Hogwarts Legacy : Was bleibt von der Debatte - darf ich das Spiel kaufen?

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Ein Kommentar von Io Görz
«Hogwarts Legacy»
«Hogwarts Legacy» ist das erste größere Videospiel aus dem «Harry Potter»-Imperium seit Jahren. Doch laute Kritik dimmt die Freude der Fans.
«Hogwarts Legacy»
picture alliance / dpa

"Hogwarts Legacy" ist ein heißersehntes Spiel, doch begleitet von einer heftigen Debatte. Was am Ende bleibt und wer unter dem Hass leidet. Ein Kommentar.

Für viele Menschen hat sich nach Jahren ein Traum erfüllt: Mit “Hogwarts Legacy” wird ein Spiel veröffentlicht, das ihnen ermöglicht, in eine geliebte Fantasywelt einzutauchen.  

Manche fühlen sich nun in ihrer Glückseligkeit gestört, weil es andere Menschen wiederum gewagt haben, Kritik am unkritischen Genuss des Spiels zu üben. Das Spiel sowie die Welt, in der es stattfindet und nicht zuletzt die Autorin dieser Welt sind alles andere als harmlos und unkritisch.  

Worum geht es beim Streit um “Hogwarts Legacy”?  

Um es möglichst einfach zusammenzufassen: Seit Jahren gibt es Kritik an der Autorin der Harry-Potter-Romanreihe, Joanne K. Rowling. Auf ihr Werk geht die Welt zurück, in der “Hogwarts Legacy” spielt. Die Autorin äußert sich seit Jahren transfeindlich und betreibt mit ihren immensen finanziellen Mitteln sowie mit ihrer Reichweite einen weltweiten Kampf gegen die Rechte von trans Personen. In der Vergangenheit hat sie sich immer wieder transfeindlich geäußert, etwa durch Vorwürfe, trans Personen seien eine Gefahr für cis Frauen (Frauen, die sich mit dem ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht identifizieren) und Kinder. Daneben unterstützt sie Organisationen, die sich für den Kampf gegen Transrechte einsetzen und sympathisiert offen mit Akteuren der “Alt Right”-Bewegung in den USA.

Seit Jahren weisen also Menschen, vor allem trans Personen, darauf hin, dass Geld für Dinge aus dem Harry-Potter-Universum ganz direkt bei einer Person ankommt, die es für ihre transfeindliche Kampagnen nutzt. Dies gilt natürlich auch für “Hogwarts Legacy”, ein Spiel, das zwar nicht direkt von J.K. Rowling als Autorin erdacht wurde, aber auf ihrer Welt und vor allem auf der Bekanntheit ihrer Welt fußt. Die Autorin hat selbst sogar explizit darauf hingewiesen, dass sie die Verkaufszahlen des Spiels als direkte Unterstützung für eben auch ihr politisches Wirken betrachtet.  

Daher haben immer wieder trans Aktivist*innen kritisiert, wenn Menschen mit großer Reichweite, etwa Let’s-Play-Streamer, dem Spiel ihre Bekanntheit und damit ihre Reichweite leihen und zum Verkaufserfolg des Titels beitragen. Es wurde besonders kritisiert, wenn dies unkritisch und ohne Beachtung der problematischen Aspekte des Spiels und der Autorin passierte.  

Gronkh-Stream führt zu Hass - gegen wen? 

Anfang Februar traf der Unmut dann den Streamer Erik Range, auf Twitch und anderen Kanälen natürlich besser bekannt als “Gronkh”. Er hatte angekündigt, mit einem Charity-Stream von “Hogwarts Legacy” Geld für Organisationen zu sammeln, die sich für trans Personen einsetzen. Im Zuge eines Streams sagte er, J.K. Rowling sei ihm egal. In der Folge gab es Kritik an dieser Haltung und auch an dem Vorhaben, “Hogwarts Legacy” zu streamen.  

Und hier zeigte sich dann bereits, wo es in der Debattenkultur hakt: Nach der teilweise bewusst wohlwollend und sachlich formulierten, teilweise wütenden und enttäuschten Kritik ging gegen viele trans Personen, die es wagten, sich zu dem Thema zu äußern, eine wahre Flut an Hass und Hetze los. Nicht initiiert von Gronkh selbst, sondern von Teilen seines Fandoms und Internettrollen, die sich bereitwillig auf alles stürzen, womit sie marginalisierten Personen schaden können. Das Fatale war jedoch, dass nicht etwa dieser Hass das Problem war, ja überhaupt gesehen wurde in der Bubble der Gronkh-Fans. Stattdessen wurde in einem Fan-Reflex (der Begriff kommt ja nicht umsonst von “fanatic”) der Twitch-Streamer von jeglicher Verantwortung freigesprochen und jede Kritik wurde diskreditiert und in pauschalen Unterstellungen als “Beleidigung” oder “Hass” verunglimpft.  

