Am 26. Februar soll die Beschuldigte erneut gewalttätig geworden sein, und zwar gegenüber einem Kind auf einem Spielplatz im Hamburger Flughafen. Sie habe das Mädchen, nach Angaben des Hamburger Senats sechs Jahre alt, unvermittelt an der Schulter gepackt, geschüttelt und mit der flachen Hand auf den Oberarm geschlagen. Die Staatsanwaltschaft wertet das als Körperverletzung.
Nebenkläger traumatisiert
Sechs geschädigte Personen, darunter der Vater der Beschuldigten, sind im Prozess als Nebenkläger vertreten. Der Vertreter eines etwa 40 Jahre alten Nebenklägers erklärt nach der Verhandlung, die Tochter seines Mandanten habe den Angriff auf den Vater miterlebt und das Blut gesehen. «Sie ist stärker traumatisiert als der Vater», sagt Anwalt Frank Giesler. Es sei ein Familientrauma.
Früheren Angaben zufolge wurden drei Frauen im Alter von 24, 52 und 85 Jahren und ein 24 Jahre alter Mann lebensgefährlich verletzt. Eine Frau musste nach Angaben der Staatsanwaltschaft notoperiert und in ein künstliches Koma versetzt werden.
Die Verteidigerin begründet ihren Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit mit dem Schutz der Menschenwürde, der Gesundheit und dem Persönlichkeitsschutz ihrer Mandantin. Es bestehe die Gefahr der Stigmatisierung und psychischen Destabilisierung durch die Öffentlichkeit, sagt Gieseking.
Zeugen stoppten Messerstecherin
Die eigentliche Tat auf dem Bahnsteig dauerte nach Angaben des Hamburger Senats nur 24 Sekunden. Wenige Minuten zuvor hatte sie sich demnach ein Gemüsemesser mit einer 8,5 Zentimeter langen Klinge in einem Drogeriemarkt im Hauptbahnhof gestohlen. Zwei Zeugen wurden auf die mutmaßliche Messerstecherin aufmerksam und stoppten sie auf dem Bahnsteig. Einer der Männer brachte sie den Angaben zufolge zu Fall und trat ihr das Messer aus der Hand. Gemeinsam hielten sie die Frau bis zum Eintreffen der Polizei fest.
Die Verteidigerin räumt ein, dass die Tat ein großes öffentliches Interesse geweckt habe. Das Sicherheitsgefühl der Öffentlichkeit sei erschüttert worden. Das eigentliche Problem sei aber die medizinische Versorgung.
Liegezeiten würden extrem verkürzt und dadurch schwer kranke Menschen wie im Fall ihrer Mandantin sogar in die Obdachlosigkeit entlassen, «ohne, dass es ein funktionierendes ambulantes Nachsorgenetzwerk gibt», sagte die Anwältin und sprach vom «Ergebnis eines systematischen Versagens».
Ihre Mandantin habe sich mehrfach in Kliniken vorgestellt und sei teilweise abgewiesen worden. «Das sollte auch Kern der Berichterstattung sein, um eine gesellschaftliche und politische Debatte zu fördern, die sich auch zum Schutz der Bevölkerung mit dem medizinischen Hilfssystem für psychisch schwer erkrankte Menschen auseinandersetzt, um ihnen nachhaltig zu helfen und solch schwerwiegende Verläufe zu verhindern», sagte Gieseking.
«Drehtürpatientin»
Vertreter des Hamburger Senats hatten im Innenausschuss der Bürgerschaft von einer «Drehtürpatientin» gesprochen. In den vergangenen 20 Jahren sei sie immer wieder für Tage oder Wochen in Einrichtungen zur psychiatrischen Behandlung gewesen, hieß es.
Erst am Tag vor dem Messerangriff im Hamburger Hauptbahnhof war die 39-Jährige aus einer Psychiatrie im Landkreis Cuxhaven entlassen worden. Nach Auskunft der Klinik gab es zu jenem Zeitpunkt keinen medizinischen Befund, der eine weitere Unterbringung gerechtfertigt hätte.
Die Große Strafkammer hat sechs weitere Verhandlungstage angesetzt. Das Urteil könnte am 27. Januar verkündet werden.