Polens Ministerpräsident Donald Tusk sagte nach dem Treffen laut Mitteilung, er habe zum ersten Mal von den amerikanischen Verhandlungsführern gehört, dass die USA sich in einer Form für die Sicherheit der Ukraine einsetzen wollten, «die den Russen keine Zweifel lässt, dass die amerikanische Antwort militärischer Natur sein wird, sollten sie die Ukraine erneut angreifen.»
US-Präsident Trump sagte in Washington, man sei jetzt «näher» als bisher an einer Lösung. Er habe Gespräche mit den Europäern und Selenskyj geführt. «Es scheint gut zu laufen.» Zugleich schränkte der US-Präsident ein: «Das sagen wir schon seit langem, und es ist eine schwierige Angelegenheit.»
Selenskyj scheint sich damit abgefunden zu haben, dass ein Nato-Beitritt unrealistisch ist. Nun geht es darum, wie man eine Beistandsgarantie der Nato-Staaten hinbekommt, die Artikel 5 des Nato-Vertrags ähnelt. Danach wird ein Angriff auf einen Staat wie ein Angriff auf alle behandelt. Was das nun im Einzelnen bedeuten kann, ist aber noch ziemlich unklar.
An welcher Stelle gab es keine Fortschritte?
Bei der schwierigsten Frage möglicher Gebietsabtretungen der Ukraine an den Angreifer Russland. Selenskyj sprach von weiterhin «unterschiedlichen Positionen» der Kriegsparteien und äußerte die Hoffnung, dass die USA als Vermittler einen Konsens herbeiführen könnten. Es gibt zwar Lösungsansätze, aber wirkliche Bewegung ist auch nach dem Treffen in Berlin nicht in Sicht.
Zu Russlands Kernforderungen für einen Waffenstillstand gehört, dass die Ukraine im Gebiet Donezk auch jene für die Verteidigung des Landes strategisch wichtigen Städte aufgibt, die Russland bisher nicht erobern konnte. Selenskyj lehnte solche Geschenke an den «Aggressorstaat» ab und verweist auf die Verfassung des Landes, die solche Gebietsabtretungen nicht zulässt.
Wie geht es jetzt weiter?
Die USA werden die Ergebnisse jetzt wieder mit Russland rückkoppeln, das in Berlin nicht mit am Tisch saß. Wann und wie das erfolgen wird, ist noch unklar. Der hochrangige US-Beamte erwähnte auch ein Treffen mit Arbeitsgruppen und Militärangehörigen am Wochenende «vielleicht» in Miami im US-Bundesstaat Florida - es blieb aber unklar, ob das ein rein US-interner Termin sein soll oder ob auch andere Länder daran beteiligt sein sollen.
Welche russische Reaktion ist zu erwarten?
Von offizieller Seite gab es aus Russland bis zum späten Abend keine Reaktionen auf die Erklärungen der Europäer und der Amerikaner zu den Gesprächen mit Selenskyj. Allerdings hatte der Kreml bereits vor Beginn der Verhandlungen erklärt, dass von den europäischen Verbündeten der Ukraine bei den Verhandlungen «kaum etwas Gutes» zu erwarten sei und schon bisherige Vorschläge aus der EU für Russland unannehmbar gewesen seien.
So lehnte Russland den Einsatz von Truppen aus Nato-Staaten zur Überwachung eines Waffenstillstands bislang kategorisch ab und warnte, dass Truppen des Militärbündnisses als militärisches Ziel gesehen und vernichtet würden. Auch ein von Selenskyj vorgeschlagene Referendum zu den von Russland geforderten Gebietsabtretungen, das die Europäer unterstützen würden, stieß in Moskau auf Ablehnung.
Putins außenpolitischer Berater Juri Uschakow stellte es so dar, dass es sich um russisches Territorium handele. Russland hatte die vier Gebiete Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson zwar schon annektiert, kontrolliert sie aber bis heute nicht komplett, und international anerkannt wird diese Annexion ohnehin nicht.
Was haben die Europäer zu regeln?
Den Europäern steht der schwierigste Teil der Woche noch bevor. Am Donnerstag soll eine Entscheidung über die Nutzung des in der EU eingefrorenen russischen Staatsvermögens von etwa 185 Milliarden Euro fallen. Dabei geht es um sehr viel – für die EU, die Ukraine und auch für Merz persönlich.
Der Kanzler hat sich an die Spitze der Befürworter eines solchen Schrittes gesetzt. Für ihn ist es die erste große Bewährungsprobe als Führungspersönlichkeit in Europa. Er erhöhte daher am Montag noch einmal den Druck und erklärte die Entscheidung zur «Schlüsselfrage» für die EU: Bei einem Nein sei die Handlungsfähigkeit Europas über Jahre «massiv beschädigt».
Für die Ukraine würde ein Nein bedeuten, dass die Unterstützung der Verbündeten nach und nach versiegen würde. Und bei US-Präsident Trump gibt es ohnehin keinerlei Bereitschaft mehr, für den Krieg Geld auszugeben.
Putin wird die Entscheidung genau verfolgen. Der Kreml warnt vor weitreichenden Folgen eines solchen «Diebstahls» und droht mit Gegenmaßnahmen. Aus russischer Sicht dürfte das auch die Chancen für einen Waffenstillstand zerschlagen.
Ist ein Waffenstillstand vor Weihnachten möglich?
Eher nicht. Aber Kanzler Merz forderte Putin auf, die Waffen wenigstens über die Feiertage ruhen zu lassen. «Vielleicht hat die russische Staatsführung einen Rest an menschlichem Anstand und lässt wenigstens die Bevölkerung über Weihnachten mit diesem Terror einmal für ein paar Tage in Ruhe.»