"Ich bin stolz", sagt Aleksandr über seine Fahnenflucht. Im ARTE-Format "Masha on Russia" sprechen er und ein weiterer russischer Deserteur über ihren Weg aus dem Krieg - und berichten von Gräueltaten, denen abtrünnige Soldaten in "Folterkellern" ausgesetzt seien.
Bereits seit vergangenem Jahr berichtet die russische Exiljournalistin Masha Borzunowa für ARTE über russische Propaganda. In einer neuen Ausgabe des Formats "Masha on Russia" widmet sich die 30-Jährige nun "unbequemen Persönlichkeiten", deren Existenz in den russischen Medien häufig geleugnet werde - denn "offiziell heißt es, dass sich ganz Russland erhoben und zu einer Einheitsfront gegen den Feind zusammengeschlossen hat".
Deserteure wie Aleksandr und Georgi passen da natürlich nicht ins Bild, betont Borzunowa. Für ihre Recherchen trifft sie sich mit den beiden Männern, die seit ihrer Fahnenflucht im Ausland leben.
"Ich war Chefingenieur in einem Bauunternehmen", erzählt Georgi, der inzwischen in Deutschland ein neues Zuhause gefunden hat. Als er 2022 zum Militärdienst eingezogen wurde, habe der dreifache Vater gerade ein drittes Studium absolviert und "das Leben eines normalen Menschen" geführt. "Das Rekrutierungsbüro rief an und sagte, ich solle kommen, um irgendwas zu klären. Viele sind in diese Falle getappt", erinnert er sich. Nur zwei Stunden später habe er seine Militärausbildung antreten müssen.
"Das zerstört den Glauben an die Welt"
Georgi habe "sofort erklärt, dass ich nicht vorhabe, auf jemanden zu schießen". Wie ihm sei es vielen anderen "armen Kerlen" ergangen: "Ich habe mit eigenen Augen Dutzende, wenn nicht Hunderte gesehen, die sich geweigert haben, zu kämpfen." Bei einem Fluchtversuch seien zwei seiner Kameraden getötet worden. "Das war der größte Schock - zu sehen, wie die eigenen Leute auf dich schießen. Das zerstört den Glauben an die Welt."
Im weiteren Verlauf seines Gesprächs mit der Journalistin berichtet Georgi von einem Keller an einer ehemaligen ukrainischen Grenzkontrollstelle. "In diesem Gebäude sind die Grenztruppen untergebracht, und unten ist der Keller. In diesem Keller sitzen Menschen." Bei Letzteren handle es sich um Soldaten, deren Fluchtversuche scheiterten.
Videoaufnahmen zeigen karge Betonwände, auf dem Boden befinden sich Holzpaletten, die teilweise nass zu sein scheinen. "Sie haben die Leute verprügelt und gefoltert. Einmal haben sie uns befohlen, unten aufzuräumen, und dann sah ich, dass die gesamte Kellerdecke voller Blut war", sagt Georgi. Zudem habe es außerhalb des Gebäudes "eine Art Massengrab" zur Abschreckung gegeben: "Dort wurde für diejenigen, die es nicht ausgehalten haben, ein Loch gehoben." Auch der Ingenieur selbst sei einst zu "Erziehungszwecken" in dem Glauben zu der Grube geführt worden, er werde dort erschossen.
Aleksandr ist "stolz" darauf, Deserteur zu sein
Ähnliches berichtet Aleksandr. Dem ehemaligen russischen Offizier zufolge gebe es für Deserteure sowohl an der Front als auch in Russland "Folterkeller", die offiziell als "Zentren zur Unterbringung von Soldaten, die vorübergehend ihre Kampfbereitschaft verloren haben" bezeichnet werden. "Dort wird ihnen alles Mögliche angetan", sagt Aleksandr. "Sie bekommen Stromschläge verpasst, werden gefoltert und mit kaltem Wasser übergossen. Dort werden Hinrichtungen vorgetäuscht und an den Soldaten wird sowohl physische als auch sexuelle Gewalt ausgeübt."