"Beschissene Situation": Skandinaviens Deutschland-Wut und Söders Atompläne
Autor: Robert Wagner
Europa, Freitag, 13. Dezember 2024
Die Preise an der Strombörse schießen in die Höhe. Aus Norwegen und Skandinavien kommen Vorwürfe Richtung Deutschland. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder will tschechischen Atomstrom. Der Blick auf die verwirrende Gemengelage am Strommarkt.
Norwegens Energieminister Terje Aasland spricht in der Financial Times von einer "absolut beschissenen Situation". Schwedens Energieministerin Ebba Busch kritisierte auf X die Abschaltung deutscher Atomkraftwerke. In Teilen Europas ist eine neue Diskussion um die Energieproduktion entfacht. Auch Markus Söders Besuch in Prag reiht sich in diese Debatte ein. Doch um was geht es eigentlich?
Das wird klar, wenn man sich die Preise an der Epex-Strombörse ansieht. Dort wird der Strom für Deutschland, Österreich, Frankreich und die Schweiz sowie Teile Skandinaviens gehandelt. Der Handel findet mehr oder weniger live statt, die Preise schwanken im Stundentakt. Und zuletzt schwankten sie massiv - vor allem in eine Richtung: nach oben.
Norwegen und Schweden: Stromhandel nur wenn er sich lohnt
Tatsächlich stieg der Preis Netto-Durchschnittspreis am vergangenen Donnerstag, dem 12.12.2024, laut Vattenfall auf knapp 40 Cent pro Kilowattstunde: Der höchste Wert seit Juni, als ein technischer Fehler an der Börse die Preise in die Höhe trieb.
Grund für den aktuellen Preissprung ist laut Experten eine Dunkelflaute: Der Mangel an Sonne und Wind führt dazu, dass zeitweise wenig Sonnen- oder Windenergie erzeugt werden kann. Bei gleichbleibender Nachfrage steigt der Strompreis dann an.
Durch die integrierte Strombörse trifft dies auch Länder wie Norwegen. Das skandinavische Land produziert einen überwiegenden Teil des Stroms aus Wasserkraft - es sind fast 90 Prozent. Trotz dieser stabilen Stromquelle steigen die Strompreise durch den Anschluss an die europäische Strombörse nun auch in Norwegen. Genau deshalb sprach sich Terje Aasland eben für ein Aussteigen aus der Börse und ein neu verhandeln der Energiepartnerschaft mit Deutschland und Großbritannien aus: Zwar möchte man durchaus Strom mit anderen Ländern handeln, aber möglichst zu relativ fixen Preisen. Der billige Strom aus Wasserkraft soll zuerst im eigenen Land verkauft werden, nur die überschüssige Energie soll an der Börse verkauft werden.
Ziel sind stabile, nicht niedrige Preise
Wenn dies, wie beispielsweise von der Bild-Zeitung, so interpretiert wird, dass die Abschaltung der Atomkraftwerke zu einem Anstieg der Strompreise geführt hat, geht das am Kern der Sache vorbei: Tatsächlich ist nicht die Höhe des Strompreises das Problem, sondern die Schwankung desselben.
Durch den in Deutschland mittlerweile über 50 Prozent liegenden Anteil von Erneuerbaren Energien am Strommix wird zeitweise mehr Strom erzeugt, als benötigt wird. Was in den vergangenen Monaten teilweise zu negativen Preisen an der Strombörse geführt hat. Man bekam an der Börse also noch Geld, wenn man Strom abnahm. In Phasen einer Dunkelflaute wie jetzt müssen jedoch andere Stromlieferanten als Wind und Sonne einspringen: Kohle-, Gas-, Wasser oder eben Atomenergie.