Die 20-jährige Anna-Lena wurde von ihrem Ex-Freund getötet. Mit sechs Messerstichen und einem Kehlenschnitt. Die BR-Doku "Morgen bin ich tot - Gewalt gegen Frauen" beschäftigt sich mit der Frage: Wie können Frauen in Deutschland ausreichend geschützt werden?
Anna-Lena aus Genthin in Sachsen-Anhalt lebte monatelang in Angst. Ihr Ex-Freund hatte die Trennung nicht akzeptiert, lauerte ihr auf, verfolgte sie, bedrohte sie - griff sie mit einer Axt an, würgte sie. Anna-Lena erstattete Anzeige, aber es wurde eine lächerlich geringe Kontaktsperre von 25 Metern vor ihrem Haus ausgesprochen. Eine Enttäuschung für die verängstigte Frau.
Die nächste Enttäuschung musste ihre Familie erleben: Als ihr Ex Anna-Lena schließlich auf ihrem eigenen Sofa tötete und vor Gericht gestellt wurde, gab es zwar eine Mordanklage, aber ein Urteil wegen Körperverletzung und Totschlag. 13 Jahre Haft. Nur. "Der läuft bald wieder frei rum und macht weiter, als sei nichts geschehen", sagt Anna-Lenas Mutter Corinna in der leisen, aber aufrüttelnden BR-Doku "Morgen bin ich tot - Gewalt gegen Frauen" von Kira Lorenz und Lisa Wreschniok. "Es zerreißt einen innerlich", sagt Anna-Lenas Mutter. Sie und Anna-Lenas Schwester Liane trauern nicht nur, sie sind auch wütend: "Weil es hätte verhindert werden können."
Anna-Lenas Geschichte ist eine von vielen, macht die Doku von "Report München" deutlich. Denn Gewalt gegen Frauen ist im wahrsten Sinne des Wortes alltäglich. 2024 gab es 265.942 aktenkundige Gewaltdelikte gegen Frauen, 24 Prozent mehr als 2019. Alle zwei Minuten, so sagt das Bundeskriminalamt, geschieht häusliche Gewalt. Fast jeden Tag versucht ein Partner oder Ex-Partner seine Partnerin oder Ex-Partnerin zu töten. Fast jede zweite Frau stirbt dabei.
Häusliche Gewalt: Die Zahlen steigen seit Jahren
Die Zahlen machen fassungslos. Aber Iris Brand aus München sagt: "Es kann jede Frau treffen." Sie weiß es aus eigener leidvoller Erfahrung. "Die Gewalt schleicht sich ein. Das beginnt nicht mit der Faust auf dem Auge", sagt sie. Sie prangert an, dass die deutsche Politik "zu untätig" sei. Sie fordert etwa, dass Femizide immer als Mord eingestuft und mit lebenslanger Haft bestraft werden sollten. "Da könnte sich Deutschland ein Beispiel an anderen Ländern nehmen." Italien etwa, da werde das so gehandhabt. Brand gründete die Initiative #DieNächste, weil "das Phänomen wurde zu lange als Randphänomen abgetan".
Für Lorenz und Wreschniok ist die Tragödie um Anna-Lena der blutrote Faden in ihrer "BR-Story". Sie zeigen auch andere Betroffene, etwa die Sängerin Liän aus München, die von einem Fremden in die Tiefgarage verfolgt wurde, weil der "nur ein bisschen küssen" wollte. Sie zeigte ihn an. Bestraft wurde er nicht. Sie machte die Story öffentlich, denn sie hatte die Belästigung mitgefilmt, und wurde erneut belästigt - diesmal digital: Sie erntete Hass-Nachrichten. "Dir gefällt es doch, von Männern belästigt zu werden" und "Wenn ich dich treffe, mach ich fertig, was er angefangen hat" hieß es unter anderem.
"Die erste Ohrfeige war der Anfang vom Ende"
Was sind das für Männer? Auch dieser Frage gegen Lorenz und Wreschniok nach. Sie besuchten Samira Ciyo, die im Rahmen der Täterarbeit Kurse mit ehemaligen Gewalttätern abhält. Frauen schützen durch die Arbeit mit (und an) den Tätern. In der Doku kommt sogar ein Täter zu Wort. Er habe nur gewollt, "dass sie ruhig bleibt, dass es nicht weitergeht mit den Streitereien." Da habe es die erste Ohrfeige gegeben. "Das war der Anfang vom Ende", sagt der Mann, anynom natürlich. Die Arbeit in dem Täterkurs habe zu einem Sinneswandel geführt. Und zur Erkenntnis: "Ohne den Kurs wäre ich da nicht rausgekommen."
Täter werden, der Fall von Anna-Lena zeigte es auf, zu schlecht überwacht. Ob Anna-Lenas Ex das ausgesprochene Kontaktverbot einhielt, wurde von staatlichen Stellen nicht überprüft. Hier könnte es einen Fortschritt geben. Alma Friedrichs und ihr Team arbeiten in der JVA Weiterstadt in der Überwachungsstation für Fußfesselträger in ganz Deutschland. Neue Technik ermöglicht es, genau zu beobachten, ob ein Fußfesselträger sich dem Menschen nähert, dem er sich per Urteil nicht nähern darf.