Gronkh selbst erhielt eigener Aussage zufolge in den kommenden Tagen einige Hass-Nachrichten, was seine Fan-Gemeinde und Unbeteiligte, die aber auch dringend zu allem etwas gesagt haben müssen, zum Anlass nahmen, fortan jede Kritik über einen Kamm zu scheren mit jedem Troll, der auf den Zug aufgesprungen war und sich in Gronkhs Postfach ausgekotzt hatte. Generell wurde die Verantwortung von jenen mit großer Reichweite in einer absurden Verdrehung der Machtverhältnisse auf jene übertragen, die deutlich weniger Reichweite und Wirkmacht besitzen als ein Streamer mit Zehntausenden Abonnenten und einer Millionen-Followerschaft auf Twitter.  

Die Debatte zieht weiter, der Hass gegen trans Personen bleibt

Einige haben bereits auf die Folgen dieser Episode hingewiesen, an dieser Stelle sie dies noch einmal aufgegriffen: Für Nichtbetroffene, für Menschen, deren Existenz nicht von J.K. Rowling in Abrede gestellt wird, die nicht täglich von transfeindlichen Personen angegriffen werden, ist die Aufregung bald vorbei. Sie ziehen weiter und machen sich wieder über andere Dinge Gedanken. Ihnen können Spiel und Autorin real wirklich egal sein, denn sie sich – nicht betroffen.  

Betroffene haben diesen Luxus nicht. Für sie ist die Debatte um “Hogwarts Legacy” jetzt eben nur einer von vielen Höhepunkten in einem nicht enden wollenden Kampf um Anerkennung und Rechte. Seit Jahren und Jahrzehnten werden trans Personen fundamentale Rechte verwehrt, wird ihre Möglichkeit, sich gleichberechtigt zu entfalten, eingeschränkt.  

Wann immer man dann nicht, in diesem Dauerfeuer aus Hass und Unterstellungen, freundlich, liebevoll und geduldig reagiert, die immer gleichen Vorurteile mit großem Aufwand und großer Gleichmut entkräftet, gibt es in reinster “tone policing”-Manier noch den Rüffel, man sei ja auch nicht besser als “die andere Seite”. Alternativ bekommt man noch zu hören, dass man „der Sache”, also den eigenen Rechten, mit dieser Art der Wut nur schade. Letztlich sagt man damit mehr oder weniger direkt: Selbst schuld, wenn man euch hasst. Die traurige Realität als trans Person ist jedoch: Ganz egal, wie ich mich verhalte – der Hass bleibt der gleiche. Denn wer trans Personen hasst und bekämpft, tut dies nicht weniger, wenn diese nett und wehrlos sind – im Gegenteil. Wer jedoch als “Außenstehende*r” die Unterstützung für die Rechte einer marginalisierten Gruppe daran fest macht, ob diese immer recht artig „bitte“ und “danke” sagen, war nie wirklich ein*r Verbündete*r, sondern hat letztlich nur die Bestätigung der eigenen Macht gesucht, um sich dabei gleichzeitig als eine*r der “Guten” zu fühlen.  

Nein, Potter-Head sein ist nicht transfeindlich

Um es einmal ganz klar und deutlich zu sagen: Natürlich ist niemand transfeindlich, wenn sie*r ein Spiel kauft, das problematisch ist. Gut wäre es aber, wie bei anderer Kunst mit problematischem Hintergrund, dies kritisch zu reflektieren und sich vor allem des Privilegs bewusst zu sein, die problematischen Aspekte im Zweifel ignorieren zu können.  

Von “cancel culture” zu reden, wenn die Machtverhältnisse deutlich zuungunsten der angeblichen “Canceller” verteilt sind, ist nicht nur faules Framing mit Hoffnung auf wohlfeilen Applaus der “Man wird ja wohl noch sagen dürfen”-Blase, sondern auch einfach nur zynisch. Wie so oft gilt in Debatten die zentrale Forderung: Redet nicht ständig nur über die Kämpfe Betroffener, sondern redet mit ihnen, gebt ihnen eine Stimme.