Die innerbritischen Kontrollen sollen auf ein Minimum reduziert werden - doch Experten nennen die Einigung mit der britischen Zentralregierung symbolisch. Die Zeitung «Belfast Telegraph» kommentierte, die DUP habe ihr Ziel verfehlt und verkaufe ihre Niederlage als Sieg.
Eine Chance auf ein vereinigtes Irland?
O'Neills Amtsübernahme gilt als historischer Durchbruch für den irischen Nationalismus. «Der heutige Tag öffnet die Tür zur Zukunft», sagte die 47-Jährige. Zuvor hatte Sinn-Fein-Präsidentin Mary Lou McDonald gesagt, ein geeintes Irland rücke «in greifbare Nähe». Auch in der Republik Irland ist die Partei, die einst als politischer Arm der Terrororganisation IRA galt, laut Umfragen stärkste Kraft. Dort verhindern aber zwei liberal-konservative Parteien mit einer Koalition eine Regierungsbeteiligung.
In Umfragen ist die Skepsis auf nordirischer Seite bisher groß. Die Zeitung «Irish Times» ermittelte Ende 2023, dass sich dort bei einem Referendum nur 30 Prozent für die Vereinigung aussprechen würden, aber 51 Prozent dagegen. In Irland liegt die Zustimmung bei knapp zwei Dritteln. Grundsätzlich strebt auch die irische Führung einen Zusammenschluss an. «Ich glaube, dass es ein vereintes Irland zu meinen Lebzeiten geben wird», hatte Regierungschef Leo Varadkar im September gesagt - und scharfe Kritik aus London ausgelöst.
Die Demografie spricht für die Republikaner. Erstmals leben mehr Katholiken in Nordirland als Protestanten, wie eine Volkszählung von 2021 gezeigt hat. Stand jetzt sieht es nicht danach aus, dass sich das wieder ändert. Dabei war das Gebiet 1921 nach dem irischen Bürgerkrieg ausdrücklich als Heimstätte für diejenigen gegründet worden, die weiterhin Teil Großbritanniens sein wollten - und das waren in der Mehrheit Protestanten.
Brexit und die Folgen
Umso intensiver beharren die Unionisten, die sich als Briten und nicht als Iren sehen, mittlerweile auf ihren Positionen, wie Experten meinen. Aus Protest gegen die Brexit-Kontrollen hatten militante Loyalisten auch Busse angezündet.
Ziel der bisherigen Regelung zwischen Großbritannien und EU war, nach dem Brexit eine «harte Grenze» zwischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland zu vermeiden, um keine neuen Konflikte zu schüren. Doch die Umsetzung führte teilweise zu Engpässen bei Lebensmitteln, Medikamenten oder Gärtnereiprodukten. Haustiere konnten nicht mehr mit in den Urlaub nach Großbritannien genommen werden. Loyalisten fürchteten, dass die Kontrollen die Union mit Großbritannien gefährden.
Die meisten Parteien in Nordirland begrüßten die Rückkehr der DUP ins «power-sharing», also die Teilung der Macht. Doch Hardcore-Unionisten sind nicht überzeugt. Sie kritisieren, Nordirland sei weiterhin von den Gesetzen der EU abhängig, zu deren Binnenmarkt die Region de facto auch nach dem Brexit gehört. Auch die «Inthronisierung» von O'Neill kritisieren sie. «Wir haben eine Sinn-Fein-Regierungschefin, aber nicht in meinem Namen oder dem Tausender anderer Unionisten», sagte der Chef der Partei Traditional Unionist Voice, Jim Allister.