Andreas Mäder, Geschäftsführer des Verkehrsverbunds Großraum Nürnberg, hat klare Vorstellungen davon, wie der ÖPNV der Zukunft aussehen muss.
zeit täglich in die Frankenmetropole ein, um dort zu arbeiten. Das Problem dabei: 90 Prozent von ihnen fahren mit dem eigenen Auto, gerade mal zehn Prozent nutzen das Angebot des ÖPNV. "Der Verkehrsinfarkt wird praktisch von außen in die Städte hineingetragen", erklärt Andreas Mäder vom Verkehrsverbund Großraum Nürnberg.
Die Folgen: Die CO2 -Emissionen hätten im Verlauf der letzten 25 Jahre nur marginal gesenkt werden können. Mit rund 18 Prozent des Treibhausgasausstoßes trägt der Straßenverkehr in Deutschland erheblich zum Klimawandel und den damit verbundenen Problemen bei. Der motorisierte Individualverkehr ist dabei für circa 70 Prozent der Verkehrsemissionen verantwortlich. "Und genau der hat in den letzten 25 Jahren weiter zugenommen. So wie bisher kann es einfach nicht weitergehen, weil wir so unsere selbstgesteckten Klimaziele niemals erreichen", kritisiert Mäder diese Entwicklung. Da ist es aus seiner Sicht auch keine Lösung, den Diesel zu verteufeln und wieder verstärkt auf Benzinmotoren zu setzen.
Klimakiller Kohlendioxid
Weil dann die CO2 -Emissionen noch weiter ansteigen würden, und Kohlendioxid sei schließlich der eigentliche Klimakiller. Aber auch die Elektromobilität stelle keine Lösung für eine bessere Klimabilanz dar, wenn, wie derzeit, 50 Prozent des benötigten Stroms aus fossilen Brennstoffen gewonnen werde.
In Städten wie Nürnberg, Erlangen, Bamberg oder Bayreuth entwickle sich der Individualverkehr unabhängig von der Antriebsart immer mehr zum eigentlichen Problem. Beständiger Zuzug, Lärm, Feinstaubbelastung und schlichte Raumnot machten den Anwohnern das Leben schwer. Mäders Fazit: "Wir brauchen in Zukunft weniger Individualverkehr bei gleichzeitigem Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs." So würde beispielsweise die geplante Stadt-Umland-Bahn zwischen Nürnberg und Erlangen täglich rund 1400 Pkw-Fahrten ersetzen. Das entspreche einer Autoschlage von mehr als acht Kilometern Länge. Und davon, wie dieser Ausbau des ÖPNV aussehen sollte, hat der VGN-Geschäftsführer ganz konkrete Vorstellungen.
Voraussetzung Nummer 1: Ein voll ausgebautes S-Bahnnetz für das Verbundgebiet mit entsprechenden Taktzeiten und P+R-Kapazitäten sowie ein Mehr an U-Bahn- und Straßenbahnangebot in Nürnberg. "Der ÖPNV ist nur dann konkurrenzfähig zum Individualverkehr, wenn die Fahrtzeiten in etwa gleich sind."
Voraussetzung Nummer 2: Für den ländlichen Raum und Regionen ohne Bahnanschluss sollen Expressbuslinien eingerichtet werden. "Bislang war unser Busverkehr häufig einseitig auf den Schülerverkehr ausgerichtet. Es wurden möglichst viele Gemeinden und Ortsteile angefahren. Für Pendler ist das uninteressant." Die neue Philosophie: Mit dem Bus ohne viele Zwischenstopps künftig schneller zum Arbeitsplatz in den Städten.
