Revolution in der Medizin: Erster Mensch wird tiefgekühlt und wieder zum Leben erweckt

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Menschen in einen künstlichen Scheintod versetzen und Leben retten - Diese Methode könnte die Medizin revolutionieren. Foto: Jafar Ahmed /Unsplash
Menschen in einen künstlichen Scheintod versetzen und Leben retten - Diese Methode könnte die Medizin revolutionieren. Foto: Jafar Ahmed /Unsplash

US-Ärzte haben einen verletzten Notfall-Patienten nach bisheriger Begrifflichkeit getötet. Sie haben erstmals das Blut durch eiskalte Salzlösung getauscht. Anschließend wurde er wieder zum Leben erweckt.

Keinen Herzschlag, keine Atmung und nahezu keine Hirnaktivität - US-Ärzte haben den ersten Menschen in den künstlichen Scheintod versetzt, um lebensrettende Eingriffe vornehmen zu können. Dafür wurde das komplette Blut eines schwer Verletzten durch eiskalte Salzlösung ausgetauscht. Anschließend wurde der Patient wieder zum Leben erweckt, wie die Bild berichtet.

Dem Fachmagazin "New Scientist" sagte der Professor Samuel Tisherman von der University of Maryland, die erste OP in der Art sei " ein bisschen surreal" gewesen. Die Methode nennt Tisherman "Emergency preservation and resuscitation". Dies bedeutet auf Deutsch Notfallkonservierung und Wiederbelebung und wird auch als "künstlicher Scheintod" bezeichnet.

Verschiedene Beobachtungen bringen Mediziner auf die Idee

Eine Beobachtung war beispielsweise der Sturz einer norwegischen Skiläuferin ins Eiswasser 1999. Sie wurde nach 80 Minuten herausgezogen, doch ihr Herz schlug nicht mehr, die Körpertemperatur war auf 13,7 Grad gesunken und keinerlei Hirnströme konnten im Krankenhaus gemessen werden. Die Norwegerin war somit klinisch tot.

Die Ärzte gaben nicht auf und kämpften um das Leben der Norwegerin. Sie erwärmten ihr Blut außerhalb des Körpers und reicherten es mit Sauerstoff an. Einige Tage später kam sie wieder zu sich und hatte keine schwerwiegenden Folgeschäden.

Erklärung liefern biochemische Ursachen

In der Regel sterben Zellen, wenn sie nicht genügend mit Sauerstoff versorgt werden. Dabei kommt es nach fünf Minuten zu irreversiblen Schäden am Gehirn. Bei der Skiläuferin und Patienten in ähnlichen Situationen hielt die Kälte die Zerfallprozesse auf.

Mediziner entwickelten dazu verschiedene Methoden, um sich das zunutze machen zu können. Dies könnte helfen in kritischen Situationen zu gewinnen. Tishermans Technik war beispielsweise bei Tierversuchen mit Schweinen erfolgreich. "Jetzt war es an der Zeit, das auf Menschen zu übertragen", teilte er dem "New Scientist" mit.

Tests an Patienten mit geringer Überlebenschance

Der Professor führt die Tests nur mit schwerstverletzten Patienten durch, die in die Universitätsklinik von Baltimore (US-Staat Maryland) eingeliefert werden. Dabei kommen nur die Patienten in Frage deren Überlebenswahrscheinlichkeit unter fünf Prozent gesunken ist, deren Herz aufgehört hat zu schlagen und die aufgrund einer Stich- oder Schussverletzung bereits mehr als die Hälfte des Blutes verloren haben.

Kerntemperatur wird auf 10 bis 15 Grad heruntergekühlt

Der Rest des Blutes wird dabei von Tisherman und seinem Team abgepumpt und durch eine eisige Salzlösung ersetzt. So wird die Kerntemperatur des lebensgefährlich Verletzten auf 10 bis 15 Grad heruntergekühlt.

Die Chirurgen haben im Anschluss zwei Stunden Zeit, die Verletzungen zu operieren. Danach wird dem Patienten das Blut wieder zugeführt, er wird aufgewärmt und das Herz beginnt wieder zu schlagen. Die Mediziner mutmaßen, dass eine längere Zeit ohne Sauerstoff wohl trotz der radikalen Körperkühlung zu schwerwiegenden Schäden führen würde.

Zahl der Testpatienten und Überlebenden unbekannt

Tisherman verrät bisher nicht wie viele Testpatienten und Überlebende dieser Methode es momentan gibt. Er hofft 2020 darauf, dass er wissenschaftlich aussagekräftige Ergebnisse publizieren kann. Dazu muss eine ausreichend große Versuchsgruppe mit Patienten verglichen werden, bei denen die Kühl-Behandlung auch in Frage gekommen wäre, aber nicht angewandt wurde, weil die Spezialisten gerade nicht in der Klinik waren.

Wenn die Überlebensrate der Überlebenden bei der Kühl-Behandlung merklich höher ist, könnte sie auch woanders Leben retten.

Etablierte Methoden

Die therapeutische Hypotermie ist eine, seit Jahrzehnten, etablierte Methode, mit der Ärzte inzwischen mehrere Stunden um einen Menschen kämpfen können. Beispielsweise Menschen mit Herz-Kreislauf-Versagen werden schon während oder direkt nach der Wiederbelebung gekühlt. Dazu werden bestimmte Pads, Infusionen oder auch Eisbeutel benutzt. Auch bei Operationen am Herzen wird die Körpertemperatur teils abgesenkt. Dieses Kältemanagement kombinieren die US-Forscher mit der Injektion von Salzlösung in die Blutbahn.