartungen der deutschen Bevölkerung.
Die Positionierung mehrerer wichtiger Staaten aus dem Westen, die traditionell zu Israels engsten Partnern zählen, wiegt besonders schwer. Sie wollen mit der Anerkennung eine Zweistaatenlösung vorantreiben, die sie durch Israels Siedlungsausbau im Westjordanland, Annexionspläne und die Schwächung der Palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah gefährdet sehen. Für die Palästinenser bedeutet der Schritt zusätzliche Legitimität im Streben nach einem eigenen Staat.
Wie reagieren Netanjahu und Trump?
Diplomaten befürchten, dass die Reaktionen von US-Präsident Trump und Israels Regierungschef Netanjahu harsch ausfallen könnte. Trump wird bereits am ersten Tag der UN-Generaldebatte das Wort ergreifen und dürfte die jüngsten Entwicklungen als engster Verbündeter Israels als Affront betrachten. Netanjahu verurteilt die Anerkennung eines Palästinenserstaats als «enorme Belohnung» für den Hamas-Terror. Er will am Freitag vor der UN-Vollversammlung sprechen - und einige befürchten, dass er dabei die Annexion von Palästinensergebieten ankündigen könnte.
Der Nahostkonflikt reicht über ein Jahrhundert zurück: Nach dem Ersten Weltkrieg stand Palästina unter britischer Verwaltung, Juden wurde damals eine «nationale Heimstätte» versprochen und Arabern Unterstützung – ein Nährboden für Spannungen. Nach dem Holocaust beschlossen die UN 1947 die Teilung in einen jüdischen und einen arabischen Staat. Während die Araber dies ablehnten, riefen die Juden 1948 den Staat Israel aus.
Der folgende Krieg endete mit Israels Sieg und der Flucht von mehr als 700.000 Palästinensern («Nakba»), Hunderttausende weitere flohen 1967 im Sechstagekrieg («Naksa»). Zwar brachte der Friedensprozess der 1990er Jahre Hoffnung. Doch ungelöste Kernfragen wie Grenzverläufe, die Aufteilung von Jerusalem, der Umgang mit Flüchtlingen und Siedlungen sowie Gewalt von Extremisten und die Spaltung der Palästinenserorganisationen Hamas und Fatah verhinderten einen palästinensischen Staat.