Helen Mirren musste lange warten, bis sie ihre größten Erfolge als Filmschauspielerin feiern durfte. Ihre größten Filmrollen spielte sie mit jenseits der 40. Was machte sie aber davor? Eine Rückschau zum 80. Geburtstag der großen britischen Schauspielerin.
Es gibt eine Anekdote aus ihrem Leben, die Helen Mirren immer wieder gerne zum Besten gibt. Als sie noch jung war, in ihren 20ern, habe es eine Phase gegeben, in der sie von Zukunftsängsten und Unsicherheiten getrieben wurde. Da habe sie schließlich eine indische Handleserin aufgesucht, und die sagte ihr voraus, dass sie einmal sehr erfolgreich sein werde. Allerdings, so schränkte die Hellseherin ein, erst später im Leben, wenn sie jenseits der 40 sei.
Sie sei deswegen am Boden zerstört gewesen, so erzählt Mirren die Geschichte weiter, doch es nützte nichts. Sie musste sich gedulden, bis sich der große Erfolg als Filmschauspielerin einstellte und sie ihre bekanntesten Rollen spielte. In Robert Altmans "Gosford Park" (2001) zum Beispiel. Oder in der Filmbiografie "Hitchcock" (2012). In der Fernsehproduktion "Elizabeth I" (2005). Und - natürlich - im Biopic "Die Queen" (2006). Sie musste sich auch gedulden, bis sie die bedeutendsten Preise einfahren sollte, Emmys, Golden Globes, einen Oscar, die Ehrung zur Dame Commander, den Lebenswerk-Preis bei der Berlinale. Nun feiert Mirren, die erfolgreiche britische Schauspielerin, ihren 80. Geburtstag.
Der große Erfolg stellte sich bei Mirren nicht nur spät ein, er kam auch schleichend. Der eine große Durchbruch, der eine Karriere sonst in ein Davor und ein Danach aufteilt, ist bei ihr schwer auszumachen. War es vielleicht die Liebeskomödie "Das Mädchen vom Korallenriff" (1969), wo sie ihre erste große Kinorolle spielte und das gleich unter der Regielegende Michael Powell? Oder der Gangsterfilm "Rififi am Karfreitag" (1980), in dem sie die Frau eines Gangsters (Bob Hoskins) spielte? Oder doch das Fantasy-Epos "Excalibur" (1981) von John Boorman, mit dem sie einem breiten Publikum bekannt wurde?
Zwischen Arthouse-Projekten und Skandalfilmen
Vielleicht ließ der Durchbruch deshalb so lange warten, weil Mirren am Anfang ihrer Karriere eher in Filmen mitwirkte, die man kaum ins Fach Mainstream einordnen würde. "Cal" (1984) zum Beispiel handelt zwar von einer - sonst publikumswirksamen - Romanze zwischen einem IRA-Aktivisten und der Witwe eines protestantischen Polizisten. Doch es ist auch ein ambitioniertes politisches Drama vor dem Hintergrund konfessioneller und sozialer Konflikte in Nordirland.
Oder sie spielte in Filmen, die zu polarisieren verstanden. Wie Tinto Brass' "Caligula" (1979), wo in die Darstellung der Ausschweifungen am Hof des römischen Kaisers auch explizite Sexszenen gemischt sind. Oder die Arthouse-Produktion "Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber" (1989) von Peter Greenaway, die dazu noch inhaltlich harter Tobak war. Mirren verkörpert eine Frau, deren Liebhaber von ihrem brutal-obszönen Mann ermordet wird. Ihr Racheakt: Sie lässt die Leiche von einem Koch zubereiten und serviert dann das Mahl ihrem Gatten zum Dinner.
Vom Theater zum Film
Aber: Ohne die "Segnungen der Jugend", wie der Filmkritiker Michael Althen über den kürzlich verstorbenen Schauspieler Gene Hackman sagte, musste wohlgemerkt nur Mirrens Filmkarriere auskommen. Eine Frühstarterin war sie dagegen als Theaterschauspielerin. Mit 18 schon stand die Tochter einer Engländerin aus der Arbeiterschicht und eines russischen Aristokraten auf der Bühne. Hier spielte sie für die renommiertesten Theaterhäuser Englands, darunter das Old Vic, die größten Rollen - allen voran die Shakespeare-Frauen Cleopatra aus "Antonius und Cleopatra", die die 20-Jährige schlagartig berühmt machte, Rosalind aus "Wie es euch gefällt" und Lady Macbeth aus "Macbeth".
Trotzdem gab Mirren bald doch dem Film den Vorzug, wobei sie sich in ihren ersten Rollen nicht selten hüllenlos zeigte. Wie in "Savage Messiah" (1972), Ken Russells Filmbiografie über den französischen Künstler Henri Gaudier-Brzeska. Von Oberflächlichkeit oder gar Preisgabe feministischer Grundsätze kann hier aber keine Rede sein. Der Grund ist vielmehr pragmatischer Natur: "Es ging ums Überleben als Filmschauspielerin", sagte Mirren 2010 der "Zeit". "Deshalb habe ich mich auch nie geschämt, einen Job des Geldes wegen anzunehmen. Ich sage immer: Ich zog meine Kleider aus, um meine Heizkosten bezahlen zu können."