War DHL-Flugzeugabsturz in Litauen ein "hybrider Angriff"? Scholz äußert sich

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Kurz vor der Landung in Vilnius stürzt ein Frachtflugzeug ab, das im DHL-Auftrag in Leipzig startete. Einen Tag später sind noch immer viele Fragen offen. Warum ist die Maschine aus Deutschland vor dem Flughafen Vilnius verunglückt?

Update vom 26.11.2024: Suche nach Ursache für Flugzeugabsturz in Litauen geht weiter

Nach dem Absturz eines Frachtflugzeugs in Litauen laufen die Ermittlungen zur Ursache. Für konkrete Antworten ist es aber nach Angaben der Behörden noch zu früh. Hinweise darauf, dass Sabotage oder ein Terrorakt den Absturz der Swift-Air-Maschine verursacht haben könnte, die im Auftrag von DHL von Leipzig nach Vilnius unterwegs war, gebe es bisher nicht. Was genau geschah, ist weiter unklar. Nicht ausgeschlossen wird, dass Russland etwas damit zu tun haben könnte. 

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte im ZDF-"heute journal" auf die Frage einer möglichen russischen Beteiligung: "Wir gucken uns das genau an, wir können das gegenwärtig nicht sagen". Er fügte hinzu: "Es könnte so sein." Auch in Deutschland seien derzeit Formen sogenannter hybrider Kriegsführung festzustellen. "Deshalb muss das auch genau untersucht werden." Ein Schuldiger werde jedoch erst benannt, wenn dies nachvollziehbar bewiesen sei.

Vier Menschen befanden sich an Bord des Flugzeugs, das kurz vor der geplanten Landung in der Nähe des Flughafens in einem Wohngebiet zu Boden stürzte und zerschellte. Ein Mitglied der Crew starb beim Absturz am Montagmorgen (25. November 2024), drei weitere, darunter ein Deutscher, befinden sich in medizinischer Behandlung in einem Krankenhaus. Bei mindestens einem Besatzungsmitgliedsoll der gesundheitliche Zustand laut Medienberichten ernst sein.

Befragung von überlebenden Besatzungsmitgliedern sollen Erkenntnisse liefern

Die überlebenden Crewmitglieder könnten den Ermittlern entscheidende Hinweise zur Absturzursache liefern. Laut Polizeichef Arunas Paulauskas konnte bereits im Krankenhaus mit einem der Verletzten gesprochen werden. Es habe demnach keine Anzeichen für ungewöhnliche Aktivitäten an Bord oder im Inneren des Flugzeugs gegeben, sagte er am Abend im litauischen Fernsehen. Es scheine, als ob der Flug routinemäßig verlaufen sei, bis es zum Aufprall kam.

Auch soll die Suche nach dem Paulauskas zufolge noch nicht geborgenen Flugschreiber weitergehen, die sich in den Überresten der völlig zerstörten Maschine befinden soll. Die sogenannte Black Box könnte zur Klärung des Unglücks beitragen. Das Flugzeug stürzte wenige Kilometer vor dem Flughafen ab. Auch die Untersuchung der Anflugsysteme des Airports durch die polnische Flugsicherung, die nach dem Absturz im Zuge einer bereits zuvor geplanten Routineüberprüfung erfolgt ist, könnte weitere Erkenntnisse liefern.

Experten aus dem Ausland werden sich laut der litauischen Behörden an den Ermittlungen beteiligen. Aus Deutschland werden vier, aus Spanien zwei und aus den USA zwölf Experten erwartet, darunter fünf vom Flugzeughersteller Boeing. Laut Swift Air handelte es sich bei der Unglücksmaschine um eine Boeing 737-400. Die Trümmer der Maschine waren den Angaben der Behörden zufolge mehrere Hundert Meter weit geschlittert und beschädigten ein Wohnhaus. Verletzte gab es dabei nicht.

