Heimwegtelefon: Gefühl von Unsicherheit hat viele Ursachen
Zunächst einmal sei man froh, dass überhaupt in Deutschland über das Sicherheitsgefühl gesprochen wird und eine Debatte entsteht, unabhängig von einzelnen politischen Positionen, sagt Daniel.
«Wir glauben, dass sich das Sicherheitsgefühl in öffentlichen Räumen allerdings nicht ausschließlich auf eine Präsenz von migrantischen Personen zurückführen lässt, sondern dass es ganz vielfältige Ursachen hat. Wir haben das Gefühl, hier werden gerade verschiedene Punkte in der Debatte miteinander vermischt, die wahrscheinlich nur bedingt miteinander zu tun haben».
Unter der bundesweit gültigen Nummer 030 1207 4182 sind Ehrenamtliche des 2011 gegründeten Vereins erreichbar. Die meisten Anrufe kämen von Frauen, sagt Daniel. Die Gründe, weshalb sich Menschen unsicher fühlen, seien sehr vielseitig, vereinzelt riefen auch migrantische Frauen an, die sich wegen Anfeindungen etwa wegen ihres Kopftuchs in der Öffentlichkeit unwohl fühlten.
Problem älter als die aktuelle Migrationsdebatte
Häufig meldeten sich auch Anrufer, weil sie das Gefühl hätten, von jemandem verfolgt zu werden, wegen einer zuvor erlebten unangenehmen Situation oder früheren Erfahrungen. Und: «Viele Menschen sagen: ‚Ich kann dir überhaupt nicht sagen, woher das gerade kommt. Das bricht gerade so über mich herein.‘ Menschen können sich auch sehr, sehr unwohl fühlen, obwohl sich niemand sonst auf der Straße befindet», berichtet der Ehrenamtler.
Der Verein findet: Man könnte vielleicht auch mal die Mütter fragen, wie sicher sie sich gefühlt haben, als sie früher die Töchter waren. «Ich höre manchmal bei meinen Schichten, dass Frauen sagen: 'Ach, da hätte ich mich mal gefreut, wenn es das Angebot schon gegeben hätte, als ich jung war'. Da reden wir über eine Jugend, die teilweise 20 oder 30 Jahre zurückliegt», sagt Daniel. «Insofern ist dieses Gefühl von ‚Ich fühle mich abends, nachts draußen nicht wohl‘ viel älter als die aktuelle Migrationsdebatte».
Frauen-Nacht-Taxis in mehreren deutschen Städten
Neben dem Heimwegtelefon gibt es in vielen Städten Deutschlands weitere Projekte, die das Sicherheitsempfinden in der Dunkelheit stärken wollen. In Mannheim, Heidelberg (übrigens schon seit 1992) oder München etwa werden Frauen bei nächtlichen Taxifahrten finanziell unterstützt.
Zudem kann man das Angebot «Halten auf Wunsch» der Münchner Verkehrsgesellschaft nutzen. Die Busfahrer lassen Fahrgäste ab 21 Uhr - außerhalb des Mittleren Rings und wenn es die Verkehrssituation zulässt - auf Wunsch zwischen den Haltestellen aussteigen. «Die Nutzung war und ist überschaubar und beläuft sich auf aktuell weniger als fünf Haltewünsche in der Woche», teilt ein Sprecher mit.
Hohe Nachfrage für Nightwalks
Ein anderes Beispiel: sogenannte Nightwalks im niedersächsischen Landkreis Emsland. Die begleiteten Spaziergänge durch dunkle Straßen sollen Frauen helfen, mit bedrohlichen oder unangenehmen Situationen besser umzugehen.
Laut der Gleichstellungsbeauftragten des Landkreises, Marlies Kohne, waren die Anmeldezahlen für die zunächst zwölf Termine insgesamt sehr hoch. Einige Kommunen hätten Zusatztermine organisiert, die direkt wieder ausgebucht waren.
Kohne betont: Das Projekt stehe in keinem Zusammenhang mit der aktuellen «Stadtbild»-Debatte. Vielmehr existierten diese und vergleichbare Angebote schon seit vielen Jahren. Sie sollen Mädchen und Frauen mental stärken, sich selbstbewusst und selbstverständlich im öffentlichen Raum zu bewegen. «Mädchen und Frauen dürfen sich nicht aus der Öffentlichkeit zurückziehen.»