An Bord waren neben Stockton Rush auch Tauchboot-Pilot Karl Stanley sowie Petros Mathioudakis, ein Techniker für Unterwasser-Laserscanner. Die drei Männer tauchten mit dem U-Boot ab. Schon nach kurzer Zeit hörten sie beunruhigende Geräusche: "Es war extrem laut, wie ein Pistolenschuss", erinnert sich Mathioudakis und stellt klar: "Man sollte so ein Geräusch nicht in einem Tauchboot hören!"
Auch Karl Stanley war nach den Tauchgang höchst alarmiert. Er war sich sicher, dass es sich bei den Knall-Geräuschen um Materialversagen der Kohlefasern handelte. Und er geht noch weiter: "Ich bin mir sicher, dass wir nur knapp vor einer Implosion standen", so Stanley. Stockton Rush wollte davon nichts wissen, beteuerte immer wieder, solche Geräusche seien bei einem Tauchgang völlig normal.
Das betonte er auch im Gespräch mit dem Discovery-Journalisten Josh Gates. Als die beiden in einem früheren Interview auf den Bahamas-Tauchgang zu sprechen kamen, entgegnete Rush: "Ich zeige Ihnen mal, wie es sich anhört, wenn die Kohlefasern versagen und man nicht mehr viel Zeit hat" und spielte eine Audio-Aufnahme des Vorfalls ab. "Und dann sind Sie schnell wieder aufgetaucht?", hakt Gates nach. "Nein, ich bin weiter heruntergegangen. Warum auch nicht?" Eine vielsagende Antwort von Rush, die den Journalisten nachhaltig schockierte: "Das war für mich kein Alarmsignal, sondern Alarmstufe Rot." Rush wollte sein Ziel erreichen, "komme was wolle", so Gates im ZDF-Film.
Das gesamte Ausmaß des Schadens wurde erst durch eine anschließende Inspektion bekannt. Das Tauchboot wies einen Riss auf. Dieser zog sich laut Tony Nissen, dem Technischen Direktor, einmal über den gesamten Druckkörper. Man habe erst versucht, die Schäden abzuschleifen, doch das Boot sei, so Nissen, nicht mehr einsatzfähig gewesen. Er erklärt weiter: "Stockton wollte, dass ich als Pilot die 'Titanic'-Mission leite, und ich sagte: 'Da steige ich nicht ein.' Ich habe Stockton nicht vertraut."
"Titan"-Trümmer wurden nahe dem Wrack der "Titanic" gefunden
2020 begann der Wiederaufbau des Tauchbootes, wieder aus Kohlefaser. Und auch dieses Mal dauerte es nicht lange, bis es Warnsignale gab. Bei Tauchgang 80 gab es einen lauten Knall, eine sogenannte "Delamination" bei der die Kohlefasern beschädigt wurden, erklärt Lieutnant Commander Katie Williams von der Küstenwache. Sie stellt klar: "Jeder, der nach Tauchgang 80 an Bord der 'Titan' ging, riskierte sein Leben".
Und dennoch entschied sich am 18. Juni 2023 die Gruppe aus "Titanic"-Experte Paul-Henri Nargeolet (77), dem britischen Abenteurer und Unternehmer Hamish Harding (58), dem pakistanischen Geschäftsmann Shahzada Dawood (48) und dessen Sohn Suleman Dawood (19) sowie Stockton Rush selbst, die Fahrt zum "Titanic"-Wrack zu wagen.
Ein Schiff fuhr die "Titan" von St. John in Canada 700 Kilometer vor die Küste, dort, wo auf dem Meeresboden das Wrack der "Titanic" liegt. Um 9.14 Uhr begann die Kapsel ihre Tauchfahrt. Weniger als zwei Stunden später brach die Kommunikation zum Tauchboot ab. Eine fieberhafte Suche begann, die nach vier Tagen traurige Gewissheit lieferte. Die Trümmer der Titan wurden entdeckt. Untersuchungen zeigte, dass das Tauchboot um 10.47 Uhr implodiert war - alle Insassen starben. Übrig blieben nur die Trümmer der Druckkapsel, weniger als 500 Meter entfernt vom Bug der "Titanic".