Politiker verlangen volle Aufklärung

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock forderte eine vollständige Aufklärung des Absturzes und erklärte, dass die Behörden beider Länder "in alle Richtungen" ermitteln würden. Neben einem technischen Versagen zog sie auch die Möglichkeit eines absichtlichen Absturzes in Betracht. In Europa habe es zuletzt mehrfach "hybride Angriffe" auf Einzelpersonen oder Infrastruktur gegeben, sagte die Grünen-Politikerin, auch im Hinblick auf die jüngsten Beschädigungen zweier Datenkabel in der Ostsee.

DHL hat nach eigenen Angaben bislang keine Hinweise auf verdächtige Pakete an Bord der Maschine gefunden. Auch das Bundesverteidigungsministerium besitzt nach Aussagen von Minister Boris Pistorius keinerlei Hinweise auf einen möglichen Sprengsatz. Der SPD-Politiker forderte eine erhöhte Achtsamkeit bei bestimmten Frachtsendungen. "Gleichzeitig wissen wir auch, dass es in diesem Feld wohl keine hundertprozentige Sicherheit gibt. Aber die Lücken, die es gibt, die man erkennt, müssen geschlossen werden", führte der Minister aus und betonte: "Das weiß sowohl die zivile Luftfahrt als auch die militärische."

Der Absturz des Flugzeugs wirft auch deshalb Fragen auf, weil die deutschen Sicherheitsbehörden Ende August vor "unkonventionellen Brandsätzen" gewarnt hatten, die über Frachtdienstleister verschickt wurden. Diese Warnung wurde in Sicherheitskreisen mit einem Vorfall im DHL-Logistikzentrum Leipzig in Verbindung gebracht, wo im Juli ein Paket aus dem Baltikum einen Brandsatz enthielt. Basierend auf den Ermittlungen kam es auch in Litauen zu Festnahmen, die Anfang des Monats von der Generalstaatsanwaltschaft in Vilnius bestätigt worden waren.

Update vom 25.11.2024, 12.15 Uhr: Deutsche Behörden untersuchen Absturz der DHL-Maschine

Der Tote bei dem Absturz eines Frachtflugzeugs im Auftrag des Postdienstleisters DHL ist spanischer Staatsbürger. Das bestätigte ein Vertreter der Polizeibehörde der litauischen Nachrichtenagentur Elta am Montagvormittag (25. November 2024). Die übrigen Insassen des Flugzeugs - ein Deutscher, ein weiterer Spanier und ein Litauer - seien verletzt worden. Über den gesundheitlichen Zustand der Verletzten machten die Behörden zunächst keine weiteren Angaben. Zum Alter der Insassen gebe es noch keine gesicherten Informationen, erklärte die Polizei.

In den frühen Morgenstunden war das Flugzeug der spanischen Swift Air nahe dem Flughafen der litauischen Hauptstadt Vilnius abgestürzt. Es stürzte unmittelbar neben einem Wohngebäude ab, in dem die Menschen noch schliefen. Die Rettungskräfte erhielten um 5.31 Uhr Ortszeit die Meldung über den Absturz. Swift Air sei unter Vertrag für DHL tätig, bestätigte der Postdienstleister. Die Maschine sei auf dem Weg von Leipzig nach Vilnius gewesen, und habe etwa einen Kilometer vor dem Flughafen eine Notlandung einleiten müssen. "Unsere Gedanken sind bei ihnen und ihren Angehörigen", sagte ein DHL-Sprecher.

Nach Angaben der Vertriebs- und Marketingleiterin von DHL Litauen handelte es bei dem Flugzeug um eine Boeing 737. Transportiert habe die Maschine Pakete für Kunden, sagte sie der Nachrichtenagentur BNS. Auf Bildern von der Unfallstelle waren vereinzelt Pakete und kaputte Kartons zu sehen. Das Flugzeug sei völlig zerstört, sagte eine Sprecherin des litauischen Rettungsdienstes der Nachrichtenagentur Elta.

