An Karfreitag herrscht Tanzverbot - der gesetzliche Feiertag ist ein stiller Feiertag ist einer der "Stillen Feiertage". Das ist rückschrittlich und nicht mehr zeitgemäß, findet unser Kommentator.Symbolbild: Jim Hollander/dpa
Wir leben im 21. Jahrhundert - und streiten immer noch über stille Feiertage und deren Auswirkung auf unser Leben. Tanz- und Filmverbote sind überholt und gehören ins Geschichtsbuch anstatt ins Gesetz, findet unser Kommentator.
Ich habe auf den Kalender geschaut und ja, es ist 2019 und wir streiten immer noch über staatlich verordnete Tanzverbote an kirchlichen Feiertagen. Die Forderung des Juso-Chefs Kevin Kühnert, das Tanzverbot an Karfreitag abzuschaffen, mag wie die provokante Forderung eines Jungsozialisten daherkommen, aber eigentlich ist es doch längst überfällig, die Trennung von Kirche und Staat konsequent durchzusetzen.
Also nichts mit "provokant" - sondern nur die jährliche Erinnerung an die, sagen wir, etwas schlampige Trennung von weltlicher und geistlicher Sphäre, die es aber in Deutschland per Verfassung eigentlich gibt.
Zwar sind auch Feiertage als "Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung" (Artikel 140 Grundgesetz) gesetzlich geschützt, aber das dies in ein generelles Tanzverbotmündet, ist nicht zeitgemäß.
Religionsfreiheit ist ein hohes Gut, funktioniert aber in beide Richtungen
Klar ist: Durch die Religionsfreiheit - ein geschütztes Grundrecht - ist es jedem Menschen in Deutschland gestattet, seiner persönlichen Religionsausübung nachzugehen. Wer an Karfreitag die Kreuzigung Jesu betrauern will, kann dies tun und darf daran auch nicht gehindert werden. Dass dies vom Staat gewährleistet und auch geschützt wird, steht fest.
Die Frage ist allerdings, warum Menschen, die mit dem Karfreitag im Speziellen und dem Christentum im Allgemeinen gar nichts am Hut haben, durch so ein Gesetz eingeschränkt werden müssen. Religionsfreiheit funktioniert eben in zwei Richtungen: Es ist die Freiheit, eine Religion auszuüben, aber auch die Freiheit, Religion eben nicht auszuüben und sich ihr nicht unterordnen zu müssen.
Allen Bürgern aufgrund einer religiösen Meinung oder Tradition zu verbieten, an einem Tag zu tanzen oder eineListe mit etwa 700 (!) Filmenaufzustellen, die nicht gezeigt werden dürfen, ist eine Einschränkung, die mit einem säkularen Staat nicht zu vereinbaren ist.
Wann ich still bin, entscheide ich - nicht der Staat und schon gar nicht die Kirche
Da hilft auch nicht das Scheinargument, dass es ja wohl nicht so schlimm sei, an ein paar Tagen im Jahr mal nicht tanzen zu gehen oder im Fernsehen keine Horrorfilme anzusehen. Darum geht es schlicht und einfach nicht. In einem Staat, der die Freiheit und die persönliche Entfaltung der Bürger schützt, ist es die Entscheidung jedes Einzelnen, ob, wann und wie oft er oder sie gerne besinnlich ist oder um wen oder was auch immer er trauern möchte.
Die Freiheit des Einzelnen wird geschützt, bis sie die Freiheit eines anderen einschränkt. Das ist gut so. Aber es stellt sich wirklich die Frage, wo die Freiheit eines Christen, der Ostern begehen möchte, eingeschränkt wird, wenn andere Menschen sich treffen, um zu tanzen, sich zu freuen und dabei "unchristliche" und ganz und gar nicht stille Dinge tun. Niemand wird eine Party auf dem Parkplatz einer Kirche feiern, noch nicht einmal in Hörweite.
Ein Tanzverbot ist unverhältnismäßig
Die Ruhe und Trauer von Christen, die ihren Glauben leben, ist als Bedürfnis ernst zu nehmen. Und es muss möglich sein, dass Menschen diese Tradition ausüben können. Da sie aber in keiner Weise daran gehindert werden oder darin gestört werden, wenn andere ins Kino gehen oder in eine Disko, ist ein generelles Tanzverbot nichts weiter als eine ungerechtfertigte Freiheitseinschränkung aller Anderen.
Es geht um Verhältnismäßigkeit - und die ist nicht gegeben, wenn völlig unnötige Maßnahmen getroffen werden, die zur freien Religionsausübung absolut nichts beitragen.
Deshalb: Staatlich verordnete religiöse Gefühligkeit steht im krassen Widerspruch zu einer säkularen und freiheitlichen Gesellschaft und sollte endlich abgeschafft werden.