Viel Streit, Drohungen und ein viel zu fester Handschlag: G7-Gipfel droht zu scheitern

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Trump reist schon fünf Stunden vor dem eigentlichen Ende des G7-Gipfels ab. Es war nicht der einzige Eklat in Kanada. Foto: Michael Kappeler/dpa
Trump reist schon fünf Stunden vor dem eigentlichen Ende des G7-Gipfels ab. Es war nicht der einzige Eklat in Kanada.  Foto: Michael Kappeler/dpa

Trump reist schon fünf Stunden vor dem eigentlichen Ende des G7-Gipfels ab. Es war nicht der einzige Eklat in Kanada.

Der G7-Gipfel in Kanada steht wegen tiefgreifender Differenzen zwischen den USA und den sechs anderen großen Wirtschaftsmächten vor dem Scheitern.

US-Präsident Donald Trump reiste am Samstagmorgen mehr als fünf Stunden vor dem Ende des Treffens ohne eine Annäherung beim Hauptstreitpunkt Handel aus dem Gipfelort La Malbaie ab. Die Sitzung zum zweiten großen Streitthema Klimaschutz sparte sich der US-Präsident.


Selbst Minimalkonsens in Gefahr


Ob es überhaupt die übliche gemeinsame Abschlusserklärung geben wird, war unklar. Die Unterhändler bemühten sich die ganze Nacht vergeblich um eine Einigung auf einen Minimalkonsens. Nach einem Bericht der "New York Times" verwahrte sich die US-Seite sogar dagegen, die Standardformulierung "regelbasierte internationale Ordnung" in ein Abschlussdokument aufzunehmen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wollte auf keinen Fall hinter frühere Gipfelerklärungen zurückfallen. Dann lieber keine Erklärung, lautete ihre Devise.

Trump verließ das Luxushotel "Manoir Richelieu" am Sankt-Lorenz-Strom mit seiner Wagenkolonne gegen 10.00 Uhr, um zu dem Gipfeltreffen mit dem nordkoreanischen Präsidenten Kim Jong Un nach Singapur zu fliegen. Das findet allerdings erst am Dienstag statt.


Trump will nicht über Klimaschutz reden


In La Malbaie schwänzte Trump nicht nur die Arbeitssitzung zum Klimaschutz, sondern auch ein Treffen mit Staats- und Regierungschefs aus etwa zehn Entwicklungs- und Schwellenländern wie Haiti, Ruanda und Argentinien.

Trotz der tiefen Gräben im transatlantischen Verhältnis zeigte er sich vor seinem Abflug zufrieden. Der Gipfel sei "ausgesprochen erfolgreich" verlaufen. Das Verhältnis zu den anderen sechs bewertete er mit der Bestnote 10 auf einer Skala von 1 bis 10. "Das heißt aber nicht, dass ich mit allem einverstanden bin, was sie tun", fügte er vor allem mit Blick auf den Handelsstreit hinzu. "Die Europäische Union ist brutal zu den USA, und sie wissen das. Sie können es selber nicht glauben, dass sie damit davongekommen sind."


Strafzölle und "Vergeltungsmaßnahmen"


Trump hatte kurz vor dem Gipfel Strafzölle auf Aluminium und Stahl aus der EU erlassen. Er warnte die G7-Partner vor Vergeltungsmaßnahmen. Das Beste wäre, sagte er, wenn es überhaupt keine Zölle mehr gäbe: "Keine Zölle und keine Hemmnisse, so sollte es sein. Und keine Subventionen. (...)." Das habe er auch so vorgeschlagen. Damit widerspricht allerdings seiner bisherigen auf Abschottung abzielenden Handelspolitik komplett.

Erneut beklagte der US-Präsident ein seiner Ansicht nach zutiefst ungerechtes System des Welthandels. "Wir sind das Sparschwein, das jeder plündert, und das hört jetzt auf." Am Freitag hatten beim Thema Handel beide Seiten nur ihre unterschiedlichen Sichtweisen ausgetauscht. Immerhin bot EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker an, nach Washington zu reisen, um eine gemeinsame Analyse vorzubereiten und den Handelsstreit friedlich zu lösen. Die Idee sei von Trump positiv aufgenommen worden, hieß es.