Was führte zu dem Unglück?

Die Ermittlung zur Absturzursache werden laut des litauischen Polizeichefs einige Zeit in Anspruch nehmen. Die Untersuchung der Absturzstelle, die Sammlung von Beweisen und Informationen sowie von Gegenständen könne bis zu einer Woche dauern. "Diese Antworten werden nicht so schnell kommen", erklärte Arunas Paulauskas am Morgen während einer Pressekonferenz.

Das Flugzeug habe versucht zu landen und die Landebahn nicht erreicht, berichtete Paulauskas. Seitens DHL hieß es, die Maschine habe vor dem Flughafen eine Notlandung einleiten müssen. Der Absturz sei laut Paulauskas "höchstwahrscheinlich auf einen technischen Fehler oder ein menschliches Versagen zurückzuführen". Auf die Frage, ob es sich auch um einen Terroranschlag gehandelt haben könnte, dass ein solches Szenario nicht auszuschließen sei. "Dies ist eine der Versionen des Absturzes, die untersucht und überprüft werden müssen. Es liegt noch viel Arbeit vor uns."

Der Chef des litauischen Nachrichtendienstes, Darius Jauniskis, sagte laut litauischen Medien: "Zum jetzigen Zeitpunkt ist es nach unserem Kenntnisstand wahrscheinlich zu früh, um den Vorfall mit irgendetwas in Verbindung zu bringen oder ihm irgendwelche Zuschreibungen zu geben." Dazu lägen auch keine vorläufigen Informationen vor. Auch er sagte, die Möglichkeit von Terrorismus könne aber nicht ausgeschlossen werden. Jauniskis versicherte außerdem, dass man auch mit ausländischen Partnern zusammenarbeite.

Zeugen berichten von Absturz

Der Leiter des litauischen Rettungsdienstes, Renatas Pozela, erklärte, dass das Frachtflugzeug wenige Kilometer vor dem Flughafen abgestürzt, mehrere hundert Meter weit gerutscht sei und seine Trümmer ein Wohnhaus getroffen hätten. Das Haus bestehe aus zwei Etagen und vier Wohnungen. Drei Familien hätten dort gelebt. Alle zwölf Bewohner befänden sich in Sicherheit.

Eine Frau, die in der Nähe des betroffenen Hauses wohnt, berichtete im litauischen Rundfunk, dass sie am frühen Morgen durch ein Geräusch geweckt worden sei: "Ich habe im Schlaf ein Geräusch gehört, ich schaue aus dem Fenster – alles war rot und voller Funken". Sie sei sofort losgerannt, um zu sehen, ob jemand Hilfe brauche. Sie stehe unter Schock: "Schrecklich, schrecklich" sei das Ganze. 

Ein Nachbar erzählte, dass er am frühen Morgen einen Lichtblitz im Hof gesehen habe: "Es gab einen Blitz. Den Aufprall selbst habe ich nicht gesehen, aber der Blitz war sehr hell, er erleuchtete den ganzen Hof, und er war etwa einen Kilometer von mir entfernt. Und dann erschien das Feuer und es gab eine Menge Rauch."

Deutsche Sicherheitsbehörden warnten

Der litauische Verteidigungsminister Laurynas Kasciunas sagte, erst, nachdem die ermittelnden Beamten mit den überlebenden Besatzungsmitgliedern gesprochen und den Flugschreiber ausgewertet hätten, werde klar sein, was geschehen sei. Auch die Sicherheitsbehörden in Deutschland ermitteln. Dazu stehe man "im engen Austausch mit den beteiligten Stellen im In- und Ausland, um den Sachverhalt schnellstmöglich aufzuklären", hieß es in deutschen Sicherheitskreisen. 

Ende August hatten deutsche Sicherheitsbehörden vor "unkonventionellen Brandsätzen"gewarnt, die von Unbekannten über Frachtdienstleister verschickt werden. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und das Bundeskriminalamt (BKA) sendeten damals einen entsprechenden Warnhinweis an Unternehmen aus der Luftfahrt- und Logistikbranche. 

