Während die meisten Menschen Schmerzen vermeiden wollen, suchen ihn einige ganz bewusst: Nur an Haken, die durch ihren Körper gebohrt werden, lassen sie sich aufhängen. Eine ARD-Doku taucht in die kleine Suspension-Szene ein und fragt: Wieso muss es wehtun?
Die steril verpackten Haken, die Alex mit in einen Wald im Berliner Stadtteil Karlshorst gebracht hat, erinnern auf den ersten Blick ein wenig an mittelalterliche Folterinstrumente. Doch der tätowierte und gepiercte große Mann ist alles andere als ein Henker: Seit 21 Jahren führt der Spanier sogenannte Suspensions durch.
Dabei lassen sich Menschen an Haken aufhängen, die an ausgewählten Stellen durch ihren Körper gebohrt werden. Reporterin Caro von der Groeben fragt sich: Warum tut man sich das an? In der ARD-Doku "Y-Kollektiv: High durch Schmerz" verbringt sie einen Tag mit einer sogenannten "Body Suspension Crew" und befragt zwei Psychologen.
Suspensions sind keine neue Erfindung einer Randgruppe: In einigen asiatischen Ländern wird beispielsweise das Thaipusam, das Festival des Schmerzes, gefeiert, bei dem sich Menschen Haken durch die Haut bohren. Der Performance-Künstler Stelarc ließ sich in den 70er-Jahren für verschiedene Aktionen ebenfalls an Haken aufhängen.
ARD-Reporterin ist bei einer Suspension dabei: "Plötzlich sieht sie ganz friedlich aus"
Wenn nicht Glaube oder Kunst dahintersteckt, warum tun sich Menschen dann diesen Schmerz an? Alex kennt die Gründe aller Mitglieder in der kleinen Gruppe, die von der Groeben einen Einblick in die Szene gewährt: Manche wollen Grenzen austesten, andere wollen Traumata bewältigen, wieder andere würden es aus Spaß tun, erklärt er. "Ich bin high vom Adrenalin", lacht etwa Maria, die sich an diesem Tag an zwei Haken in ihren Knien aufhängen lässt. Der Körper sorgt selbst für das High: Bei Schmerzen stößt er eigene Opioide aus, die für Glücksgefühle sorgen können.
Um diesen Zustand zu erreichen, genügt jedoch kein kleiner Pieks. Schon das Einsetzen der Haken ist schmerzhaft, denn diese müssen - wortwörtlich - tief unter die Haut gehen. Von da an werden die Schmerzen nur noch mehr: Beim Hochziehen muss selbst Maria, die schon unzählige Male Suspensions gemacht hat, stöhnen. Von der Groeben schlägt bei diesem Anblick die Hände vor dem Mund zusammen. Doch dann: "Plötzlich sieht sie ganz friedlich aus", stellt die Reporterin fest, als Maria schließlich nur an ihren Knien an einem Baum hängt.
Nach zehn Minuten will sie wieder festen Boden unter den Füßen spüren. Langsam wird sie herabgelassen, die Haken werden herausgezogen und die kleinen Wunden desinfiziert. Diese fühlen sich an "wie ein blauer Fleck", erklärt Maria von der Groeben gelassen. Später werden sie zu kleinen Narben, die teilweise kaum zu erkennen sind.
"Für mich ist es auch ein Antidepressiva"
Neben dem High-Gefühl hat Maria noch einen weiteren Grund, warum sie Suspensions macht: In ihrer Jugend habe sie sich immer wieder selbst verletzt, erzählt sie von der Groeben. Mittlerweile tue sie das nicht mehr. "Als ich Suspension entdeckte, war es einfacher für mich, Emotionen zu verarbeiten, mit denen ich mich rumschlage, seitdem ich sehr, sehr jung bin", erklärt sie weiter. Suspension erfülle ihr Bedürfnis nach Schmerz, ganz ohne Scham und Einsamkeit, sondern in einer Community.