Misstrauensvoten in der Kritik
Auch wenn von der Leyens politische Gegner ihr mit den Manövern de facto wohl nicht gefährlich werden können - ein Schlaglicht auf ihre Kritikpunkte richten sie mit den Misstrauensvoten allemal. Der Chef der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber (CSU), kritisiert, Parteien von extrem links und rechts versuchten, innenpolitische Konflikte auf dem Rücken der EU-Stabilität auszutragen. «Das ist unverantwortlich», teilte er mit. Alle Demokraten müssten sich klar diesen extremistischen Spielchen entgegenstellen.
Der Chef der Europa-SPD, René Repasi, sagte: «Frau von der Leyen hat in ihrer Rede im September rhetorisch klargemacht, dass sie den Ernst der Lage verstanden hat.» Die Kommissionspräsidentin müsse die Zeit bekommen, um zu zeigen, dass sie auch liefere. «Daran werden wir sie messen», so Repasi. Die SPD werde den inflationären Gebrauch des Misstrauensvotums nicht stützen.
Die Co-Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament, Terry Reintke, teilte mit, dass in der aktuellen geopolitischen Krisensituation eine zusätzliche institutionelle Krise die europäische Einheit untergrabe.
Vorwürfe zur Corona-Politik
Das Misstrauensvotum im Juli wurde unter anderem mit den Vorwürfen begründet, dass Informationen zu in der Corona-Krise ausgetauschten Textnachrichten zwischen von der Leyen und dem Chef des US-Pharma-Konzerns Pfizer zurückgehalten worden seien.
Misstrauensanträge gegen die Kommission sind eigentlich selten. Vor dem Antrag im Juli waren Rechtspopulisten im Jahr 2014 mit einem Misstrauensantrag gegen die damalige EU-Kommission um Jean-Claude Juncker gescheitert. Bei der Abstimmung damals votierten lediglich 101 Abgeordnete für den Vorstoß aus dem EU-kritischen Lager. 461 lehnten ihn ab, 88 enthielten sich.
Zum Rücktritt einer EU-Kommission führte lediglich ein drohender erfolgreicher Misstrauensantrag im Jahr 1999. Damals stellte eine von Jacques Santer geführte Kommission ihre Posten vorsorglich zur Verfügung, nachdem ein Bericht über Betrug, Missmanagement und Vetternwirtschaft vorgelegt worden war.