Die jüngsten Pläne sehen vor, für die Ukraine in den kommenden vier Jahren 17 Milliarden Euro an Zuschüssen und 33 Milliarden Euro an Krediten einzuplanen. Das Geld soll über eine Überarbeitung des langfristigen EU-Haushalts mobilisiert werden. Zusätzliches Geld ist auch für die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie und die Migrationspolitik der EU vorgesehen.
Von den 27 EU-Staaten seien 26 bereit, zusätzliches Geld zur Verfügung zu stellen, betonte von der Leyen. Nur Ungarn sei nicht an Bord.
Wenn Orban Anfang kommenden Jahres nicht umgestimmt werden kann, müssten neue Finanzhilfen für die Ukraine ohne Geld aus dem EU-Gemeinschaftshaushalt finanziert werden. An Plänen dafür soll nach Angaben von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen jetzt gearbeitet werden. «Was auch immer beim nächsten Gipfel passiert, wir werden eine funktionierende Lösung haben», sagte sie. Für die kommenden Monate ist die Finanzierung der Ukraine noch gesichert.
Scholz schließt Zugeständnisse aus
Zugeständnisse an Orban bei den Bedingungen für die Auszahlung eingefrorener Gelder für Ungarn werden öffentlich ausgeschlossen. Bundeskanzler Olaf Scholz sagte nach dem Gipfel: «Man darf Dinge nicht miteinander verknüpfen. Das ist in der Vergangenheit nicht passiert und das wird in der Zukunft nicht passieren.»
Europaabgeordnete hatten bereits die Kommissionsentscheidung zur Freigabe der rund zehn Milliarden Euro am Mittwoch als ungerechtfertigt kritisiert und der Behörde vorgeworfen, sich erpressen zu lassen.
Stimmrechtsentzug als Option?
Als ein mögliches Druckmittel gegen Orban wird in Brüssel die Option gesehen, ein bereits seit Jahren gegen Ungarn laufendes EU-Verfahren wegen Rechtsstaatsdefiziten voranzutreiben. Über dieses könnte dem Land am Ende sogar das Stimmrecht bei EU-Abstimmungen entzogen werden.
Realistischer ist diese Option zuletzt durch den Machtwechsel in Polen geworden. In den vergangenen Jahren hatten sich die rechtsnationalen Regierungen in den beiden Ländern in dem sogenannten Artikel-7-Verfahren immer gegenseitig unterstützt, was echte Fortschritte unmöglich machte.
Eine glaubhafte Drohung mit einem Stimmrechtsentzug könnte Orban möglicherweise auch von weiteren Blockadeankündigungen zum EU-Beitrittsprozess der Ukraine abhalten.
«75 Möglichkeiten, diesen Prozess zu stoppen»
Ungarn habe «noch 75 Möglichkeiten, diesen Prozess zu stoppen», drohte Orban. Am Tag zuvor hatte er noch überraschend ermöglicht, den Start von Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine zu beschließen, indem er nicht an der entscheidenden Abstimmung teilnahm. Nach Angaben des scheidenden niederländischen Regierungschefs Mark Rutte zeigte ihm der Bundeskanzler Olaf Scholz diesen Weg auf. Ungarn konnte so bei seinem Nein zu den Beitrittsverhandlungen bleiben, ohne sie zu blockieren.
Ein Verfahrenstrick? Davon würde er selbst nicht sprechen, sagte Scholz. «Es ist eine Entscheidung, die wir entsprechend unserer Regeln einvernehmlich getroffen haben.» Der Kanzler fügte aber hinzu: «Das ist jetzt nichts, was man jedes Mal machen sollte.»
Nach Angaben des französischen Präsidenten Emmanuel Macron war es nicht das erste Mal, dass ein Staats- und Regierungschef den Verhandlungstisch verließ, um den Weg für eine Entscheidung freizumachen. «Ich erinnere daran, dass Kanzlerin Merkel selbst nicht an der Abstimmung über die Präsidentschaft der Europäischen Kommission teilnehmen konnte, da sie nicht die Zustimmung ihrer Koalitionspartner hatte», sagte er. Damals, im Jahr 2019, war Angela Merkels CDU-Parteifreundin Ursula von der Leyen nominiert worden. Die SPD lehnte dies ab.