Die Warnung wurde in Sicherheitskreisen mit einem Vorfall im DHL-Logistikzentrum Leipzig in Verbindung gebracht, das als weltweites Drehkreuz des Unternehmens fungiert. Im Juli soll dort ein aus dem Baltikum verschicktes Paket Feuer gefangen haben, das einen Brandsatz enthielt. In Sicherheitskreisen wurde ein Zusammenhang mit zunehmenden Fällen russischer Sabotage in Deutschland nicht ausgeschlossen.

Ursprungsmeldung vom 25.11.2024, 8.37 Uhr: Frachtflugzeug im DHL-Auftrag stürzt in Litauen ab

Ein in Leipzig gestartetes Frachtflugzeug, das im Auftrag des Postdienstleisters DHL unterwegs war, ist am frühen Montagmorgen (25. November 2024) unweit des Flughafens der litauischen Hauptstadt Vilnius abgestürzt. Dabei kam mindestens eine Person ums Leben, wie die Nachrichtenagentur BNS unter Berufung auf eine Sprecherin des Rettungsdienstes berichtete. Zahlreiche Einsatzkräfte seien vor Ort im Einsatz.

Nach vorläufigen Informationen wurden die Rettungskräfte um 5.28 Uhr Ortszeit über den Absturz informiert. Ersten Angaben zufolge befanden sich vier Personen an Bord der Maschine. Eine Person sei tot, drei weitere seien verletzt in ein Krankenhaus gebracht worden.

Es werde geprüft, ob "technische Probleme" die Ursache des Absturzes waren, erklärte der Leiter des Nationalen Krisenmanagementzentrums im litauischen Rundfunk. Er betonte jedoch, dass es für genaue Aussagen noch zu früh sei. Das Frachtflugzeug stürzte ihm zufolge in der Nähe eines Wohngebäudes ab. Bürgermeister Valdas Benkunskas sagte, die Maschine habe das Wohnhaus "durch Zufall" verfehlt und sei in den Hof gestürzt. Nach dem Vorfall brach ein Feuer aus, das Gebäude wurde evakuiert. Insgesamt wurden zwölf Bewohner aus dem Haus gebracht.

Deutsche Sicherheitsbehörden warnten

Ein Journalist des litauischen Rundfunks berichtete vom Unfallort im Stadtteil Liepkalnis, dass viele Teile des Flugzeugs herumgeschleudert worden seien. Das Gebiet ist seinen Angaben zufolge dünn besiedelt - es gibt dort nur einige einzelne Häuser.

Der Chef der litauischen DHL-Tochterfirma bestätigte dem litauischen Rundfunk, dass die Maschine einem Auftragnehmer des Unternehmens gehörte. Die Ursache des Unfalls sei noch ungeklärt.

Ende August war bekannt geworden, dass deutsche Sicherheitsbehörden vor "unkonventionellen Brandsätzen" warnen, die von Unbekannten über Frachtdienstleister verschickt werden. Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und das Bundeskriminalamt (BKA) hatten damals entsprechende Warnhinweise an Unternehmen aus der Luftfahrt- und Logistikbranche gesendet.

Russland in Warnung nicht explizit erwähnt

Die Warnung wurde unter anderem mit einem Vorfall im DHL-Logistikzentrum Leipzig in Verbindung gebracht, das global als Hub des Unternehmens dient. Dort soll im Juli ein aus dem Baltikum verschicktes Paket Feuer gefangen haben, das einen Brandsatz enthielt.

In der Warnung von BfV und BKA wurde Russland nicht explizit erwähnt. Trotzdem wird in Sicherheitskreisen ein Zusammenhang mit der zunehmenden Anzahl an russischen Sabotageakten in Deutschland in Betracht gezogen. 

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Vorschaubild: © Mindaugas Kulbis/AP/dpa