Voraussetzung Nummer 3: Zwischen den kleineren Ortsteilen und Gemeinden und den Expressbuslinien sollen kleinere Busse als Zubringer zu Haupthaltepunkten eingesetzt werden. Diese Busse im ländlichen Bereich sollten fahrerlos verkehren können. Der Grund ist ein einfacher: "Busfahrer sind immer schwerer zu rekrutieren, und die Personalkosten machen im regionalen Busverkehr rund 60 Prozent der Gesamtkosten aus. Ist das alles nur visionäre Spinnerei? Nein, keinesfalls, da gibt sich unser Experte ziemlich sicher. "Ich denke, dass die notwendigen Veränderungen beim ÖPNV in den nächsten 20 Jahren erfolgen werden." Und das, obwohl ein ÖPNV-Ausbau sicher auch Probleme bereiten dürfte. Viele Bürger würden Neubauprojekte durchaus kritisch sehen. "Aber", so Mäder, "wir brauchen ja nicht immer nur neue landfressende Gleiskörper. Kapazitäten lassen sich auch durch eine Verdichtung der Blockabstände erreichen. Dadurch bekommt man schlicht mehr Züge auf die Gleise. Ermöglichen kann das inzwischen im Zuge der Digitalisierung eine neue, moderne Leit- und Sicherungstechnik."
Und: Mit dem Einsatz von Doppelstockzügen ließen sich bestehende Kapazitäten ebenfalls deutlich erhöhen. Die Erfahrung der Vergangenheit zeige allerdings auch, dass der ÖPNV nur dann konkurrenzfähig sei, wenn nur maximal einmal umgestiegen werden müsse. Da gebe es derzeit oft noch Probleme beim Wechsel vom Bus auf die Bahn. Mäder nennt als Beispiele die Städte Bamberg und Bayreuth, wo die zentralen Omnibushalte zu weit entfernt seien von den jeweiligen Bahnhöfen. Hier müsse noch nachgebessert werden. Kann ein kostenloser ÖPNV das derzeitige Nutzungsverhalten der mobilen Kundschaft nachhaltig ändern? "Nein", sagt Andreas Mäder. Und da gibt er sich ziemlich sicher. "Ein kostenloser ÖPNV ist nicht zielführend. Wir haben die Erfahrung gemacht dass die Akzeptanz des ÖPNV nicht so sehr vom Preis, sondern vielmehr vom Angebot abhängt." Und das müsse eben attraktiv sein. So wie das der VGN mit seiner "Rund-um-Mobil-Card" erreichen will. Da lässt sich künftig ein autonomer Bus ordern, oder ein autonom fahrendes Auto, aber auch ein Fahrrad oder das Ticket für die Regionalbahn. Am Monatsende gibt's eine transparente Rechnung, alles wird bequem vom Konto abgebucht. Andreas Mäder: "Genau das verstehe ich unter einem attraktiven ÖPNV."
Kommentar:
Mobilität 2040
Stellen Sie sich vor, Sie befinden sich im Jahr 2020. In Frankens Innenstädten herrscht ein weitgehendes Dieselfahrverbot, der Verkehr platzt aus allen Nähten, Parkmöglichkeiten gibt's kaum mehr, und wenn, dann zu horrenden Preisen. Staus, Abgasgestank, und Lärm machen das Leben für die Anwohner immer unerträglicher. Wer kann, macht um die Zentren einen großen Bogen. Sonderlich weit sind wir von diesen Zuständen nicht mehr entfernt.
Bemühen wir jetzt die Zeitmaschine ein weiteres Mal und versetzen uns ins Jahr 2040. Der Nürnberger Peter F. wohnt mitten in der Altstadt, verfügt über ein multifunktionales Arbeitsgerät. Konsumgüter oder sein Essen bestellt er via Internet, ein eigenes Auto oder Fahrrad hat er nicht mehr. Alles wird über sein Arbeitsgerät abgewickelt. Heißt: Sein Sohn wird täglich mit dem autonomen Auto abgeholt und zur Schule gefahren. Will Peter F. selbst verreisen, bestellt er sich einen autonom fahrenden Bus. Natürlich via Internet. Auf diesem Weg erhält er auch die Buchungsbestätigung, sowie den Fahrschein einschließlich der Rechnung.
Vierspurige Stadtautobahnen gibt's nicht mehr. Statt dessen Grünzonen, Cafés und viel Platz für die Straßenbahn. Mobilität im Jahr 2040 wie sie sich Experten inzwischen gut vorstellen können. Was sich heute noch wie Utopie liest, ist vielleicht die einzige Chance, um den sich abzeichnenden Verkehrsinfarkt in unseren Städten noch abwenden zu können.