Ian McEwan erzählt Alltägliches faszinierend

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Ian McEwan - hier beim Signieren von Büchern bei den Berliner Festspielen Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa
Ian McEwan - hier beim Signieren von Büchern bei den Berliner Festspielen Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa
Das Buchcover. Foto: Diogenes
Das Buchcover. Foto: Diogenes
 

"Kindeswohl" ist der neue Roman von Ian McEwan. Der britische Schriftsteller beweist damit wieder einmal seine Meisterschaft.

Fiona Maye ist eine angesehene Richterin am High Court in London. Sie ist an lange, intensive Arbeitstage ebenso gewöhnt wie daran, genau und äußerst gewissenhaft an ihren Fällen zu arbeiten. Fälle, die von Streitigkeiten zwischen Ehepartnern im Besonderen und von Familienangelegenheiten im Allgemeinen geprägt sind. Fiona muss immer das Kindeswohl im Auge behalten und auch bei noch so berührenden und herzzerreißenden Fällen objektiv urteilen.

Das gelingt ihr, der erfolgreichen Frau im besten Alter, gut, fast zu gut. Doch ihr geordnetes, wohlhabendes Leben verwandelt sich innerhalb weniger Minuten in ein Trümmerfeld als Jack, ihr Mann, mit dem sie seit 30 Jahren verheiratet ist, ihr nicht nur eine Affäre gesteht, sondern sich auch keinerlei Schuld bewusst ist und sich im Recht wähnt.

Als Fiona in ihrem neuesten Fall mit einem 17-Jährigen konfrontiert wird, der an Leukämie erkrankt ist und dem seine Eltern aus religiösen Gründen eine Behandlung verweigern, muss sie versuchen, ihre privaten Probleme zu verdrängen.


Britische Erzählkunst

Ian McEwan beschäftigt sich in seinem neuesten Werk "Kindeswohl" mit scheinbar alltäglichen Themen wie Liebe, Eheproblemen, Midlife-Crises und dem Stress im Berufsleben. Was zu einer kitschigen, übertriebenen oder zumindest extrem langweiligen Geschichte hätte werden können, wird bei dem britischen Schriftsteller zu einem faszinierenden Roman, den man am liebsten nicht mehr weglegen möchte.


Wunderbare Übersetzung

Zumal das Leseerlebnis dank der wunderbaren Übersetzung von Walter Schmitz zu einem Vergnügen wird, das dem englischen Original gerecht wird. Etwa wenn englische Begriffe nicht übersetzt, sondern übernommen und in Bindestrichen erklärt werden: "Middle Temple" wird im Original nicht erklärt, dem deutschen Leser aber mit Hilfe von "- einer der vier Anwaltskammern - " elegant nahegebracht.

"Kindeswohl" ist der beste Beweis dafür, dass gute Literatur auch unterhaltsam sein kann.

Ian McEwan: Kindeswohl, Diogenes, 21,90 Euro.