Nur wenig Gemeinsamkeiten


Eine Einigung hatten die großen Wirtschaftsmächte am ersten Gipfeltag nur in Einzelfragen erzielt. Sie wollen mit einem gemeinsamen Abwehrsystem gegen Destabilisierungsversuche aus Ländern wie Russland oder China vorgehen. Der sogenannte "Rapid Response Mechanism" (RRM) soll eine koordinierte und deutlich schnellere Reaktion auf Wahlmanipulationen, Propagandaattacken und andere "inakzeptable Handlungen" ermöglichen.

In der Nordkorea-Frage bekräftigten die USA, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan und Kanada erwartungsgemäß ihre gemeinsame Haltung. Nach Angaben von Diplomaten unterstützten alle die von Trump und Japans Ministerpräsident Shinzo Abe vorgestellten Bemühungen für eine unumkehrbare atomare Abrüstung der koreanischen Halbinsel. Dazu soll es am kommenden Dienstag in Singapur ein Treffen von Trump mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un geben.


Mit Russland zurück zu G8?


Die Liste der Streitfragen wurde aber sogar noch länger. Trump erweiterte sie mit dem Vorstoß, Russlands Präsident Wladimir Putin wieder in die Gruppe der großen Wirtschaftsmächte aufzunehmen. Chancen auf Erfolg hat der Vorschlag nicht. Beim Abendessen am Freitag soll Trump dafür gar keine Unterstützung bekommen haben - obwohl der italienische Ministerpräsident Guiseppe Conte zunächst Sympathien dafür geäußert hatte.

Trump blieb trotzdem anschließend bei seiner Haltung: "Ich glaube, die G8 ist eine bedeutendere Gruppe als die G7." Russland war 2002 als Vollmitglied in die G7 aufgenommen worden, die damit vorübergehend zur G8 wurde. 2014 wurde das Land wegen der Annexion der ukrainischen Krim wieder ausgeschlossen.


Schweigen beim Thema Iran und Syrien


Zu einem anderen großen Streitthema war beim Gipfel nicht viel zu hören. Was wird aus dem Atomabkommen mit dem Iran? Die Europäer wollen die Vereinbarung zur Verhinderung einer iranischen Atombombe unbedingt retten, die USA sind ausgestiegen und wollen Teheran mit Sanktionen unter Druck setzen. Sie wollen so auch die Einmischung des Landes in regionale Krisen unterbinden und das iranische Raketenprogramm stoppen. Und noch ein Thema fehlte in La Malbaie: Der seit sieben Jahren andauernde Krieg in Syrien mit Hunderttausenden Toten.

Der französische Präsident Emmanuel Macron twitterte am Samstagvormittag, dass weiter über die Abschlusserklärung verhandelt werde. Gibt es sie nicht, wäre das ein historischer Rückschlag für das Gesprächsformat, dass es seit mehr als 40 Jahren gibt. Für Merkel ist es aber auch nicht das Ende des G7-Formats, wenn Trumps Zustimmung fehlt. Das wäre dann "ein Zeichen der Ehrlichkeit", sagte sie bereits am Freitag.


Macron hinterlässt Spuren auf Trumps Hand

Wie angespannt die Lage ist, zeigte auch der Handschlag zwischen Macron und Trump: Die Handschläge zwischen US-Präsident Donald Trump und seinem französischen Kollegen Emmanuel Macron haben schon in der Vergangenheit immer wieder für Schlagzeilen gesorgt. Bei seinem ersten Europa-Besuch als US-Präsident vor rund einem Jahr schüttelten sich Trump und Macron die Hände so kräftig, dass Beobachtern zufolge ihre Kiefer zusammengepresst waren und ihre Knöchel weiß wurden.

Beim G7-Gipfel führender Wirtschaftsnationen in Kanada hatten sich Trump und Macron schon vor dem Auftakt einen Schlagabtausch per Twitter geliefert. Macrons Händedruck bei einem bilateralen Treffen mit Trump am Freitag (Ortszeit) war dann anscheinend so kräftig, dass danach bei der Live-Übertragung deutlich ein weißer Fingerabdruck auf Trumps rechtem Handrücken zu sehen war. Bilder davon wurden in sozialen Netzwerken von hunderten Menschen geteilt und kommentiert. Macron habe wohl Stärke demonstrieren wollen, interpretierten die meisten.

