Die Berliner haben ein neues Landesparlament gewählt. Doch was bedeutet das für Angela Merkel? Ein Kommentar von Christoph Hägele.
Wer Angela Merkel Schlechtes will, wird auch die Berliner Wahl zur Abstimmung über ihre Flüchtlingspolitik erklären. Alle anderen sollten es sich dagegen so einfach nicht machen.
Sicherlich beschäftigt, verstört und verärgert das Thema unverändert viele Deutsche. Als der Berliner Wahlkampf an Intensität gewann, stand jedoch weniger die Flüchtlingsfrage im Mittelpunkt, sondern landesspezifische Herausforderungen: erschwinglicher Wohnraum, eine intelligentere Verkehrspolitik und das Chaos in den Amtsstuben.
Die Berliner CDU hatte den Wählern keine überzeugenden Antworten zu bieten. Das Unglück vollendete ein bräsiger Spitzenkandidat, für den sich selbst die Kanzlerin nur mit gedämpfter Euphorie ins Zeug werfen wollte. Merkel wird deshalb nur wenig Neigung verspüren, das Berliner CDU-Desaster auf ihre Kappe zu nehmen. Dass namentlich Horst Seehofer ein solches Schuldeingeständnis einfordern wird, macht den Zwist innerhalb der Union noch ein wenig unversöhnlicher. Was Merkel jetzt gebrauchen könnte, ist ein Feindbild, auf das sich CDU und CSU einigen könnten. Paradoxerweise könnte dieses der Union am Sonntag gerade aus eigener Schwäche zugewachsen sein: Eine mögliche rot-grün- rote Regierung im Bund nämlich hätte das nötige Schreckenspotenzial, um zumindest die tiefsten Gräben innerhalb der Union zuzuschütten.
Dass Bürgermeister Müller künftig mit zwei Koalitionspartnern auskommen muss, ist eine gerechte Strafe für sein zwar redlich-bemühtes, aber jede gestalterische Vision entbehrendes Regierungshandeln.
Eine nun wahrscheinliche rot-grün -rote Regierung wäre kein weltanschaulich unterfüttertes Projekt und würde allenfalls die politischen Fantasien in den Parteizentralen beflügeln. In dieser Hinsicht wäre das strukturell linke Berlin gerade für die SPD das perfekte Labor, um Rot-Grün-Rot auf Alltagstauglichkeit zu testen.
Die Berliner Wahl könnte so auch den Druck auf SPD-Chef Gabriel erhöhen, im Bund ein Bündnis mit Grünen und Linken zu schmieden. Es wäre die einzige Machtoption, mit der die SPD in den Bundestagswahlkampf ziehen könnte.
Erste Antworten, ob ein solches Bündnis SPD und vor allem die Grünen überhaupt wollen, werden bereits die kommenden Wochen mit sich bringen. Dann müssen die Parteien ihre Kandidaten für die Nachfolge von Bundespräsident Gauck benennen. Ein gemeinsamer Kandidat von SPD, Grünen und Linken wäre eine unmissverständliche Botschaft.
Auf die Deutschen käme dann ein Lagerwahlkampf zu, der längst der Vergangenheit anzugehören schien. Der Union böte dies die Chance, mit einem deutlich konservativeren Zungenschlag jene Wähler zurückzuerobern, die sie an die AfD verloren hat.