Trump hat in der Vergangenheit auch schon häufig mit ungewöhnlichen - und von Etikette-Experten als äußerst unhöflich eingestuften - Handschlägen für Aufsehen gesorgt: Mal schüttelt er sehr aggressiv, mal lässt er einfach nicht los, mal zieht er sein Gegenüber mit einem Ruck zu sich, mal tätschelt er die fremde Hand zusätzlich mit seiner Linken.


Viel Streit, wenig Einigkeit - erste G7-Gipfelergebnisse im Überblick

Die Zeiten, in denen die Staats- und Regierungschefs der sieben großen Industrienationen (G7) an einem Strang zogen, sind mit US-Präsident Donald Trump vorbei. Der Streit über Handel, das Abkommen zur Verhinderung einer iranischen Atombombe oder den Klimaschutz überschatteten den G7-Gipfel der USA, Deutschlands, Kanadas, Frankreichs, Großbritanniens, Italiens und Japans im kanadischen La Malbaie nahe Québec. Hier erste Ergebnisse:

HANDEL: Im Handelskonflikt der Europäer, Japaner und Kanadier mit den USA gab es keine Annäherung. Die Gegensätze prallten unversöhnlich aufeinander. Trump verteidigte seine Zusatzzölle auf Stahl- und Aluminiumprodukte und warf anderen G7-Mitgliedern wie Deutschland hohe Handelsüberschüsse vor. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bot an, nach Washington zu reisen, um eine gemeinsame Analyse vorzubereiten und den Handelsstreit friedlich zu lösen. Die Idee soll Trump positiv aufgenommen haben.

NORDKOREA: Der Atomkonflikt schien das einzige Thema zu sein, bei dem sich die G7-Partner einig waren. Nach Angaben von Diplomaten unterstützten alle Partner die von Trump und Japans Ministerpräsident Shinzo Abe vorgestellten Bemühungen für eine unumkehrbare, atomare Abrüstung auf der koreanischen Halbinsel und stärkten Trump damit den Rücken. Der US-Präsident reist vorzeitig direkt von Kanada nach Singapur, wo er am Dienstag mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un zu einem historischen Gipfel zusammentreffen wird.

RUSSLAND: Über den völlig überraschenden Vorstoß von Trump, Russland wieder in die Gruppe der großen Industrienationen aufzunehmen, gab es keine Einigung. Der US-Präsident stand in den Beratungen isoliert da. Der Neuling in der Runde, Italiens neuer Regierungschef Giuseppe Conti, hatte nur anfangs Sympathien für die Idee geäußert, ohne sich dann aber hinter Trump zu stellen. Die G7-Partner erwarten erst Fortschritte im Friedensprozess für die Ukraine. Russland war 2014 nach der Annexion der Halbinsel Krim ausgestoßen worden.

ABWEHR VON MANIPULATIONEN UND PROPAGANDA: Die G7-Staaten gehen gemeinsam gegen Destabilisierungsversuche aus Ländern wie Russland vor. Ein neuer Mechanismus zur schnellen Reaktion (Rapid Response Mechanism - RRM) soll eine koordinierte und deutlich schnellere Reaktion auf Wahlmanipulationen, Propagandaattacken und andere "inakzeptable Handlungen" ermöglichen. Über das neue Abwehrsystem sollen Informationen über solche Angriffe systematisch analysiert und ausgetauscht werden. Im nächsten Schritt würde dann im Idealfall eine koordinierte Reaktion erfolgen, die von Gegenkampagnen bis zu Sanktionen reichen könnte.

IRAN: Zum Streit über den Ausstieg der USA aus dem Abkommen zur Verhinderung einer iranischen Atombombe wurde zunächst nichts bekannt. Deutschland, Großbritannien und Frankreich hatten gemeinsam an die USA appelliert, europäische Unternehmen nicht für Geschäfte im Iran zu bestrafen. Die Europäer wie auch Mitunterzeichner China und Russland wollen an dem Abkommen festhalten. Doch droht Trump ihren Unternehmen mit Sanktionen. Der Iran hatte sich im Gegenzug für wirtschaftliche Lockerungen und mehr ausländische Investitionen dazu bereit erklärt, sein Atomprogramm aufzugeben und sich Kontrollen zu unterwerfen.